Peek-A-boo mit der Endlosigkeit.
Einen surrealistisch spannenden Blick auf das Unendliche gewährt IMMER am Toihaus Theater in Salzburg.
„Immer“ ist ein ziemlich starkes Wort, so unscheinbar es auch daherkommen mag. Wie eine kleine adverbalisierte Ameise schleppt es viel zu große konnotierte Lasten mit sich herum. Das wird sich zwar auch in Zukunft nicht ändern, dafür darf das Adverb jetzt die viel gerühmten fünf Minuten im Rampenlicht genießen. Myrto Dimitriadiou nahm sich nämlich des großen, kleinen Wörtleins an und widmete ihm gleich ein ganzes Stück: IMMER. THEATRALISCH-MUSIKALISCHES FENSTER INS UNENDLICHE. (Idee/Regie: M. Dimitriadiou, Performance: Andreas Simma, Musik/ Musikkomposition: Gudrun Raber-Plaichinger, Yoko Yagihara, Yorgos Pervolarakis, Bühne/ Kostüm: Ragna Heiny, choreographische Begleitung: Katharina Schrott, Licht: Alexander Breitner).
Im Toihaus wurde ein surrealistisch-kreativer Nicht-Ort konstruiert, der alle bisher bekannten Gesetze außer Kraft setzt. Ein bisschen erinnert die Szenerie deshalb auch an „Alice im Wunderland“ oder an einen Besuch in einem ziemlich psychedelischen Kaffeehaus. An drei der vier kleinen Kaffeehaustischchen sitzen die Künstler*innen (A. Simma, Y. Yagihara, Y. Pervolarakis). Es herrscht absolute Stille bis auf das leichte rhythmische Geräusch, das die Rolle aus Holz evoziert, die Y. Pervolarakis wie nebenbei über den Tisch gleiten lässt. (Und ja, auch bis auf die Vorderfrau, deren Magen unvermutet ein lautes Grummeln vernehmen lässt.)
Die Vergänglichkeit der Zeit
Das Thema von IMMER. THEATRALISCH-MUSIKALISCHES FENSTER INS UNENDLICHE ist die Ewigkeit, die Chiffre das Immer. So ähnlich lässt sich auch das Spiel mit der Zeit an, die der Mensch gerne beherrschen würde. Mit dem Aufklappen der Taschenuhr wird die absolute Stille unterbrochen und beginnt das beständig rhythmische Ticken, das so sehr an das einer Uhr gemahnt. Der Eine fängt an, die Andere fällt ein und schließlich beginnt auch der Dritte, die Vergänglichkeit der Zeit mit Zungenschnalzen zu imitieren. Eines fällt dabei sofort auf; die Akteure*innen setzen vor allem auf ihre Körperlichkeit. Die eigene Physis wird zum Instrument und kreiert spannend-intensive Momente.
An diesem kreativen Nicht-Ort im Toihaus ist alles möglich und nichts so, wie es scheint. Die Uhr wird getickt und das Immer exzessive rekapituliert oder in Synonyme verpackt. Leise rieselt vom Bühnenhimmel der Zucker. (Es könnte auch Sand sein, so sicher ist sich die Verfasserin an dieser Stelle nicht). Getrunken wird nicht; die Tassen bleiben unberührt, bis auf die zuckerhaltige. Mit ihr wird an anderer Stelle die Zeit neu geschrieben. Währenddessen baumeln Kuverts in pittoresker Anordnung von oben herab und Lichter vermehren sich auf magisch anmutende Weise.
Wörter, Töne und Melodien
Phasenweise trägt IMMER. THEATRALISCH-MUSIKALISCHE FENSTER INS UNENDLICHE märchenhafte Reminiszenzen. A. Simma erzählt Geschichten aus der eigenen fiktiven Vergangenheit, während Y. Pervolarakis auf seiner Gitarre begleitet und Y. Yagihara die restlichen Instrumente bedient. Wörter vermengen sich mit den verschiedenen Zahlen und unterschiedlichen Sprachen zu einer besonderen Melodie. Y. Pervolarakis gibt mit wie zufällig eingeworfenen Ziffern den Rhythmus für das Spiel vor. Die Darsteller*innen parlieren in verschiedenen Sprachen. Das ist aktuell nicht nur ziemlich en vogue, sondern hebt die Performance auf eine zusätzliche Ebene. Wie nebenbei schreiben sich diese vertonisierten Geschichten mit eigener Rhythmik in die Unendlichkeit ein.
Schnell wird deutlich, dass hier nichts zufällig ist. In IMMER, diesem THEATRALISCH-MUSIKALISCHEN FENSTER INS UNENDLICHE, harmoniert das künstlerische Konzept. Der Nicht-Ort wird durch die surrealistisch andere Komponente zu einem magischen Raum in einer Anderswelt. Das Ende ist wie das Aufwachen aus einem Traum: Wunderbar schräg, aber sogleich mit der beglückenden Erkenntnis, dass sich das Immer auch in Zukunft nicht einfangen lassen wird.
Fotonachweis: Toihaus Theater
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