Die musikalische Kavallerie von #88SAITEN gegen rechts!
Unter dem Motto „Gemeinsam für ein Miteinander“ findet sich ein buntgemischtes Publikum vor und auf dem Rosenhügel der Stadt Salzburg ein, um zusammen ein weithin sichtbares Zeichen gegen rechte Strömungen zu setzen. Das, und um Musik zu hören. Und nett zu plaudern. Und zu trinken. Und all den Rest zu machen, den man halt noch so alles während eines Open Airs macht.
#88GEGEN Rechts! lautet die noch relativ junge Bewegung, mit der sich Initiatorin und Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer aktiv gegen beschmierte Stolpersteine, zerstörte Denkmäler und andere Verunstaltungen zur Wehr setzt. Rechte Tendenzen sind unerwünscht, deswegen ist man auch nicht willens, ihnen die 88 zu überlassen. Das erklärt den Namen der ambitionierten Initiative; #88GEGEN Rechts! ist eine bewusste Invertierung der in einschlägigen Kreisen bereits als Symbol verehrten „88“. Der Denkvorgang der rechten Szene ist (wen wundert’s?) ziemlich einfach: Das H ist der achte Buchstabe im Alphabet. Was sich hinter 88 = HH verbirgt, lässt sich folglich leicht erahnen. Rettet die 88, die kann ja nun wirklich nichts dafür. Relativ bald waren deshalb 88 Persönlichkeiten aus sämtlichen Bereichen der Gesellschaft gefunden, die klar Position gegen die braune Philosophie bezogen. #88GEGEN Rechts! bleibt daber aber keinesfalls auf einen elitären Kreis beschränkt, jeder darf einstimmen und ist herzlich willkommen. Deshalb veranstaltete die Stadt auch an diesem Mittwochabend das zweite Mal #88SAITEN gegen rechts! und lud zum zahlreichen Erscheinen ein, #refugeeswelcome.
Einzelne Besucher*innen sprenkeln bereits den Rosenhügel, der Rest sammelt sich vor der Bühne oder an der Freiluft-Bar. Es ist noch beinahe herbstlich warm, als sich zu den letzten Sonnenstrahlen der erste heimische Musikact auf die Bühne gesellt. Julian Nantes könnte etwas verloren wirken, so ganz alleine zwischen all den bereits aufgebauten Instrumenten der nachfolgenden Bands, tut er aber nicht. Der Salzburger Solokünstler, der nur auf sich und seine Gitarre (und Bassdrums und Kick-Tambourine) gestellt ist, erzählt lieber wunderbar melodische Geschichten. Ein bisschen Alternative und Indie, ein bisschen Rock und ein Hauch von Folk; eindringlich, schnell und gegen Ende hin doch meistens sanft gewährt Julian Nantes dem Publikum tiefe Einblicke in seine Singer/Songwriter Seele. Sein aus dem Leben geschöpftes Solo-Programm endet zu früh, gerne hätte man noch ein Weilchen länger dem alleinunterhaltenden Barden gelauscht.
Inzwischen ist es wirklich kalt geworden und die Dunkelheit über den Mirabellgarten hereingebrochen. Als Brothers van Yarns mit „New Place“ Stimmen und Instrumente erheben, ist der Zuschauerstrom ungebrochen und ein entsprechender Rahmen aus dem Nichts herbeigezaubert. Das Publikum ist hörbar angetan und mit jedem Song scheint die auf Englisch singende Band aus Golling die Menschenmassen mehr für sich einzunehmen. Die erste Reihe beginnt fleißig – mehr oder weniger im Takt – mitzuhüpfen und spätestens bei „Ladies & Gentlemen“ befürchtet die Verfasserin dieser Zeile, dass sie jeden Moment in eine Polonaise ausbrechen könnte. Tut die erste Reihe dann aber doch nicht, dafür hüpft sie munter weiter im Kreis. Brothers van Yarns sind sichtlich gerührt von so viel Publikum-Liebe und danken es mit jeder Menge musikalischer Hingabe. Trompeten und Percussion-Klänge vereinen sich mit gesungenem Wortmaterial, progressiver Folk entfaltet seine exklusive Live-Ästhetik.
Und weil das Programm zwar heimisch ist, aber mindestens genauso facettenreich, folgen Scheibsta & Die Buben auf den Fuß. Oder nun ja, fast zumindest. – In der Pause, immer dem Gros des weiblichen Publikums folgend, entwischt die Verfasserin dieser Zeilen rein zufällig der 50 Cent verrechnenden Putzfrau. – Scheibsta ist ein österreichischer Rapper, der sein Publikum vor allem mit eloquentem Sprachwitz bezirzt. Davor versichert er sich aber lieber nochmals, dass auch wirklich alle da sind. Jaaa. Also rein theoretisch natürlich, weil so ganz scheint das nicht mehr feststellbar. Dafür ist es bereits zu dunkel und auch das Ausleuchten der ersten Reihen nützt nur noch marginal. Scheibsta kennt dafür keine vokalen Berührungsängste und trifft auf ein ebenso aufgeschlossenes Publikum (oder ist das wieder die berühmt-berüchtigte erste Reihe?!). Wortchöre hallen alsbald um und über den wahrscheinlich immer noch sehr vollen Hügel. Die sich in der Dunkelheit rasant ausbreitende Euphorie der Besucher*innen kennt schon längst keine Grenzen mehr.
An diesem Mittwochabend feierte ein sehr buntes Salzburg gemeinsam mit Julian Nantes, den Brothers van Yarns und Scheibsta & Die Buben #88SAITEN gegen rechts! und ließ eine unüberhörbare Stimme ertönen. Die zu ignorieren, dürfte wahrlich schwerfallen.
NB: An der Stelle möchte ich mein Bedauern über die etwas traurige Fotoqualität zum Ausdruck bringen. Eine Handykamera ist halt doch kein EOS-Ersatz, zumindest meistens … 😉
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