Vier Clowns auf Wandertag: „Der Grüffelo“ am Salzburger Landestheater
Eine Bühne voller Bücher. Der Traum großer und kleiner Bibliophiler wird in den Kammerspielen Realität – und das spannendste davon prangt in der Mitte. „Der Grüffelo“ steht mit fetten Lettern auf dem Einband und kündet von Wagemut und Fantasie. Ist es doch die Story rund um die Maus, die in den Wald geht und dort auf den Fuchs, die Eule und die Schlange trifft. Da sie alle die kleine Maus verspeisen wollen, erfindet die den Grüffelo; einen Monster-Freund, der ganz in der Nähe bereits auf sie warte. Das ist den anderen Tieren nicht geheuer und sie nehmen Reißaus. Allerdings wird aus dem Phantasma plötzlich Realität und jetzt hat die Maus wirklich ein Problem, denn auch das erfundene Monster mit den knubbeligen Beinen, der giftigen Warze im Gesicht und den leuchtenden Augen hat Maus ganz oben auf seinem Speiseplan stehen.
Zeig mir, wo das Monster wohnt
Die Geschichte des Grüffelo ist eine Fabel über Furcht und Unerschrockenheit, über das Glück der Kleinen, die mit Fantasie der Angst ein Schnippchen schlagen. Das Kreativteam Oliver Wronka (Inszenierung) und Nina Wronka (Bühne und Kostüme) ist ein alter Hase am Salzburger Landestheater. Kinderstück? Läuft, wenn Familie Wronka ihre Hände im Spiel hat. Meistens zumindest. Denn wer sich beim „Grüffelo“ den Kinderbuchklassiker in naturalistischer Fassung erwartet, hat zu kurz gedacht. Stattdessen setzen Inszenierung, Bühne und Kostüme voll auf Fantasie. Bunte Farben und Alltagsgegenstände, die sich in die Tiere des Waldes verwandeln, das alles kann dieser Salzburger Grüffelo. Der Weg dorthin ist zwar ein fantastischer, führt aber gerade bei den kleinen Kindern im Publikum zu der öfters hörbar geäußerten Phrase „und wo ist jetzt der Grüffelo?“. Der versteckt sich tatsächlich. Erste Formen nimmt er noch im Buch an.
Das mit dem Buch ist ein wunderbarer Einfall. Dem wachsen Füße und derer nicht zu knapp. Mit drei paar davon tappst der Kinderbuchklassiker einmal quer über die Bühne. Darin hört man es bereits kichern und peu à peu entsteigen dem gebundenen Werk seine Gestalten. Drei Clowns stoßen beim Wandertag auf die Welt des Waldes, die mittels kreativer Ausstattung zum Leben erwacht. Aus vermutlich dem Grund verzichtet die Inszenierung auf große Worte. Beinahe stumm und nur mittels Geräusche tastet sich das Geschehen voran. Und dann werden die vier Schauspieler auch schon zu Maus (Martin Trippensee), Fuchs/Eule/Schlange (Gregor Schulz) oder den emsigen Wander-Kommilitonen (Marco Dott und Matthias Hermann) und Geräuschemacher (Marco Dott).
Ausflug zum Grüffelo in den Kammerspielen
Hier schlottern nicht nur der Maus die Knie, sondern auch ihren zwei Wanderkollegen. Mit großen Clowns-Gesten fällt einer nach dem andern in Ohnmacht, bis sie immer mutiger werden und sich über die Furcht der eigentlich stärkeren Tiere schlapp lachen. Und während sich der eine mysteriöser Weise in der Toilette verbarrikadiert, erwacht eine Eule aus Klopapier zum Leben. Die fürchtet sich schließlich genauso wie später auch die Glitter zischelnde Schlange vor der Maus. Die drei Freunde werden immer wagemutiger und frecher. Da kannten sie den Grüffelo noch nicht, vor dem sie dann selbst sehr lautstark Reißaus nehmen. Das Thema Fantasie wird nicht nur bei der Ausstattung (Höhepunkt ist das Labor des Geräuschemachers), sondern auch bei der musikalischen Untermalung großgeschrieben. Tatsächlich ist „Der Grüffelo“ in dieser Variante weniger für kleine Kinder, als ein Traum für die Eltern, besonders den nachhaltigen und Bio-Deutschen.
Mit Worten wird sparsamst gehandelt, die Dialoge auf das Allernötigste reduziert. Aber das wiederum scheint eine stimmige Analogie auf den Ursprung des Kinderbuch-Bestsellers. Der basiert nämlich auf der chinesischen Fabel „Der Fuchs und der Tiger“ und ist mit 15 Zeilen ziemlich kurz. Gefühlt 15 Zeilen sind es auch, die das Ensemble des „Grüffelo“ sprechen darf, die sitzen dafür, wackeln und haben Luft. Und auch wenn die Schauspieler als Clowns punkten, als Schauspieler begeistern sie – dem Indikator des Publikumslachens zu deuten – und machen Lust auf mehr: viel mehr Grüffelo und weniger Clown. Ab Mai sind Maus und dusseliges Monster übrigens im Park Schloss Aigen unterwegs und das wiederum scheint ein echtes Highlight zu sein, denn im natürlichen Habitat der fröhlichen Tierschar treibt die Fantasie bekanntlich die besten Blüten.
Fotonachweis: Tobias Witzgall
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