Eine Nacht mit Frankie und Johnny.
Caroline Richards‘ Inszenierung MUSS ES HEUTE NACHT SEIN? lässt chaotisch-liebenswürdiges Mittelmaß mit allen Ecken und Kanten zu Stars einer ganz speziellen Seelenschau werden.
Frankie ist Kellnerin in einem Imbiss und hat Männern eigentlich abgeschworen. Eigentlich! Denn dann trifft sie Johnny. Sofort fallen ihr am Hilfskoch seine Handgelenke auf, die sie verklärt als „sexy“ bezeichnet. Kurz darauf landen die beiden bereits im Bett. Das gegenseitige Kennenlernen folgt erst danach und ist der Punkt, an dem die Regisseurin das Publikum zuschaltet. Von jetzt an ist es live dabei – und rekonstruiert Schritt für Schritt die Vergangenheit von Frankie und Johnny.
Es ist eine Seelenschau der besonderen Art, die Caroline Richards am Kleinen Theater inszenierte. Der spezielle Humor von Terrence McNallys FRANKIE AND JOHNNY, wie der Titel im Original lautet, spielt der versierten Regisseurin dabei in die Hände. Ironisch, amüsant, gleichzeitig aber tiefgründig und bisweilen derb gestaltet sich das Off-Broadway Spiel, das C. Richards kurzerhand nach Salzburg verlegte. Aus dem New Yorker Apartment wurde eine Wohnung in Lehen. Frankie ist eigentlich Franziska und Johnny Johann. Aber weil Franziska und Johann irgendwie langweilig wäre, nennen sich die zwei Anti-Helden*innen einfach um. Erstaunerlicherweise funktioniert das wunderbar und akzentuiert das liebenswürdige Mittelmaß der beiden Charaktere. Denn wenn Frankie und Johnny etwas auszeichnet, dann ist es, dass sie Durchschnitt sind. Im Prinzip könnte so ziemlich jede*r in ihrer Haut stecken. Genau das sorgt für unglaublich viel Sympathie. Deshalb ist es absolut stringent, dass Frankie (Judith Brandstätter) im Salzburger Regiolekt fröhlich und ungezwungen drauflos plaudert, während es der polnische Johnny (Jurek Milewski) mit österreichischem Standard plus Akzent probiert.
Im naturalistischen Bühnenbild (Harald Schöllbauer) von Frankies Wohnung lernt sich das Pärchen kennen. Und zwar nachdem sie miteinander geschlafen haben und gerade ihre erste Krise durchleben. Johnny entpuppt sich dabei als intensiver Charakter, der sich gerne sprachlich verausgabt. J. Milewski verleiht ihm eine liebenswürdig-schräge Note, die bisweilen etwas anstrengend ist – nicht nur für Frankie. Für Erstaunen sorgt hingegen die Frage nach der Knast-Vergangenheit der polnischen Frohnatur. Die Antwort liefert Johnnys Auftritt, der nach und nach auch eine melancholisch-düstere Seite offenbart. Frankie indes hat ihre liebe Not damit, den schock-verliebten Koch wieder loszuwerden. Johnny wirft ihr zwar vor, sich wie ein Terrier zu verbeißen, tatsächlich aber ist es er, der so von ihr entzückt ist, dass er zügig von peinlichen Liebesschwüren mit hohem Unterhaltungswert zu seriösen Diskussionen mit mindestens ebenso großem Amüsement-Potential voranschreitet. Das vollzieht sich derart locker flockig, dass nebenbei sogar noch gekocht werden darf. Frankie hingegen unternimmt alle möglichen verbalen Attacken, um sich Johnnys Avancen zu erwehren. Das ist gar nicht so einfach, denn zwischen Semmeln mit Hackfleisch und Spezialomelette à la Johnny beginnt auch ihre Fassade langsam zu bröckeln. J. Brandstätter verleiht Frankie eine harte Schalte mit sehr weichem Kern, der vielleicht lange zu suchen ist, sich aber definitiv zu finden lohnt.
Terrence McNally hat ein Faible für gesellschaftliche Probleme. Mit C. Richards scheint er den Hang zu hintergründig-trockenen Humor zu teilen, der intimste Seelendetails offenlegt. Trotzdem stellt MUSS ES HEUTE NACHT SEIN? mit Frankie und Johnny eine heitere Abwechslung dar. Gerade ihre zahlreichen Imperfektionen und Fehler, verpackt in temporeiche, verbale Schlagabtausche und amüsante Pointen, sorgen für gelungene Unterhaltung mit Tiefgang.
Fotonachweis: Bild #1 Heinz Bayer, Bild #2 und Beitragsbild Kilian Kovacs
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