Auf Skiern durch die Manege: Circo Zoé bewegt sich mit „Deserance“ beim Winterfest 2024 zwischen Realität und Traum.
„Buonasera“ begrüßt der gut gelaunte Musiker das Publikum an diesem entrückten Ort, irgendwo zwischen Fantasie und Realität. Circo Zoé eröffnet mit „Deserance“ beim Winterfest Salzburg die Pforten zu einer bittersüßen Traumwelt, in der die Klänge von Händels „Lascia ch’io pianga“ sich mit zeitgenössischer Akrobatik mischen und Rockmusik elegante Trapeznummern befeuert.
Circo Zoé ist eine italienisch-französische Kompanie, die sich die Bilingualität auf die Fahnen geheftet hat. Mehrsprachig ist neben dem Ensemble auch das Programm. „Deserance“ entführt in eine Traumwelt voller Magie, Akrobatik und Humor. Während sich die einen grazil gen Zirkushimmel bewegen (Anouck Blanchet, Adrien Fretard), lässt es der andere gezielt krachen. Tollpatschig taumelt Simone Benedetti durch die Manege, stolpert über Scheinwerfer und gegen Teile der Kulisse. Slapstick vom Feinsten, das so professionell zelebriert wird, dass sich nicht nur die Jüngsten im Publikum vor Lachen biegen. Irgendwann baumelt dann gar die gesamte Kompanie abwechselnd vom Manegenkonstrukt, komplett mit Scheinwerfern und Artist:innen, die über die Publikumsköpfe sausen. Keine Frage: Körperbeherrschung läuft bei Circo Zoé.
Völlig losgelöst: Circo Zoé
Eindrucksvoll sind aber nicht nur die Nummern in luftiger Höhe von Anouck Blanchet oder Adrien Fretard, die Körperspannung auf ein völlig neues Niveau heben. Akkurat getimt lassen sie los und sausen in die Tiefe. Ein kleines Lächeln als Anerkennung der eigenen Leistungen – das Publikum liebt sie sowieso. Durch die Traumwelten marschiert auch Gael Manipoud auf Skiern. Das Warum stellt sich erst gar nicht, allerdings ist das Trockentraining erstaunlich kompliziert und körperlich anstrengend. Sehnsüchte drücken sich aber auch in den nachdenklichen Auftritten von Chiara Sicoli aus, die diesen eminenten Performance-Charakter besitzen und so auch auf einer Theaterbühne stattfinden könnte. Rockiger ist die Nummer von Maria Reis angelegt. Immer wieder werden perfekt durchchoreografierte Circuseinlagen zu echten Showstoppern – Schnappatmung inklusive.
Musikalische Akrobatik
Was darf bei jedem wohlsortierten Nouveau Cirque nicht fehlen? Na klar, das Cyrad. Das beherrscht Gael Manipoud auf atemberaubende Weise und so elegant wie Ottilie Normalverbraucherin höchstens ihren heimischen Hula-Hoop-Reifen vor dem Fernsehgerät. Apropos: Für eindrückliche Momente sorgt auch Sängerin Irene Geninatti, die die eingangs zitierte Händel-Arie auf großartige Weise interpretiert (möge sie bitte niemals enden) und auch sonst gesanglich beeindruckend die beiden Musiker (Jean Stengel, Diego Zanoli) durch den Abend begleitet. Von Folk-Anleihen mit Ziehharmonika über Barock bis leichtes Heavy Metal ist hier wirklich alles dabei – und wurde hervorragend mit den akrobatischen Einlagen der Kolleg:innen in der Manege abgestimmt. „Deserance“ ist ein Zirkusabend, der in Erinnerung bleibt und alte Träume zu neuem Leben erweckt. Was könnte es Schöneres geben?!
Fotonachweis: Tiziano Ghidorsi
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