Praise the iLord… not
O schöne neue Waren-Welt, die solche Bürger trägt! Markus Steinwender inszenierte die österreichische Erstaufführung von DIE AGONIE UND DIE EKSTASE DES STEVE JOBS bitterböse und apfelsüß: Sehr gelungen.
Heute schon gejailbreaked? Was, noch nie davon gehört? Ging verfasserin genauso. Der wütende Monologisierer auf der Bühne ist da schon besser informiert. Mit „Chuncking House“ beginnt er sich in Agonie und Ekstase gleichermaßen zu reden. Es ist diese Brutstätte des Elends in den Slums von Kowloon, ein verbautes, übervölkertes Hochhaus, wo alles feilgeboten wird. Genau dort trifft der Ich-Darsteller (Peter Malzer) auf einen Unlocker, auch als Hacker bekannt. Der jailbreaked ihm in wenigen Sekunden sein neuestes iPhone und ermöglicht ihm damit, endlich die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über das eigene Mobiltelefon zu erlangen. Tschakka! Dem Softwaregiganten wurde ein Schnippchen geschlagen. Warum sich das so gut anfühlt?
Der US-amerikanische Autor, Schauspieler und bekennender Apple-Fan Mike Daisey folgte den Spuren Steve Jobs. Im Zuge seiner Recherchen stieß er auf höchst fragwürdige Produktionspraktiken und horrende Arbeitsbedingungen, die nicht wirklich zum auf Hochglanz polierten Image des Apple-Konzerns passen wollen. Was läge da näher, als einen emotionalen Theatermonlog darüber zu verfassen? Markus Steinwender spann den Faden weiter und inszenierte Daiseys Stück als österreichische Erstaufführung an der ARGEkultur.
iGötter haben es schwer
DIE AGONIE UND DIE EKSTASE DES STEVE JOBS lässt nicht nur ohnehin schon immer Apple-Verweigerer*innen jubilieren und in innerliche wusste-ich’s-doch-eh-Rufe ausbrechen. Nein, auch andere dürfen illuster einstimmen. Der kritische Theatermonolog mit bitterbösen Tendenzen entpuppt sich nämlich als ausgewachsene Gesellschaftskritik, die es in sich hat. Ganz groß auf der Zielscheibe: Steve Jobs. Das Verhalten des Apple-Gründers wird nicht nur ordentlich moniert, sondern auch herrlich ironisiert. iGott war gestern, jetzt regiert die Cyber-Anarchie. Deshalb lässt sich das kompakte Bühnenbild wunderbar an, das aus ziemlich vielen Äpfeln besteht. Das Apple-Design bietet dafür eine Steilvorlage, die geradezu um Umsetzung bettelt. Die Kreativen von Theater MAZAB kommen dem Wunsch nur zu gerne nach (Ausstattung: Anne Buffetrille, Visuals: Giovanna Bolliger). Manche der runden, auf der Bühne verstreuten Früchte werden gleich live angebissen, Authentizität ist alles. Obwohl der unglaubliche Äpfel-Verschleiß auch irgendwie schmerzt und der Darsteller, der immer nur einen Bissen abbeißt, um den persiflierten Signature Look der Brand zu erzeugen, bemitleidet wird (ist das Obst vom Saal-Boden überhaupt sauber?), sitzt die Kritik.
Peter Malzer beeindruckt mit seiner flammenden, empathischen Rede, die ansteckend ist. Zu rockigen Tönen und künstlerischen Projektionen verschwimmen die Monologe und werden zu einem stringenten Ganzen. Tatsächlich weiß der Ich-Erzähler so einiges über die schockierenden Arbeitsbedingungen der Fabrikmitarbeiter*innen in Foxconn, Taipeh zu berichten. Dort stammen nicht nur die Apple-Produkte her, auch die andere Hälfte unserer elektronischen Güter werden in den berüchtigten Hallen produziert. Sein Zorn ist berechtigt; die Arbeitsbedingungen sind – gelinde ausgedrückt – katastrophal. Die Hallen erinnern an gigantische Legebatterien, Bilder im Internet lassen sich zuhauf dazu finden. Statt Hennen in engen Käfigen sitzen Menschen an Fließbändern. In 12-16 Stundenschichten fummeln sie westliche Elektroartikel zusammen, gerne auch Produkte des angebissenen Apfels. Das alles natürlich in Höchstgeschwindigkeit, denn… Big Brother is watching you!
Alles Matsch
Im Laufe des fulminanten Monologs wird Steve Jobs genauso desmaskiert wie sich P. Malzer seiner Kleidung entledigt. Nach und nach löst sich das seriös trendige Erscheinungsbild beider Ebenen in Luft auf. Was bleibt sind Nachlässigkeit und ziemliche viele Ecken und Kanten. Steve Jobs mag ein Visionär gewesen sein, allerdings mangelt(e) es ihm, Apple und zahlreichen anderen Konzernen eindeutig an ethischen Werten. Da scheint es nur konsequent, dass der mittlerweile wieder etwas resignierte Monologisierer ein paar Früchte zu Apfelsaft verarbeitet. Eine visuelle Metapher, die Eindruck schindet, wenngleich Teile des Publikums dann doch lieber auf einen Schluck vom Boden-Gebräu verzichten.
Fotonachweis: Andreas Hechenberger // Theater MAZAB
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