Elisabeth II (c) Foto Flausen

Elisabeth II. Keine Komödie – kleines theater

Alter weißer Mann, was nun?!

Mit Thomas Bernhards “Elisabeth II. – Keine Komödie” inszenierte Cassandra Rühmling am kleines theater eine sehr gelungene Salzburger Erstaufführung, die aufs biologische Geschlecht pfeift und die Tiraden des berühmten Schriftstellers in ein sehr bekömmliches Licht rückt.

Auf der Bühne fläzt sich breitbeinig ein alter weißer Mann auf einem opulenten Thron. Der Tonfall mürrisch, die Stimmung kompromisslos und die ocation ein herrschaftlicher Salon über dem Wiener Opernring. Kommt bekannt vor? Sehr gut möglich. Schließlich findet hier gerade die Salzburger Erstaufführung von “Elisabeth II – Keine Komödie” statt. Cassandra Rühmling inszenierte das vorletzte Stück von Thomas Bernard als liebevolle Hommage anlässlich des 35. Todesjahres des Dichters. Ob sich der Schriftsteller mit der ausgeprägten Hass-Liebe zu Salzburg darüber gefreut hätte, sei dahingestellt, das Publikum dafür umso mehr.

In aller Plot-Kürze

Der 87-jährige Industrielle Rudolph Herrenstein hat es nicht so mit Menschen. Dummerweise versammelt sich aber just die Wiener Bourgeoisie während eines Wien-Besuchs der britischen Königin auf seinem Balkon, um die Parade zu bestaunen. Herrenstein selbst, an den Rollstuhl gebunden, zieht sich zurück und beobachtet das Spektakel mit Verachtung. Schließlich stürzt der Balkon ein und reißt alle Schaulustigen in die Tiefe – nur Herrenstein und sein Diener Richard bleiben unversehrt.

Salzburger Parade

Für “Elisabeth II – Keine Komödie” versammelte Cassandra Rühmling ein kleines, aber feines Team – und hievte sich selbst auf den Thron. Was sich sehr selbstbewusst anlässt, ist ein gelungener Clou. Die inszenierende Schauspielerin gibt den mürrischen Großindustriellen Herrenstein großartig intensiv (künstlerische Mitarbeit: Christoph Wieschke). Breitbeinig fläzt er auf seinem Thron, zieht missmutig Resümee und ergeht sich ganz nonchalant in den üblichen Bernhard-Tiraden. Bad Gastein sei furchtbar, Bad Aussee schrecklich, Salzburg nicht zum Aushalten, und Schauspieler? Alle zum Vergessen. Es ist köstlich, wie Cassandra Rühmling mit den Untertönen spielt und den feinen Humor des Schriftstellers herausziseliert.

Im Hintergrund der Pöbel. Butler Richard (Torsten Hermentin mit Faible für die britischen Inseln) und Fräulein Zallinger (Prisca Buchholtz mit sehr dicker Haut) verdingen sich in gemäßigtem Tempo rund um den übellaunigen Regenten und ertragen jede Schikane anstandslos. Dass sie dabei komplett in Grau getunkt sind, ist äußerst passend – sie werden eins mit der von Herrenstein so verhassten, gleichmacherischen Masse. Die holt er sich dann auch noch versehentlich ins Haus. Als Chor treten sie auf, in trachtigen Outfits – so viel Österreich Klischee muss sein – und mit Strumpf über dem Gesicht. Die Einheit ist anonymisiert und austauschbar, nur Herrenstein selbst ist ein Original, wenngleich ein höchst unzufriedenes.

Sag’s mit Musik: Elisabeth II

Der Fall in die Tiefe bleibt zwar der Imagination überlassen, was dem Stück bekommt. Für die musikalische Untermalung sorgt indes Robert Kainer, der das Grauen akustisch andeutet. Zugleich zollt sein Live-Einsatz dem musikalischen Talent des literarischen Großmeisters Tribut. Die Musikalität des Textes akzentuiert Robert Kainar mit einem eigenen Klang- und Melodien-Potpourri. Ein raffinierter Schachzug, der Töne und Wörter auf ganz eigene Weise verschmelzen lässt und zu einem homogenen Ganzen verbindet, das Bernhard auf wunderbare weise Tribut zollt.

Fotonachweis: kleines theater / Foto Flausen

 

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Ein Kommentar

  1. Die graue Masse war mehr, als das hier Beschriebene. Sie war ein Teil seiner Vergangenheit, oder seiner verdrängten Seelenanteile. Mit seiner eigenen Vergangenheit und seiner heimlichen Liebe zum Nationalsozialismus will er öffentlich nicht konfrontiert werden. In seiner Todesstunde holt ihn die Vergangenheit, in Form der undefinierten Masse ein. Ein weiterer Clou war der, dass nicht wie im Original von Bernhard die Gesellschaft vom Balkon stürzt, sondern die Gesellschaft den Grossindustriellen zu Fall bringt. Symbolisch ist die Ankunft von Elisabeth, der Todesmoment von Herrenstein im Sinne von:“Der König ist tot, lang lebe der König/Königin“
    Diese Änderungen waren mit dem Suhrkamp Verlag und der Thomas Bernhard Gesellschaft abgesprochen
    Dass Herrenstein von einer Frau gespielt wurde, war so zu verstehen, dass es nicht um Mann oder Frau ging, sondern um die Haltung /Charakter eines MENSCHEN ging. Das Geschlecht spielte nur eine sekundäre Rolle, und das ist meiner Ansicht nach, gut rübergekommen.
    Bei all meinen Zusatzbemerkungen vielen lieben Dank für den netten Artikel,
    Einer aus der anonymen Masse

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