Oops, she did it again: Janna Ramos-Violante inszenierte „Sherlock Holmes – A Study in Scarlet“ für das International Theatre Salzburg am Landestheater. Pfiffig, spannend und ein absolutes Must-visit.
Eine Leiche in der Badewanne, aber vom Mörder fehlt jede Spur – im Salzburger Landestheater heftet sich Sherlock Holmes an die Fersen des mysteriösen Unbekannten. Mit im Schlepptau: das Publikum der bis auf den letzten Platz ausverkauften Vorstellung. Aber hier liegt noch mehr im Argen. Neben den Zuschauer:innen auf Wanderschaft ist die Bühnensprache Englisch – und Sherlock Holmes, der berühmte Meisterdetektiv, eine Frau. Im Steampunk-Outfit begibt sich Janna Ramos-Violante auf Spurensuche und verantwortet ganz nebenbei die gesamte Produktion: vom Text über die Regie bis zum Bühnenbild.
Ganz große Whodunit-Liebe
Wer schon immer mal Teil eines Whodunits sein wollte: Hier bist du Detektiv:in, hier darfst du’s sein. „Sherlock Holmes – A Study in Scarlet“ des International Theatre Salzburg macht ziemlich viel Spaß, selbst Leuten, die es sonst nicht so mit partizipativem Theater haben (moi). Die Schnappatmung darf also beruhigt eingestellt werden – stattdessen einfach mal vom Strom treiben lassen. Gelegenheit dafür gibt es zur Genüge. Janna Ramos-Violante schuf mit ihrer Variante von „Sherlock Holmes – A Study in Scarlet“ ein spannungsreiches und heiteres Kriminalstück, das seine Möglichkeiten perfekt ausschöpft.
Auf der Bühne stehen nur zwei Personen, die Möglichkeiten sind also begrenzt. Kein Problem für Ramos-Violante (Umsetzung des Bühnenbilds: Markus Strienz). Sie schrieb sich selbst und Kollegin Anna Bárbara Bonatto kurzerhand sämtliche Rollen auf den Leib. Zur besseren Differenzierung verpassen die beiden den Verdächtigen markante Akzente und diverse Charakteristika. Übertreiben? Gerne erlaubt, denn mehr ist immer mehr. Besonders liebevoll ausgearbeitet: die Köpfe des französischen Ehepaars als frankophil bepinselte Papiertüten. Dem wohlmeinenden Onkel dient eine Lampe als Kopf, und das Dienstmädchen Lottie spricht im breiten Cockney. Wer braucht da schon ein großes Ensemble?
Happy Audience, Happy Performance
Großartig ist Janna Ramos-Violante als Steampunk-Sherlock. Warum gibt es eigentlich nicht mehr davon? Bisher war der Meisterdetektiv immer ein Mann – gut, mit Ausnahme von Enola Holmes. Aber die Netflix-Serie disqualifiziert sich von selbst: zu aufgeweicht, zu teeniehaft, zu kommerziell. Die Salzburger Detektivin hingegen marschiert resolut und selbstbewusst durch die Handlung. Pfiffig zelebriert sie die Klischees und drückt Sherlock im Vorbeigehen ihre eigene Note auf. Statt Dr. Watson adressiert der Meisterdetektiv das Publikum, das dadurch das Gefühl erhält, selbst am Fall und seiner Aufklärung mitzuwirken.
Den Rest erledigen Pointen und spontane Randbemerkungen, die für Erheiterung zwischen den Reihen sorgen. Aber auch Anna Bárbara Bonatto kann so viel mehr, als einfach nur Leiche sein. In Retrospektiven wird der Abgang ihrer Figur Scarlett näher beleuchtet. Dass das Publikum am Ende abstimmen darf, wer der oder die Mörder:in ist, versteht sich beim Whodunit des International Theatre Salzburg von selbst. Und auch, dass danach die eine oder der andere mit „Auld Lang Syne“ auf den Lippen die Vorstellung verlässt. Damit kam es noch glimpflich davon, man stelle sich vor, die Briten wären zum Jahreswechsel auf Strauss fixiert. Dann hätte es den Saal wohl im Dreivierteltakt verlassen… 😉
Fotonachweis: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall
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