Im Jahr 331 vor unserer Zeit, so wird es von Titus Livius in seinem Geschichtswerk überliefert, hat eine Seuche große Teile der römischen Oberschicht ausgelöscht. Doch was war die Ursache? Lag es an der Unmäßigkeit des Himmels und damit an den Göttern und dem Wetter oder doch eher an menschlichem Frevel, humana fraus? Genau mit dieser Frage beschäftigt sich Kurt Leutgeb in seinem gerade erst erschienen Roman „Humana Fraus“ und schlägt damit wiederum eine völlig neue literarische Richtung ein. Auf kreative und innovative Weise spielt der Schreiber mit zwei Varianten des Unglücks und scheut dabei auch keinerlei vor Rückgriffen auf das lateinische Original.
Man merkt, dass sich der Autor mit Sprachen beschäftigt. Seinen Schreibstil, und damit seine Syntax, hat K. Leutgeb an die lateinische Übersetzung angepasst und seiner Schreibrichtung einmal mehr eine völlig neue Richtung verliehen. Drei eingestreute Originalzitate ziehen sich durch „Humana Fraus“, an die er immer wieder anknüpft. Die Übergänge sind fließend, der Sprachduktus ist einfach. Mehr Schwierigkeiten bereitet es da schon, die Namen der männlichen Protagonisten richtig im Hinterkopf zu behalten, während die einzelnen Szenen stetig voranschreiten. Das weibliche literarische Personal ist da schon etwas einfacher zu memorieren. Einzigartig ist allerdings das Leseverhalten, an das sich die Rezipientin in diesem Fall erst gewöhnen musste. Sie hat ja schon viel gelesen und bisweilen auch von rechts nach links. Allerdings birgt dieser Roman dann doch noch eine Überraschung, die sie dazu zwingt, 3x von Neuem zu beginnen, bis sie endlich die Lösung vor sich sieht. „Humana Fraus“ ist zweigeteilt; sprichwörtlich werden die beiden Varianten der Geschichte rund um die Seuche und Rom gleichzeitig erzählt, was einen neuen Lesefluss erfordert. Einmal diese Hürde überwunden, üben beide Erzählstränge eine ungemeine Faszination aus und laden zum Verschlingen ein. Der Roman ist viel zu schnell zu Ende, aber es ist vermutlich auch der einzige Roman, bei dem gleich darauf wieder von vorne begonnen werden darf und der gleichzeitig völlig unterschiedliche Stimmungen evoziert.
In der ersten Variante sympathisiert die Leserin automatisch mit der Sklavin, die die römischen Matronen vor das Tribunal bringt. Die Ursache ist simpel, sind die ehrwürdigen Frauen doch vor allem von Herrschaftsambitionen und Kaltherzigkeit geprägt. Allerdings birgt auch Version #2 seine ganz eigenen empathischen Momente; es gilt diesmal die Partei der Matronen zu ergreifen, die zu Opfern des Patriarch oszillieren. Die Leserin fühlt sich hin- und hergerissen und genießt dennoch den Ausflug in das bunte Treiben der ehrwürdigen Stadt. Leider ist die Reise nur von sehr kurzer Dauer. Das ist schade, weil sie sich sicher ist, dass aus platztechnischen Gründen sicher auch eine #3 Variante Eingang hätte finden können. Gar auch noch eine #4? Gut, wir wollen an dieser Stelle nicht zu habgierig werden.
(Leutgeb, Kurt: Humana Fraus. Sisyphus Verlag, 2015.)
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