Three for Silver | Portland

Blue Ruin – Three for Silver

FOLK MEETS POP AND SAYS „HI“ TO INDIE.

Three for Silver sind zurück in der Alten Welt. Mit im Gepäck ihrer Europa-Sause, das neue Album BLUE RUIN.

Three for Silver-Gigs sind keine unpersönlichen Konzerte, sondern außergewöhnliche Erlebnisse. Das beginnt bei der selbstgebauten Bassgeige, den folkigen Indie-Tönen und schraubt sich weiter bis zum Verzicht auf Schuhwerk. Letzteres brauchen sie auch nicht, schließlich treten die drei Amerikaner ohnehin meistens in urigen Kneipen, kultigen Pubs oder vice versa auf. Dort entfaltet ihr besonderer Sound auch gleichzeitig seine beste Wirkung. BLUE RUIN liefert jetzt Nachschub für die Songlist.Three for Silver | Portland

Stream of Consciousness

Täuschend leise markiert „Black Dog“ den Auftakt des neuen Albums. Urig und rau greift Leadsänger Lucas Warford den Faden mit einer Stimme auf, die zumindest akustisch hervorragend Käse rapseln könnte, ehe Willo Sertain einspringt und der Song mit einem eingängigen „shut your mouth“ Tempo aufnimmt. Das titelgebende „Blue Ruin“ zieht nicht nur die Instrumentalisierung in die Länge, sondern gibt sich auch vokal höchst flexibel. Wie ein Sound gewordener Stream of Consciousness besingt Sertain ihren Gedankenstrom, der sich melodiös durch die Lyrics schlängelt. Sehr amerikanisch prognostiziert indes „I see it coming“, was ohnehin schon von vornherein klar war. Die großen Gefühle werden ausgepackt und voller Empathie mit „no mercy, no hesitation“ gehuldigt. Lucas Warford mit Überschlag in der Stimme, Willo Sertain sich in ungeahnte Höhen steigernd, das Ende lässt sich versöhnlich an.

BLUE RUIN: Lyrik liegt in der Luft

„Water in your hand“ ist eine liebliche Ballade, bei der Willo Sertain mit den rauen Tönen bricht. Lyrik liegt in der Luft. Three for Silver | Blue RuinSelten war Dekonstruktion so schön wie in „Looking exactly like nothing at all“: Willo Sertain und Lucas Warford intonieren mit viel Empathie „Don’t you see the black clouds rising“. Mit „Sacred Sacred“ demonstriert die Band eindrücklich, dass sie auch leise und sanfte Töne kann. Sertain verleiht dem Song eine seltsam entschleunigende und gleichsam intensive Note. In der zweiten Hälfte nimmt der Song massiv Geschwindigkeit auf und katapultiert sich zielstrebig auf die andere Seite des Tempo-Pendels. Sänger und Sängerin schöpfen einmal mehr ihr Stimmvolumen aus, die Instrumente werden bis zum Anschlag gespielt. Höhepunkt ist ein scheinbar retadierendes Moment. Plötzlich wieder leise singt Sertain eindringlich und gebetsmühlenartig, dabei aber immer lauter werdend „raise me up to the underground, shut the light that would lead us down, raise me up to the underground (…)“. Ihre Stimme verdoppelt, ja, verdreifacht sich und mengt sich mit den Vocals von Warford.

Paradebeispiel Stagger Lee

Western vermischt sich mit Blues und rückt Nick Cave in greifbare Nähe. Nein, das liegt diesmal nicht an der viel bemühten stimmlichen Ähnlichkeit von Cave und Warford, sondern am Sujet. Three for Silver tritt mit „The Recurring of Stagger Lee“ in die Fußstapfen von Nick Caves „Stagger Lee“. Stagger wer? Für das nicht-amerikanische Publikum: ‚Stag Lee‘, der eigentlich Lee Shelton hieß, erschoss am Heiligen Abend 1895 seinen Freund Billy Lyons. Angeblich im Streit um einen Stetson. Mit dem Mord ging Stag Lee in das amerikanische Strafregister und zahlreiche Bluessongs ein. Letzteres vermutlich vor allem deshalb, weil der eine schwarz und der andere weiß war. „The Recurring of Stagger Lee“ ist eine melodiöse, temporeiche Ballade. Dabei setzt Three for Silver auf das Spiel von Sprachlichkeit und öffnet damit das Tor zu einer anderen, unterprivilegierten Welt, dem Milieu von Stagger Lee. Der Song fängt die Perspektivenlosigkeit der schwarzen Unterschicht während der amerikanischen Rassentrennung gelungen ein. Auswege werden angeboten und gleichzeitig verworfen. Resignation mischt sich mit dem Versuch, es anders, besser zu machen. Weniger ich, mehr wir und das alles friedlich. Eigentlich eine schöne Botschaft für das Ende des Albums.

 

Fotonachweis: Three for Silver

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