Bei Stefanie Sargnagels Lesung zu „Dicht“ steppt der Erklärbär. Die Beobachtungsgabe und der leichtfüßige Stil der Künstlerin lassen die Lesung an der ARGEkultur dennoch herrlich kurzweilig verfliegen.
Ein bisschen Wednesday Addams, ein bisschen Proll-Faktor und sehr viel Beobachtungsgabe. Stefanie Sargnagel hat sich über die Jahre ein unverkennbares Alter Ego zugelegt, das sich pünktlich zum Spielzeitende an der ARGEkultur ein hippes Stell-dich-ein gibt. Hip deshalb, weil die Künstlerin, die neben Texten auch Karikaturen veröffentlicht, nach wie vor polemisiert. Alles fing mit Büchern über ihr damaliges Callcenter-Dasein und heiteren Status-Updates auf Facebook an. Das ist nett und bringt Aufmerksamkeit, wenn man so gelungen und pointiert erzählt wie Stefanie Sargnagel. Deshalb mauserte sich die junge Wienerin auch zur gefragten Literatin.
Sie ist wohl das, was man am Puls der Zeit nennt. Jung, tendenziell links und mit herrlich schwarzem Zungenschlag. Wobei sich nicht so genau sagen lässt, wo hier eigentlich genau die Grenze zwischen Fiktion und Realität verläuft. Was ist wirklich Sargnagel und was die von ihr kreierte Kunstfigur, die bei etwaiger Kritik auch zum Panzer avanciert und Ungemach gekonnt an der ‚echten‘ Steffi abprallen lässt. Einstecken musste die Künstlerin schon viel. Shitstorm? Check.
When Steffi meets audience
Im Studio der ARGE weht zum Glück kein Lüftchen. Weder der stürmischen noch anderer Art. Tatsächlich scheint Stefanie Sargnagels Lesung zu vereinen. Vertreten ist ein buntes Potpourri aus jungen coolen Menschen, älteren coolen Menschen und hie und da ein paar Germanist*innen. Die Mischung macht’s und die sorgt auch bei „Dicht“ für gute Stimmung. Das ist zugleich der Titel von Sargnagels erstem tatsächlichem Roman. Zu markanten Georg Kreisler Klängen betritt die Autorin die Bühne und plaudert gewohnt authentisch darauf los. So wie sie das auch schriftlich macht. Das kommt an und diese fröhliche dystopische Attitüde zieht sich durch die gesamte Lesung, die einen Querschnitt von „Dicht“ bietet. Übrigens, das ist wiederum das Praktische an Lesungen. Man kann das Buch davor gelesen haben, muss aber nicht. Danach ist man schlauer – so oder so.
Stefanie Sargnagel: Über geistiges Potential und juvenile Abenteuer
Kleid und Attitüde sind Teil des Sargnagel-Deals. Die greift den Stil von Georg Kreisler auf; nicht nur akustisch, sondern auch literarisch. Das scheint passend, schließlich ist Kreislers ironisch verpackter Weltschmerz mit seiner Kritik an der Zeit auch Sargnagels ureigenes Terrain. Und das verteidigt sie so eloquent wie beharrlich auf charmante Art und äußerst trockene Weise – die, ja, natürlich auch etwas prollig sein dürfen. Hier könnte man übrigens, es wird weiter munter zitiert, an Thomas Bernhard denken. Stichwort Publikumsbeleidigungen. Gut gelaunt hält Sargnagel fest, dass so ein echter Roman, verglichen mit ihren bisherigen Kurzgeschichten, wohl über die geistigen Kapazitäten ihres Stammpublikums hinausginge. So richtig böse wird ihr niemand sein. Dafür ist die Figur – potentieller Proll hin oder her – dann doch zu sympathisch. Und sind wir nicht alle ein bisschen Gemeindebau? Zumindest die meisten.
Wenn so der erste Roman von Stefanie Sargnagel aussieht, dann darf man auf den zweiten gespannt sein. Und hofft, ja, dass es noch öfters Lesungen von ihr an der ARGEkultur geben wird – an diesem Umschlagplatz für alternatives Kulturangebot aus allen Sparten.
Fotonachweis: Stefanie Sargnagel | ARGEkultur
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