Zwei Herren von Real Madrid

Zwei Herren von Real Madrid – Schauspielhaus Salzburg

Utopie am grünen Rasen mit »Zwei Herren von Real Madrid«

Das Schauspielhaus Salzburg rollt für den Saisonauftakt unter neuer Führung mit der Österreichischen Erstaufführung im Studio den grünen Rasen aus.

Intendant Alexander Kratzer und Co-Leitung Sophia Aurich brechen bereits zum Einstand mit einem gängigen Klischee: Statt Goethes »Faust« zu inszenieren, setzt das neue Team am Schauspielhaus auf den Komödien-Erstling eines jungen zeitgenössischen Autors. Leo Meier schuf mit »Zwei Herren von Real Madrid« eine märchenhafte Utopie, die gängige Rollenbildern selbstbewusst ad absurdum führt.

Zwei Männer treffen sich im Wald. Beide spielen bei Real Madrid, kannten sich bisher allerdings noch nicht. Der Mittelfeldspieler lädt den Stürmer spontan zum Weihnachtsessen bei seinen Eltern ein. Dass der dann mit seinem Drachen anfliegt, der den halben Pool ausschlürft, scheint konsequent in dieser surrealen Welt, in der sich alles etwas merkwürdig und doch so richtig anlässt.

»Zwei Herren von Real Madrid« räumt mit gängigen Klischees auf

In der Regie von Alexander Kratzer entstand ein utopischer Gegenentwurf zur Realität (Bühne: Thomas Garvie, Kostüme: Katia Bottegal), der das Nonsense-Element genauso feiert, wie er die philosophisch-poetischen Ergüsse zelebriert. Für die liebevolle Umsetzung sorgen Olivier Günter und Ludwig Wendelin Weißenberger als Stürmer und Mittelfeldspieler. Was in der Realität nicht möglich scheint, weltweit haben sich erst circa fünf Profispieler während ihrer Karriere geoutet, ist für die beiden ein Leichtes.

In kleinsten Schritten nähern sie sich einander an und bleiben tapfer beim »Sie«, während sie Komplimente austauschen. Bevor hier zu sehr Fin-de-Siècle-Gefühle aufkeimen: Die Umwelt der Fußballprofis ist sprachlich anders getrimmt und gießt als Kuppler:innen kräftig Öl ins Feuer (Christiane Warnecke herrlich euphorisch als »außerordentlich« engagierte Mutter). Dennoch lässt die beiden das rührende per Sie nicht los; fast so, als könnten sie ihr Glück selbst nicht fassen und blieben vorsichtshalber auf Distanz.

Die Intimität zwischen Mittelfeldspieler und Stürmer wird selbst noch in den kleinen Details akzentuiert; gemeinsam wärmen sie sich unisono auf und sind in den gleichen Gesten versiert. Ein herzerwärmender Dialog, der nicht immer im Sprachlichen stattfindet.

In der Kirche wird geravt

Auch Nicht-Fußballfans dürfen sich an Markus Weitschachers Darstellung des Sergio Ramos freuen. Der berühmte Kapitän von Real Madrid ist philosophisch reduzierter gestrickt als die beiden Turteltauben, bringt seine Botschaften aber nachhaltig auf den Punkt. Weitere Highlights sind Christiane Warnecke als Paterin im funkelnden Gottesmutter-Maria-Gedächtnisumhang, die einen kleinen Rave zu »Laudato si« initiiert, oder Karoline Breschar als Pressesprecherin und Cousine von Kurt Cobain.

Die Bananenbrot-Pointen sind amüsant und zugleich Zeugnis der Zeit des Autors. Apropos: Zeitlich lässt sich die Inszenierung ansonsten schwer festlegen. Einmal wird die Bühne mit dem Schnurtelefon durchquert, dann wiederum liest die Kirchenfrau ihren Sermon vom Mobiltelefon ab. Neu ist das gänzliche Fehlen von Homophobie; damit trägt die Komödie von Leo Meier auch surrealistische Züge, in der die fiktive Welt idealtypisch über der realen steht. An einem lässt die Österreichische Erstaufführung »Zwei Herren von Real Madrid« allerdings keinen Zweifel: Theater ist als Raum für alle gedacht. Als Platz, sich auszuprobieren und neue Welten zu erschließen. Und das ist doch eigentlich die beste Botschaft für die kommende Spielzeit.

 

Fotonachweis: Erika Mayer // Schauspielhaus Salzburg

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