König der Herzen | Salzburger Strassentheater

König der Herzen – Salzburger Strassentheater

BRITISCHES MIA SAN MIA

Beim KÖNIG DER HERZEN bleibt kein Ressentiment auf dem anderen. Das Salzburger Straßentheater hat sich unter der Leitung von Georg Clementi einer Politkomödie angenommen. Die ist alles, nur nicht leise.

Monty Python hüpften vom britischen Eiland nach Salzburg und richteten es sich recht wohnlich ein. Der Stil? Modern! Der Austragungsort? Flexibel! Schließlich adaptierte Intendant Georg Clementi das bitterböse Polittheater KÖNIG DER HERZEN des Schotten Alistair Beaton für das Salzburger Straßentheater. Und das – so weiß hier jedes Kind – tourt zwischen Juli und August mit dem eigenen Wagen durch die Lande; egal ob Stadt oder Dorfplatz, die Bühne der Salzburger Kulturvereinigung sitzt. Das Resultat ist Theater zum (Mit)Leben und buntes Kontrastprogramm zum elitären Festspiel(wahn).

In aller Plot-Kürze

Premierminister Nick Bailey steckt in der Klemme. Der König liegt im Sterben, aber die Maschinen einfach so abdrehen? Das würde Bailey zwar sehr gerne, aber der Plan hat leider einen Haken: Thronfolger Prinz Richard will eine Muslima heiraten. Skandal! Der Premier und seine Entourage wollen die Verbindung mit allen Mitteln verhindern und legen den Schalter also vorerst doch nicht um. Nur der Erzbischof scheint ernstlich um das Wohl des britischen Monarchen besorgt.

Rule, Britannia

Tatsächlich hat KÖNIG DER HERZEN mit Monty Python mehr gemein als nur den Humor oder die Festung (Ausstattung: Alex Linse, Andrea Linse & Harald Schöllbauer, Bühnenbau: Harald Schöllbauer, Kostüm und Maske: Andrea Linse).König der Herzen | Salzburger Strassentheaeter Schließlich führt sich hier das System selbst obsolet und wird der zeitgenössische Politdiskurs mit einfachen, aber humorvollen Mitteln aufs Korn genommen. Das zeigt alsbald erste Erfolge. Das Publikum stimmt an den richtigen Stellen mit Gelächter ein und honoriert die spitzen Pointen und nicht immer jugendfreien Wort-Jonglagen. Mit Verve surren sie im Sturzflug über die Köpfe und… alles lacht. Von der Oma bis zum Enkel.

Harry Holbrook (Alex Linse) beherrscht das Spiel perfekt und lässt es verbal krachen. Anlauf genommen und rein in den Fettnäpfchen-Badespaß. Premier Nick Bailey (Georg Clementi) geht die Sache charismatischer und mit geschärfter Zunge an. Seinen Ressentiments verleiht Georg Clementi mit ausholenden Gesten und dramatischen Blicken Ausdruck. Die Ironie ist Baileys zweiter Vorname, wortstark unterstützt von einer hyperaktiven Annie Brett (Anja Clementi). König der Herzen | Salzburger StrassentheaterDie Privatsekretärin und Reden-Schreiberin des Premiers steht unter Strom und wuselt in akkurater Geschäftigkeit durch die Kulisse. Immer den Knopf  für etwaige Telefonate im Ohr. Manchmal kabbelt sie sich auch effizient mit ihrem männlichen Pendant, dem zickig-überdrehten Toby Frost (Max Pfnür). Max Pfnür lebt die feminine Seite seiner Figur im durchgestylten Outfit voll aus, lacht hysterisch oder schreit schrill – bevorzugt in Richtung des betrunkenen Prinzen Arthur (Paul Clementi). Hoppla, warum der so seltsam vertraut wirkt? Ganz einfach, die Nummer Zwei der britischen Thronfolge wird zum „Rebel without a cause“-Spin-off. Das Outfit stimmt, der trotzige Blick auch und der gelungene Fall ins Publikum rundet den Eindruck wunderbar ab.

König der Herzen: Mi Schauspieler es su Schauspieler

Es muss endlich raus. Das Salzburger Strassentheater ist ein integratives Projekt: Das Ensemble besteht aus den verschiedensten SchauspieKönig der Herzen | Salzburger Strassentheaterlern*innen unterschiedlichster Häuser und – so die naheliegende Vermutung – alle haben sich lieb. Thomas Pfertner beispielsweise stammt zur Zeit aus dem OFF, war und hält aber u.a. auch dem Schauspielhaus die Treue. Sein Richard ist bieder, brav und bourgeois-entspannt. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als sich der machtgierige Premier in seine persönlichen Belange einmischt. Da packt der royale Hemd-in-die-Chino-Mann entschlossen das Löwenherz aus und ist plötzlich auf Krawall gebürstet. Ganz anders Larissa Enzis Nasreen: Als geächtete muslimische Verlobte zeigt sie von Anfang an die Krallen.König der Herzen | Salzburger Strassentheater Wehrhaft steht sie ihre Frau und die Vorurteile ihrer Gegner. Als moralischer Stern setzt sich Oppositionsführerin Stella Clarke (Christiane Warnecke) für die Rechte der Unterdrückten ein und verschwestert sich spontan mit Nasreen – das tolerante Image ist schließlich sehr förderlich für die eigene Karriere. Tapfer hält sie gegen Bailey und seine Entourage wie Don Quijote gegen die Windmühlen. Zwischen den Parteien schwirrt ein besorgter Sir Terence Pitch (Michael Nowack), seines Zeichens Privatsekretär. Sympathisch verpeilt gibt sich der Erzbischof von Canterbury. Olaf Salzer (Schauspielhaus, richtig!) verleiht ihm mit spitzer Zunge die nötige Dosis Ironie und genießt die slapstickartigen Anleihen sichtlich. Affektreich verschanzt er sich hinter dem Vorhang oder entdeckt eher zufällig den Sinn des Lebens. Diesmal übrigens ohne Schlafmantel. Wenngleich, so ein erzbischöfliches Gewand erinnert schon auch an den morgendliche Wohlfühlklamotte… 😉

Musikalischer Rahmen

Halt. Da war doch noch etwas. Genau, der musikalische Rahmen (Arrangements und musikalische Leitung: Marc Seitz). Den bildet der vermutlich bekannteste Brit-Export: die Beatles beziehungsweise John Lennon. Gleich zu Beginn stellt sich das KÖNIG DER HERZEN-Ensemble chor-knäblich und chor-mädchenhaft auf und stimmt ein homogenes „Yesterday“ an. Das Resultat ist eine subtil ironische „früher war alles besser!“-Verklärung. Ausgeleitet wird die Produktion mit einer neuerlichen Chor-Reminiszenz: ein nicht minder stimmstarkes und spannendes „Imagine“. Was bleibt ist eine wunderbare Botschaft, die – bei allen politischen Verschwörungen und sichtlichem Singspaß auf der Bühne – so etwas wie Hoffnung ausdrückt. Die letzten Tage der Menschheit? Sind hoffentlich nur bei Karl Kraus angebrochen.

 

 

Fotonachweis: Wolfgang Lienbacher

Facebooktwitterredditpinterestlinkedinmailby feather

4 Kommentare

  1. Hab gerade Strassentheater gesehen. Schonungslose Abrechnung mit uns Dummen. Aber am meisten schockiert mich, dass eine menschenverachtende Religion am Ende besser da stehen darf als das Christentum, deren Ideale unsere Verfassung bestimmen. Christentum besteht nicht nur aus dummen Katholiken oder dummen Anglikanern oder Uninteressierten. Es ist echt schade, dass der Autor keinen Christen kennt, dem er in dem Stück eine Stimme gegeben hat. Ich habe nicht applaudiert. LG Waltraud

  2. Author

    Hallo liebe Waltraud,
    vielen Dank für deinen Kommentar. Ich denke, im „König der Herzen“ geht’s nicht so sehr um Fakten. Es werden keine Tatsachen präsentiert, niemand soll von irgendetwas überzeugt werden, sondern Klischees und Vorurteile bewusst übersteigert, um der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Das funktioniert besonders gut mit Dingen, die einen gewissen Wiedererkennungswert besitzen. Stichwort Religion. Weil der Autor Schotte ist, hat er vermutlich zur anglikanischen Kirche gegriffen. Wäre er ein rebellischer Pole, wäre die katholische Kirche naheliegend. Bei einem noch mutigeren Muslim dann eben der Islam. Dann spielt auch eine Rolle, an wen sich das Stück richtet: an die westliche Kultur. Ironie funktioniert am besten in der Spiegelvariante und das bringt uns zurück zum Christentum. Mit der Inszenierung, da bin ich mir sehr sicher, sollen keinesfalls religiöse Gefühle verletzt oder ein bestimmter Glauben propagiert werden. Die Religion im „König der Herzen“ ist einfach nur ein Mittel der Kunst, um das Publikum abzuholen, mitzunehmen und zum Denken anzuregen. Ich finde, das gelingt dem Straßentheater mit seiner Inszenierung auch recht gut. Zurück bleiben Lachen, das in der Kehle stecken bleiben möchte, und Betroffenheit, ob der moralischen Abgründe unserer Gesellschaft. Und da ist es ganz egal, welcher Religion wir angehören – die betreffen uns alle.

    Liebe Grüße
    Veronika

    1. Liebe Veronika, hab erst jetzt gesehen, dass ich eine Antwort bekommen habe.
      In Wahrheit hat mich das Publikum am meisten aufgeregt. Die Leute kommen mit einer Erwartung, die ihnen die Mundwinkel bis zu den Ohren verlängert und dann lachen sie tatsächlich an Stellen, an denen sie eigentlich daran ersticken müssten. Rückblickend muss ich zustimmen, dass König der Herzen zu Diskussionen angeregt hat. Theater im besten Sinn also. Ich hadere immer noch mit der Idee des Autors, eine rührselige, zum Scheitern verurteilte Liebesgeschichte mit Gesellschaftskritik zu verbinden. Viele lassen sich von der Rührseligkeit ablenken um ja nicht nachzudenken.
      Außerdem bin ich es leid, das Christentum nur noch ins Lächerliche gezogen wird ohne Lichtblick, schlimmer noch in König der Herzen, nämlich letztklassig dargestellt im Vergleich mit einer anderen Religion. Das ist schon so populär wie die ständige Präsenz von Homosexualität auf der Bühne. Natürlich ist Homosexualität eine Realität aber mir war lieber, als Betroffene das nicht auf einem Transparent vor sich hergetragen haben. Mag schon sein, dass ich damit alleine bin. LG Waltraud

      1. Author

        Liebe Waltraud,
        und das ist ja das Spannende an Theater, die ganzen unterschiedlichen Meinungen dazu. Auch deine kann ich gut nachvollziehen. Vielen lieben Dank deshalb auch für die nähere Erläuterung dazu. Ich kann es wirklich verstehen und nur zu oft frage ich mich auch bei manchen Dramatisierungen, was sich eigentlich der Autor dabei gedacht haben mag.
        Was bleibt also? Freuen wir uns auf den nächsten Sommer und sind gespannt, was das Straßentheater diesmal so bringen wird. 🙂
        Liebe Grüße
        Veronika

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert