Phaedra - Schauspielhaus Salzburg

Phaedra – Schauspielhaus Salzburg

Wasserspiele am Schauspielhaus Salzburg

Ein antiker Mythos, eine französische Tragödie und ein Pool auf der Bühne – Die Inszenierung von „Phaedra“ am Salzburger Schauspielhaus setzt auf Reduktion und starke Bilder, um die zeitlose Wucht des Dramas freizulegen.

“Wow, das war aber viel Drama”. Der Stoßseufzer aus dem Publikum nach der Vorstellung kommt aus tiefster Seele. „Naja, ist ja auch eine Tragödie“, möchte man einwerfen. Genau genommen eine aus dem französischen Klassizismus. Und als wäre das noch nicht tragisch genug, steckt ein Übermaß an griechischer Mythologie darin. Ein Schelm, wer Leichtes dabei denkt. Robert Pienz und Jérôme Junod jedenfalls nicht. Regisseur und Dramaturg orientierten sich für den mannigfaltigen Stoff vielmehr an der Version von Jean Racine, der antike Stofftreue mit innovativer Charakterzeichnung verband. Das Ergebnis überführte das Duo ins 21. Jahrhundert – und mit ihm einen Rattenschwanz an Rezeptionsgeschichte.

In aller Plot-Kürze

„Phaedra“, das ist die Geschichte der gleichnamigen Gemahlin des Theseus’, die sich in den eigenen Stiefsohn verliebt. Hippolytos ahnt nichts von den Gefühlen seiner Stiefmutter, die ihn zur Tarnung mit Ächtung straft. Als es dann doch ans Licht kommt, nimmt die Tragödie ihren Lauf.

Göttliche Gefälligkeiten und andere Unglückseligkeiten

Den Rattenschwanz bändigt die Produktion vorbildlich. Das beginnt beim Setting von „Phaedra“. Das Bühnenbild ist eine düstere Stahlkonstruktion mit inkludiertem Pool, die für Weite sorgt, indem sie die Höhe des Bühnensaals erschließt. Zugleich dient das Konstrukt als Podium für den Hof, der in Manier eines griechischen Chors unisono spricht und sich kassandrahaft ergänzt (Rene Eichinger, Marvin Rehbock und Enrico Riethmüller).

Dass dieser Hof aus Männern in Frauenkleidung besteht, ist die einzige Extravaganz, die sich die Inszenierung gönnt. Ein Einfall, der an eine persiflierte Verbeugung Richtung Patriarchat anmutet, das das Geschehen auf der Bühne prägt. Am männlich dominierten Pranger steht die Frau, die den Stiefsohn begehrt – beide werden sterben. Der promiskuitive Ehemann (Theo Helm) allerdings hält selbstgefällig Gericht und fordert von den Göttern Gefälligkeiten ein.

Vielleicht liegt es auch an den Göttern, warum diese Tragödien nach griechischem Vorbild nach wie vor so stark faszinieren. Der Mensch denkt, aber die Götter lenken. Das ist sehr praktisch – vor allem in Zeiten, in denen das Gefühl dominiert, keine Kontrolle mehr über Politik und Weltgeschehen zu besitzen. Also eigentlich immer. Den modernen Charakter greift auch Ragna Heiny mit ihrer Ausstattung auf, während Georg Brenner das Geschehen akustisch dystopisch untermalt. Keine Frage: An diesem Abend steht Tragödie groß über das Schauspielhaus gepinselt.

Freie Verse statt Alexandriner in „Phaedra“ am Schauspielhaus

Die gelungene Sprachlichkeit akzentuiert den dramatischen Charakter von „Phaedra“. Zwar verzichtet die Inszenierung mit der Übersetzung von Simon Werle auf die berühmten Alexandriner und setzt auf freie Verse, doch die dramatische Spannung bleibt bestehen. Mit diesem Material kann das Ensemble vorzüglich arbeiten. Leidenschaftlich irrlichtert Kerstin Maus als Titelfigur über die Bühne, während sich Önone (wunderbar intensiv: Sophia Fischbacher) um Räson bemüht. Ohne Erfolg. Phädra steckt im emotionalen Limbus fest – irgendwo zwischen Schuld und Sühne, zwischen Todessehnsucht und Liebe. Dazwischen planscht sie wie keine andere im Pool, der doch niemanden von seinen Schulden reinzuwaschen vermag.

Eigentlich ihr Zwilling im Geiste: Stiefsohn Hippolytos (ähnlich emotional wie die Stiefmama, aber besser geerdet: Benjamin Muth), der Phaedras Problem teilt. Auch er ignoriert, um die Angebetete (selbstbewusst: Julia Rajsp) zu vergessen. Man möchte sie beide schütteln, aber das würde nichts nützen – die Götter und so. Wobei, vielleicht hat das Fünf-Akt-Schema auch sein Gutes. Stichwort Aristoteles und die liebe Katharsis – nach dem Durchlaufen aller Emotionen in einer Tragödie folgt die Läuterung der Seele. Die Dame vom Nebensitz kann ein Lied davon singen und auch der Rest des Publikums scheint den Saal nach dem Schlussapplaus irgendwie leichtfüßiger zu verlassen.

 

Fotonachweis: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall

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