Kleine Horrorladen

Der kleine Horrorladen – Schauspielhaus Salzburg

Grüne Frauenpower am Schauspielhaus Salzburg: Mit „Der kleine Horrorladen“ sorgt ein Horror-Comedy-Musical für freche Unterhaltung und den einen oder anderen Ohrwurm.

Andrew Lloyd Webber wer? Disney was? Am Salzburger Schauspielhaus weht mit einer kleinen, immer hungrigen Pflanze ein Hauch von Hollywood und Off-Off-Broadway durch den Saal. „Der kleine Horrorladen“ war ursprünglich als Comedy geplant und wurde dann zu einer Low-Budget-Horror-Comedy-Verfilmung – gedreht in nur zwei Tagen. Heute zählt es zu den am häufigsten aufgeführten Musicals ohne festen Spielort und ist mit seinem Independent-Charme ein perfekter Kandidat für das Haus in Nonntal, das eben nicht nur Schauspiel kann, sondern hin und wieder auch Musicals ins Repertoire aufnimmt. Abwechslung ist alles – und die kann auch gerne so frech und ungeschliffen daherkommen wie „Der kleine Horrorladen“ (Regie: Susi Weber, Ausstattung: Isabel Graf, musikalische Leitung: Gernot Haslauer).

Es ist klein, es ist grün, Audrey Zwo, bist du es?

Die fleischfressende Pflanze Audrey Zwo ist der Dreh- und Angelpunkt des kleinen Horrorladens und zugleich das Highlight jeder Inszenierung (Ausstattung: Isabel Graf). Vom harmlosen, vor sich hin siechenden Pflänzchen wandelt sich das grüne Ding in ein gigantisches, blutrünstiges Monster – die ersten Opfer sind nie fern. Sängerin und Schauspielerin Bina Blumencron leiht dem grünen Albtraum für die so gar nicht vegetarischen Schandtaten ihre Stimme und verwandelt sie in eine florale Rockröhre: Stark, kraftvoll und selbstbewusst intoniert sie die Killer-Pflanze, die von Noah Löffelberger armstark geführt wird und nach immer mehr giert. Ein Erlebnis sind aber auch die drei Grazien: Crystal (Hannah Schitter), Ronnette (Leah Gerber) und Chiffon (Julia Rajsp). Mit selbstbewusster Choreografie (Marena Weller) begleiten sie keck und stimmstark durch das makabre Stück mit dem Hang zu liebenswertem Horror-Klamauk.

In der Salzburger Inszenierung des Horrorladens dominiert klar die Frauenpower. Zu den Highlights zählt dabei Johanna Eggers Audrey (das menschliche Original, nicht das grüne Monster). Diese Audrey beherrscht aber eben nicht nur die schrillen Töne, sondern besonders gut auch die leisen und zarten. Damit eröffnet Johanna Egger eine neue, gefühlvolle Facette ihrer Figur, die ihr eine großartige Tiefe verleiht. An der kann auch der sadistische Zahnarzt Orin nicht bohren (voller Inbrunst: Wolfgang Kandler). In durchgeknallter Latex-Montur, die sich hart an der Grenze des fragwürdigen Geschmacks bewegt, oszilliert Orin zwischen Macho und Lachgas-Junkie mit einer notorisch locker sitzenden Hand. Dass er als erstes Opfer im grünen Ungeheuer landet, wird Seymour gerne verziehen. Bei Mr. Mushnik (Olaf Salzer) fällt das dann schon etwas schwerer.

Seymour gibt Luka Vlatković unglaublich ungeschickt, liebenswert und sympathisch, zugleich aber auch stimmlich versiert mit einem sehr gelungenen „Jetzt hast du Seymour“ als großer Ohrwurm-Kandidat. Leider geht die eingangs so lautstark akzentuierte Tollpatschigkeit irgendwann einfach verloren. Zurück bleibt ein sehr normaler Seymour – und die Frage, warum dieser Aufwand davor?

Musikalische Exzesse: Der kleine Horrorladen

Für Ohrwürmer und weitere musikalische Exzesse ist im Kleinen Horrorladen ein Live-Orchester zuständig, das das Repertoire von Rock’n‘ Roll über Doo-Wop bis zu frühem Motown wunderbar und aus dem Effeff beherrscht. Dabei sitzt es sprichwörtlich im Glashaus: Die Steine dürfen dennoch stecken bleiben. Stattdessen greifen Klaus Kircher (Bass), Roli Wesp (Keys, Korrepetition & Einstudierung), Tom Reif (Gitarre) und Franz Trattner (Schlagwerk) in der Bar zu den besonders guten Tönen.

Auch wenn der Originalfilm großes Trash-Potenzial besitzt, in Susi Webers Regie wird „Der kleine Horrorladen“ in die Comic-Schiene überführt. Als Bühnenbild dient eine großartige Kulisse, die an eine schwarz-weiße Papplandschaft anmutet. Mit dabei: humorige Details wie eine kleine große Ratte auf den Müllsäcken am Rande des Bühnenbilds oder herausziehbare Blumen. Erst mit dem Wachstum von Audrey Zwo erhält auch das Bühnenbild plötzlich Farbe und mit ihm die Kostüme der Darstellerinnen und Darsteller (Licht: Marcel Busá, Dramaturgie: Tabea Baumann). Ein wunderbares Sinnbild: Das Leben, das die Pflanze ihrer tristen Umgebung einhaucht, mag glamourös sein, es kommt aber auch zu einem bestimmten Preis. Dass der gut unterhält, dafür sorgt das Ensemble und das musikalische Repertoire. Audrey Zwo, sie lebt. Zumindest am Schauspielhaus Salzburg. Nur marginal getrübt durch die frenetische Handyzückerei im Publikum bei den Schlussnummern. Dass die leuchtenden Displays die Reihen dahinter stören könnte, kommt den Übeltäterinnen und Übeltätern nicht in den Sinn. Aber zumindest ist es auch die Bestätigung für eine gelungene Show.

 

Fotonachweis: Jan Friese

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