Der Wolf muss weg! Christian Krautzberger

Der Wolf muss weg! – Salzburger Landestheater

Auf der Suche nach der österreichischen Leitku(h)ltur

Ein Deutscher, drei Österreicher:innen und ein Wolf – das klingt nach dem Anfang eines Flachwitzes, ist aber der Stoff für eine bitterböse Komödie. In “Der Wolf muss weg!” zerlegen Sarah Henker und Susi Richter mit viel Witz und Tempo die österreichische Seele – zwischen Klischees, Leitkultur und politischem Kater. Doch wer jagt hier eigentlich wen?

Ein kleines Alien landet auf einer Alm im Salzburger Rauris – und wird Zeuge, wie drei silvesterbetüdelte Österreicher:innen auf einen Deutschen treffen. Die vier dulden sich – maximal. So, wie das halt ist zwischen den beiden Nachbarn. Widerwillig begibt sich das Quartett in “Der Wolf muss weg!” gemeinsam auf Spurensuche. Gefahndet wird in der Uraufführung nicht nur nach dem titelgebenden Raubtier, sondern auch nach der österreichischen Leitku(h)ltur.

Die Sache mit dem Wolf ist natürlich eine Metapher, wie so vieles in diesem Theaterstück aus der Feder von Sarah Henker (Inszenierung) und Susi Richter. Die zwei Köpfe hinter der Farce wissen genau, wovon sie schreiben. Während die eine “Zuagroaste” aus Deutschland ist, ist die andere Österreicherin durch und durch. Eine spannende Kombination, die sich mit “Der Wolf muss weg!” ganz den Klischees, Anekdoten und Eigenheiten der Alpenrepublik verschrieben hat (Dramaturgie: Christina Piegger).

O, du mein Österreich: Der Wolf muss weg!

Dass es hier böse zugehen muss, ist klar. Wie böse? Da haben sich Henker und Richter keine Grenzen gesetzt. Mit Genuss zelebrieren die vier Darsteller:innen auf der Bühne (Matthias Hermann, Simon Jaritz-Rudle, Barbara Lanz und Adrian Umberto Weinek) die kleinen und feinen Anspielungen genauso wie jene, die das Publikum wie ein Wink mit dem Donauturm treffen. Dezent ginge anders – aber genau das macht diese Inszenierung aus. Die übrigens genauso bunt und überdreht in der Ausstattung daherkommt wie in ihren Dialogen (Bühne & Kostüme: Eva Musil).

Feiertagsreigen

Das Publikum amüsiert sich prächtig, wenn sich das Ensemble anhand der Feiertage und Feste durch das Jahr hantelt – mit einigem Wiedererkennungswert (ein Hallo an dieser Stelle an alle ehemaligen Sternsinger:innen da draußen und jene, die die Straße zur Perchtenzeit ebenfalls meiden). Auch am Unangenehmen mangelt es nicht: Die Verfehlungen diverser Politiker:innen – natürlich made in Austria – bekommen ihr Fett weg. Doch Lachen ist ja bekanntlich die beste Medizin, also schütten sich die Figuren an dieser Stelle aus, als gäbe es kein Morgen. Das Publikum weidet sich genüsslich an den Schandtaten seiner Volksvertreter:innen.

Denkanstöße anstelle von Lösungen

“Der Wolf muss weg!” kann trotzdem nur an der Oberfläche kratzen – zu mannigfaltig sind die Themen, die angeschnitten werden. Es werden nur Denkanstöße geboten, keine Lösungen. Das gefällt nicht allen im Publikum, die in der Pause über die Farce lamentieren. Vielleicht kratzt es auch ein wenig an der eigenen (österreichischen) Seele.

Die Sache mit dem Deutschen (Matthias Hermann) renkt sich übrigens im Laufe des Stücks irgendwie noch ein. Schade eigentlich, aber die pfiffigen, temporeichen Dialoge dürfen bleiben und werden mit einer großen Portion Lokalkolorit serviert, das nicht auf Salzburg beschränkt ist. Während der einzige Deutsche auf der Bühne wacker am deutschen Standard festhält und sich gut gelaunt zur Zielscheibe machen lässt.

An diesen und ähnlichen Stellen darf es auch durchaus philosophisch werden. Weg von den verallgemeinernden Albernheiten fallen Sätze wie: “Irgendwann stellt man fest, dass man zwar ‘hier’ ist, aber die anderen sind alle ‘da’.” Sie sind nicht nur sprachlich ein Genuss, sondern bieten Anreiz zum Diskurs. Auch das kleine Alien scheint nicht allzu traumatisiert von seinem Abstecher in die Alpenrepublik. Im Gegenteil, fast meint man, es möchte hier sesshaft werden.

 

Fotonachweis: Salzburger Landestheater // Christian Krautzberger

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