Das wird mir alles nicht passieren… Wie bleibe ich FeministIn – ARGE theater | Koveranstaltung mit theaternyx*

Think outside the box mit theaternyx*

„Tausche Eintrittskarte gegen Sitzplatznummer“ – bei Claudia Seigmanns Inszenierung von DAS WIRD MIR ALLES NICHT PASSIEREN… WIE BLEIBE ICH FEMINISTIN ist so einiges anders. Gerade deshalb sollte man*frau sich das theatrale Erlebnis nicht entgehen lassen.

Zugegeben, der Titel  führt ein wenig in die Irre: DAS WIRD MIR ALLES NICHT PASSIEREN… WIE BLEIBE ICH FEMINISTIN ist keine detaillierte Anleitung zum emanzipatorischen Widerstand. Stattdessen handelt es sich um eine kleine handverlesene Ansammlung von Texten der österreichischen Schriftstellerin Marlene Streeruwitz. Jetzt ist das mit Dramatisierungen ja immer so eine Sache… Davon kann an diesem Abend zum Glück keine Rede sein: Alles ist neu, elegant und höchst originell (Konzept & Regie: Claudia Seigmann, Konzept & Produktion: Claudia Dworschak, Ausstattung: Leonie Reese).

„Wodka oder Wasser?“ im Foyer werden Theaterbesucher*innen mit einer unerwarteten Frage konfrontiert, die so manch‘ eine sogleich freudig beim Schopf ergreift. „Wodka!“ hört sich verfasserin frohlocken. Wenn schon, denn schon, denkt sie sich. Tatsächlich werden bei DAS WIRD MIR ALLES NICHT PASSIEREN… WIE BLEIBE ICH FEMINISTIN theatrale Weltbilder auf den Kopf gestellt. Das Publikum wird nur grüppchenweise in den Saal eingelassen und nach dem Zufallsprinzip durchgemischt. Wer neben wem sitzt, liegt in der Hand des Loses. Neue Leute lernt man*frau an der langen Tafel dabei von selbst kennen. Die einen mag das Setting an herrschaftliche Verhältnisse erinnern, die anderen an das letzte Abendmahl (ja!), über die Psyche des Publikums sagt vermutlich die Beantwortung der Fragen noch sehr viel mehr aus. Die wurden in eleganter Handschrift auf das überdimensionale Tischtuch aufgemalt. „Welcher Alkohol bist du?“ Ist das eine Fangfrage? Nachdem mit dem Besteck die Bleistifte eintrudeln, kritzelt verfasserin trotzdem kurzerhand eine Antwort darunter. Vorsichtshalber auf Ivrit, sicher ist sicher.

Zwischen noch mehr Alkohol, Gastfreundschaft wird großgeschrieben, kleiner Hauptspeise und Dessert tragen die einzelnen Schauspieler*innen ihre Texte vor. Längst schon haben sie sich unter das Publikumsvolk gemischt. Dabei ließ sich die Frage des Nachbarns so harmlos an: „Bist du eine der Schauspielerinnen?“ – „Nein,“ lautete die arglose Antwort. Nach kurzem Nachdenken folgte ein grinsendes, „aber wenn ich es wäre, würde ich es vermutlich auch nicht sagen!“. Hätte er die Frage der netten Dame zu seiner Linken gestellt, wäre die Antwort vermutlich anders ausgefallen. Dort saß tatsächlich eine der vier Darsteller*innen.
Abwechselnd tragen Claudia Seigmann, Dorit Ehlers, Susanne Gschwendtner und Markus Zett vier von elf Texten aus Marlene Streeruwitz‘ Roman „Das wird mir alles nicht passieren… Wie bleibe ich FeministIn“ vor.  Eindrucksvoll und scheinbar unberührt erzählen sie von Andrea, Ulrike, Isabella und Bettina. Der einzige Mann in der Runde hat die Perspektive des Ehemannes inne. Also doch Emanzipation, für den Mann. Es ist ein unaufgeregter Blick, den das theaternyx* auf die alltägliche Situation der willkürlich ausgewählten Frauen richtet. Gerade in dieser nonchalanten Manier liegt aber auch die Spannung und Faszination verborgen. So offen wie sie beginnen, enden die kurzen Erzählungen. Zeit zum darüber Sinnieren bleibt während des Essens, wo angeregte Gespräche mit nun schon nicht mehr unbekannten Sitznachbarn*innen entstehen.

„Warum gerade Streeruwitz?“ die Regisseurin antwortet mit kurzem Erstaunen auf die unverblümt geäußerte Frage und einem alles erklärenden, „sie stand mir schon immer nahe“. Tatsächlich ist es schwer, sich die Texte einer anderen Autorin in dem Kontext vorzustellen. Die gesellig nachdenkliche Runde an der überdimensionalen Tafel verliert sich bereits mit den Worten der ersten Schauspielerin in den fiktiven Biographien. Das liegt sicher nicht nur an der ersten Reihe fußfrei, sondern auch an der poetischen Wortgewalt der Kleinstromane. Treffsicher legen die Darsteller*innen den Finger in die Wunde und regen gerade dadurch zum Diskurs an. Nach dem Schlussapplaus noch ein kurzer Absacker. Die Gespräche und Diskussionen gehen in die letzte Runde, jede*r, der*die mag, kann bleiben. Wenig erstaunlich, dass niemand den Raum verlässt.

 

 

Fotonachweis: theaternyx*

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