Cineastische Akustikfreuden
Das Aspekte Festival für Musik unserer Zeit feiert mit Fausto Romitellis klang- und visuell-opulenter Video-Oper AN INDEX OF METALS eine starke Premiere.
Es ist kein Geheimnis: Bild und Ton besitzen die Fähigkeit zur homogenen Synthese. Und das übrigens schon lange vor den leitmotivischen Techniken eines Richard Wagners, den „Bildern einer Ausstellung“ von Mussorgski oder den Filmkompositionen aus der Feder Preisners. Höchste Zeit also, genau da anzuknüpfen, und den Faden weiterzuspinnen. Das dachte sich vielleicht auch das Kreativ-Team der 36. Ausgabe des Festivals für Musik unserer Zeit. Das beschäftigt sich 2018 intensiv mit der Verbindung der Genres Film und Filmmusik und setzt mit Fausto Romitellis AN INDEX OF METALS starke Akzente.
AN INDEX OF METALS ist die letzte Komposition von Fausto Romitelli und kreist als erstes Aspekte-Stück passenderweise um das Eintauchen in die Materie – an dieser Stelle übrigens der des Klangs. Damit ist die Video-Oper zugleich perfekter Botschafter für das Festival. Eintauchen soll schließlich auch das Publikum und dafür zog der früh verstorbene italienische Künstler bereits 2003 alle Register. Das beginnt mit dem Orchester, das nicht nur aus den obligatorischen klassischen Instrumenten besteht, sondern sich mit E-Gitarre, Bassgitarre oder Keyboard und Megafon auch am zeitgenössischen Musikfundus bedient. Das Ergebnis ist eine klangstarke, fulminante Synergie, die zwischen Rock- und Pop genauso oszilliert wie zwischen klassischen und modernen Fragmenten (Ensemble Phace, musikalische Leitung: Nacho de Paz). Weiter übersteigert wird Romitellis akustische Offensive mit dem Einsatz der Sopranistin (Daisy Press). Ihre tatsächliche „Singzeit“ reduziert sich zwar auf konzise 8 Minuten, die inszenierte der Komponist aber so raffiniert, dass die Sängerin zu den Höhepunkten der Video-Oper aufläuft. Als Basis für ihr Libretto diente Kenka Lèkovichs METALSUSHI – das Romitelli großzügig re-arrangierte. In der Interpretation von Daisy Press wird deutlich, bei AN INDEX OF METALS rückt der eigentliche Wortsinn der lyrischen Basis in den Hintergrund. Was zählt, ist die Klanggestalt der einzelnen Wörter oder linguistisch ausgedrückt, die Phoneme. Empathisch und stimmstark erweckt die Sopranistin den Text zu eigenem Leben, der zugleich mittels akustischer Klangkulisse eine ausdrucksstarke Note entwickelt.
Psychedelisch, fantastisch mutet das visuelle Erlebnis an, dass der Künstler für seine Komposition kreierte. Auf drei Bildschirmen wird das Sujet der Video-Oper immer wieder aufgegriffen und feiert mit einer zellenartigen Nahaufnahme Premiere. Eindringen in die Materie gelingt aber auch mit anderen optischen Reizen. Hochhausfassaden verselbstständigen sich vertikal und passen sich fließend den rhythmischen Vorgaben an. Kleckse streben auseinander oder oszillieren zu einem homogenen Ganzen. Je intensiver sich die Betrachter auf das visuelle Klangerlebnis einlassen, desto stärker scheint der Sog ins Abstrakte, das eine beinahe hypnotisierende Wirkung entwickelt. Dabei gerät das dunkle Element, das dem INDEX OF METALS anhaftet, nicht aus dem Fokus. Die Abwärtsspirale dreht sich munter weiter, düstere Lichteffekte wechseln mit hellen Variationen, bewegte Bilder mit absolutem Stillstand – und die Faszination? Die steigert sich stetig, bevor die Komposition mit einem akustisch-visuellen Knall schließt.
Fotonachweis: Laurent Ziegler
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