Das putzt ganz ungemein: John van Düffels „Buddenbrooks“ in der Inszenierung von Alexandra Liedtke am Salzburger Landestheater.
Mit Pomp und Gloria das frisch renovierte Haus eröffnen? Am Salzburger Landestheater passiert das voll Selbstbewusstsein mit den Buddenbrooks. Richtig, genau jenem Roman über eine Lübecker Kaufmannsfamilie, die den Verfall bereits im Untertitel trägt („Die Buddenbrooks. Verfall einer Familie“). Kann das, nomen est omen, überhaupt gut gehen? Ja, denn Thomas Manns Frühwerk wurde in einer Fassung von John von Düffel auf die Bühne gehoben. Ein deutscher Dramaturg und Schriftsteller, dessen Stücke Garant für Publikumserfolge sind. Am Erfolg ist Alexandra Liedtke maßgeblich beteiligt. Die Regisseurin inszenierte das opulente Gesellschaftsstück manierlich gestrafft und mit sehr viel Ironie im zeitgenössischen Gepäck (Bühne: Philip Rubner, Kostüme: Su Bühler, Body Coach: Paul Blackmann).
Also sprach Mann
Die ersten Töne kommen vom Band. Es sind die Worte Thomas Manns, der u.a. von den Tränen berichtet, die seine Familie und er bei der ersten Lektüre der „Buddenbrooks“ gelacht haben. Eine Ansage für die Produktion am Salzburger Landestheater, mit der Alexandra Liedtke dem Text Tribut zollt; der stammt aus dem sehr frühen zwanzigsten Jahrhundert und ist eben kein realistischer Roman; stattdessen radikalisierte der Verfasser den Humor des poetischen Realismus zur Ironie. Auf diese Ambivalenzen fokussiert sich auch die Regisseurin. Mit größter Detailgenauigkeit ziselieren ihre Figuren das übersteigert Komische an sich heraus, ohne dabei artifiziell zu wirken oder als Parodie zu verkommen. Die Sprache wird als Medium zur Hyperbel genutzt, die Intonation rückt das Tragisch-Komische in den Vordergrund.
Gelungene Figurenzeichnung
Thomas, Tony und Christian Buddenbrook werden von Gregor Schulz, Lisa Fertner und Maximilian Paier als starkes Trio gegeben. Wenn der Verfall an den Eltern (souverän Christoph Wieschke, fromm Britta Bayer) schon deutlich ist, dann perfektionieren ihn die Geschwister. Mit ihnen gerät die bürgerliche Fassade ins Bröckeln. Gregor Schulz‘ Thomas ist der ambitionierte Erstgeborene, der ehrgeizig das eigene Naturell verleugnet und ein straffes, von Erfolg getriebenes Kaufmannsleben führt. Mit energischen Schritten eilt er durch das genauso effizient gestaltete, modern reduzierte Bühnenbild (Philip Rubner).
Ganz anders Christian, den Maximilian Paier als hypochondrischen Träumer gibt. Passend dazu amüsiert er sich ausgiebig und ausgelassen über die anderen. Erst später gerät er ins Hadern, was Paier mit einer wunderbaren Intensität einfängt; zornig schreit er sich den Frust von der Seele und findet doch kein Gehör. Der ewig Missverstandene und ungezügelt Leidenschaftliche wird dann sogar im Sterben übervorteilt.
Eben war Lisa Fertner noch als Fontanes Effi Briest unterwegs, jetzt als Manns Antonie Buddenbrook. Der zeitliche Rahmen bleibt ungefähr derselbe, die Frauenfigur ebenfalls tragisch. Bei Tony Buddenbrook ist es die kindliche Naivität, die als Antrieb fungiert. Ewig schnatternd, immer plappernd und meistens dramatisch, ist Tony die, die überlebt. Sehr gelungen die Figurenzeichnung Fertners, die die Wichtigkeit einfängt, mit der Tony ihre eigene Person überhöht. Überhaupt stehen sich mit den drei Geschwistern drei Pendants gegenüber, die so gegensätzlich nicht sind und immerwährende Aktualität genießen.
Amour fou
Eine spannende Idee der Produktion, Aaron Röll als eine Art goldenen Amor über die Bühne zu schicken. Der Schauspieler wird zur Verkörperung der unerfüllten Leidenschaft. Einmal in der Rolle Mortens, des abgewiesenen Liebhabers Tonys zugunsten von Benedix Grünlich (Martin Trippensee), einmal als Anna, der ersten Freundin Thomas‘, die der besseren Partie Gerda (Elisabeth Mackner) geopfert wird. Schlussendlich auch noch als Kai, den Schulfreund Hannos. Die Goldtöne von Outfit und Füßen sind passend gewählt; schließlich ist es auch der goldene Mammon, der die Buddenbrooks in den Untergang treibt. Matthias Hermann indes treibt als wunderbar windiger Bankier Kesselmayer sein kassandrahaftes Unwesen.
Die Gier nach Reichtum und Besitz wird an späterer Stelle immer deutlicher. Tony nimmt ihr Schicksal, sich möglichst vorteilhaft verheiraten, schulterzuckend an und packt den halben Esszimmertisch zur Mitgift ein. Später sieht sie es als nonchalante Pflicht, ihren Fehler mit Grünlich durch eine Heirat mit Alois Permaneder (Georg Clementi) auszumerzen. Ein Heimspiel für Georg Clementi, der spontan für einen erkrankten Kollegen einsprang, und diese oder ähnliche Figuren aus dem Ärmel zu schütteln scheint. Tony indes bleibt mit dem Kerzenhalter zurück, dem letzten Überbleibsel vom Buddenbrook’schen Tafelsilber.
Memento Mori
Der Verfall der Lübecker Kaufmannsfamilie kulminiert in Enkelsohn Hanno (an diesem Abend: Daniel Marcel Grießer). Krankheit, Tod, Religion und Philosophie sind dauerpräsent; ja, der jüngste Spross kann den nahen Untergang schon förmlich riechen – die musikalische Untermalung tut das ihrige (Musik: Karsten Riedel). Stark übrigens auch das Ende, mit Bachs Kirchenkantate, „ach wie nichtig, ach wie flüchtig, ist der Menschenleben“. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzufügen, außer dass sich ein Besuch der „Buddenbrooks“ am Landestheater lohnt. Selten geht eine ganze Dynastie imposanter, wortgewandter und doch ironischer unter.
Fotonachweis: Anna-Maria Löffelberger
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