Alaaddin und die Wunderlampe

Alaaddin und die Wunderlampe – Theater Ecce in Kooperation mit der ARGEkultur

Ein doppeltes A als Garant für die Extraportion künstlerische Freiheit: „Alaaddin und die Wunderlampe“. Das inklusive Familienstück von Theater Ecce in Koproduktion mit der ARGEkultur feiert das Leben und die Diversität.

„Wunderschön“, schwärmt die Kinderstimme aus der hinteren Reihe. „Also eigentlich ist der ja blau“, tönt es da bereits vom besserwisserischen Geschwisterkind daneben. Die, über die hier so eifrig diskutiert wird, rappt sich gerade mit fließenden Bewegungen und überdimensioniertem Perlenschmuck ausdrucksstark über die Bühne und ist weder blau noch männlich. Das junge Publikum scheint schockverliebt in Marena Wellers Dschinna, die vorhin eben erst von Alaaddin aus der Wunderlampe herausgezaubert wurde. Nein, kein Tippfehler. Das doppelte „a“ in „Alaaddin“ ist Absicht. Ein kleiner Extravokal, der das inklusive Familienstück von Annette Raffalt (Dramatisierung) zu einem ganz besonderen Erlebnis macht. Das scheint in vielerlei Hinsicht passend. Denn genauso bunt wie der Extravokal kommt auch die fröhlich diverse Truppe auf der Bühne daher, die sich Inklusion ganz groß auf die Fahnen geheftet hat.

Fest des Lebens: Alaaddin und die Wunderlampe

Mut, Selbstbestimmung, Female-Empowerment, Annette Raffalts „Alaaddin und die Wunderlampe“ strotzt vor affirmativen Botschaften. Dass diese das Stück nicht implodieren lassen oder, schlimmer noch, in kitschige Klischees abdriften, liegt an der wunderbar lebenslustigen und zugleich stringent konzipierten Inszenierung von Reinhold Tritscher. Authentizität ist alles und Fröhlichkeit sowieso. Die Freiheit des doppelten Vokals wird gefeiert und das Stück kurzerhand zu einem universellen Schauspiel mit Live-Musik in einem fiktiven Land erklärt. Egal, ob jemand aus China oder Bad Ischl kommt, Straßenräuber, Prinzessin, Vollwaise, Halbwaise oder gar keine Waise ist, der Norm entspricht oder mit kleinen Extras geboren wurde – das hier geht alle an.

Magie liegt in der Luft

Nane Frühstückl ist die Frau hinter der Livemusik und sorgt für das wirklich großartige, musikalische Programm. Wenn sie in die Tasten greift, entlockt sie dem Setup die schönsten elektronischen Töne. Und wenn Nane Frühstückl dann noch die Stimme erhebt, ertappt man sich dabei, zu hoffen, dieses Lied möge noch lange andauern. Mit fremden Weisen zieht die Künstlerin in Bann und lässt Alaaddin (Marko Vlatkovic) und Amira (Kristin Henkel) fröhlich tanzen. Auch wenn bei den beiden Protagonisten dann vielleicht nicht jeder Ton sitzt, schauspielerisch gehen sie als sympathische Helden in die Vollen.

Für ihre Dramatisierung des bekannten Stoffs mischte Annette Raffalt klug die Karten und lässt die Handlungen der Figuren verschmelzen beziehungsweise neu anordnen. Denn: „Aladdin“ ist so wenig Disney wie es aus der Sammlung von 1001 Nacht stammt. Richtig, die Erzählung wurde im 18. Jahrhundert vom französischen Orientalisten Antoine Galland einfach zu seiner europäischen Übersetzung dazugestöpselt. Die Chance für Raffalts „Alaaddin“: Runter von den Schultern der Riesen, alles auf neu. Auch der Antisemitismus der Originale wurde dafür verbannt.

Jogging-Buxe und Walle-Walle-Umhang bei „Alaaddin“

Oder zumindest fast neu. Die Prinzessin streift in Hoodie und mit frechen Sprüchen umher. Ihr steht der Sinn nach Selbstbestimmung und sie sorgt dafür, dass sie die auch bekommt (sehr gelungen selbstbewusst: Kristin Henkel). Alaaddin hat nicht mehr ganz so die reine Weste wie seine Vorgänger. Trotzdem könnte Marko Vlatkovics Figur nicht liebenswürdiger sein. Wunderbar Salim Chreiki als König, der in Jogginghose die Bühne erobert und mit Ketten behangen im Bann des bösen Zauberers (Jurek Milewski) steht. Eine köstliche Szene, wenn Milewski in Rockermontur mit Walle-Walle-Umhang nach der Weltherrschaft greift (Kostüme: Lili Brit Pfeiffer).

Zugleich setzt Reinhold Tritscher für seine Inszenierung auf liebevolle Details wie ein „magisches“ Schwert, das sich zur Schlange wandelt. Auch ein heißer Renner: die ausfahrbaren Basarstände, die mit fremden Waren überquellen. Diese darf sich das Publikum freilich denken, aber die Fantasie wird so von allen Seiten befeuert, dass es ein Selbstläufer ist. Einen weiteren Höhepunkt stellt Alaaddins Weg in den Berg dar. Szenisch perfekt gelöst, mit durchscheinender Wand und einem beeindruckenden „Chor“. Diese Menschen aus Stein gruseln tatsächlich, die der Gier dann doch nachgegeben haben (Bühne: Alois Ellmauer). Gerhard Es ist die Hauptstimme im Berg, geistert aber auch als unterschiedliche Figuren über die Bühne. Die Slapstick-Einlage als Wache mit Kollegin Marena Weller sorgt für akute Lachanfälle.

Immer dabei: das diverse Ensemble des Theater Ecce, das voller Begeisterung in die unterschiedlichsten Rollen schlüpft und der Inszenierung ihre Vielseitigkeit und ganz besondere Note verleiht. Die liegt zum Gros auch darin begründet, dass sich in „Alaaddin und die Wunderlampe“ nahtlos Modernes mit althergebrachtem verbindet.

 

Fotonachweis: Foto Flausen

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