„Ein Sommernachtstraum“ von Henry Mason oder jedem Hänschen seine Gretel.
Ein erfreulicher Trend hat sich in den letzten Jahren in Salzburg etabliert und ermöglicht es auch der schmalen Geldbörse, an den Festspielen zu partizipieren. Im Sommer darf ungeniert aus dem kulturell Vollen geschöpft und dem Kunstgenuss gefrönt werden. Die Rede ist natürlich von den Siemens Festspielnächten, die pünktlich zum Festspielauftakt auch das Fußvolk mit Brot und Spiele erfreuen. Ermöglicht wird das mittels ziemlicher großer Videoleinwand, die für wenige Wochen den Kapitelplatz in eine einzigartige Open Air Bühne verwandelt. In dieser Zeit spielen sich allabendlich große und kleine Dramen und Komödien gleich neben dem Dom unterhalb der Festung ab. Das Material stammt aus dem voluminösen Festspielfundus, der die Leinwand mit Produktionen aus den vergangenen Jahren, mitunter auch Premieren aus dem aktuellen Programm, bespielt.
Das Wetter ist uns hold, als wir nach der Yoga-Einheit zu Shakespeares SOMMERNACHTSTRAUM (Regie: Henry Mason, Dirigent: Ivor Bolton, Orchester: Mozarteumorchester) aufbrechen; eine Festspielproduktion aus dem Jahr 2013. Freundin K. schwört auf die Inszenierung und insbesondere auf Puck, dessen übersprudelndes, verrücktes und gleichzeitig latent diabolisches Naturell offensichtlich bereits letztes Jahr bei den Festspielnächten ihr Herz eroberte. Sie sollte recht behalten. Was sich an diesem aus dem Gestern auf die große Leinwand projizierten Abend bietet, ist vermutlich der psychedelischte „Sommernachtstraum“, den je ein Publikumsauge erfassen durfte. H. Masons Regiearbeit strotzt vor modernen Andeutungen und Kreativität, vor Lebenslust und Schelmerei. SchauspielerInnen in aberwitzigen und herrlich schrägen Kostümierungen, Feen die liebevolles cross-dressing zelebrieren, finden sich ein, um als Zaubervolk Verwirrung zu stiften.
Theseus und Hippolyta planen ihre Hochzeit, als ein Vater an den Hof eilt, um sich über seine Tochter zu beklagen, die den falschen Freier erhört hat. Er fordert sein väterliches Recht ein, während Hermia mit dem angebeteten Lysander flieht. Gleichzeitig wird sie von ihrer Freundin Helena verraten, die in Hermias Nebenbuhler verliebt ist, der diese wiederum nur mit Verachtung straft. Währenddessen probt im Wald eine Truppe Handwerker, um auf der Hochzeit von Theseus und Hippolyta das Schauspiel von Thisbe und Pyramus aufzuführen. Dabei geraten sie unvorhergesehen in den Streit zwischen der Feenkönigin Titania und Oberon. Der Wald oszilliert zu einem Ort maßloser Begierde, die Menschen werden zu Marionetten des Zaubervolks und Kobold Puck ist als chaotischer Mittler mit diebischer Freude das Zentrum der magischen Irrungen und Wirrungen.
Puck (Markus Meyer) ist tatsächlich großartig. Großzügig geschminkt und sein koboldhaftes Naturell auslebend, sorgt er für absolutes Chaos und ergötzt sich an der allgemeinen Verwirrung. Schalkhaft und eloquent treibt er sein Unwesen, ist immer auf dem Sprung und allgegenwärtig; bei Bedarf verdoppelt oder verdreifacht er sich auch. Meyers Puck wird zum Glanzpunkt des Abends und spielt mit schier unglaublicher Energie. Nur Oberon (Michael Rotschopf) vermag ihn zu bändigen. Eifersüchtig auf das von Titania geraubte Wechselbalg ist er nach außen rau und zeigt doch seinen weichen Kern, wenn er sich der im Wald irrenden Liebenden annimmt. Titania (Karoline Eichhorn) glänzt nicht nur durch zahlreiche Perücken. Sie liefert sich ein unvergleichliches Duell mit Oberon, in dem Machtgier das Movens ist. Es ist dieser Streit, der den Wald in einen Ort der entrückten Begierde und unterdrückten Emotionen verwandelt, den auch Hermia (Tanja Raunig) und Lysander (Daniel Jeroma) hervorragend bespielen. Nach Beendigung des magischen Spuks ist der Zauber verschwunden, vergessen allerdings keinesfalls – Hippolyta (Karoline Eichhorn) wirft dem für eine Sommernacht zum Esel gewandelten Zettel (Paul Herwig) auf ihrer Hochzeit einen merkwürdigen Blick zu. Kann sie sich erinnern?
Den Regieeinfällen und Ausstattungsideen sind keine Grenzen gesetzt. Der Auftritt der Handwerkstruppe, die ihr schauspielerisches Untalent beweist, ist an Komik schwer zu überbieten. Der Kapitelplatz bebt mittlerweile vor Lachen, angespornt durch Theseus und Hippolytas trockene Einwürfe und den ausdrucksstarken Mienen der restlichen Brautpaare. Das letzte Wort behält Puck. Mit seinem Verklingen verschwindet unvermutet genauso plötzlich der Mond über der Festung hinter den Wolken, wie auf ein Stichwort. Wohlig kontrolliertes Schauern beendet den zauberhaften Abend.
Es ist ein wahrer Sommernachtstraum, aus dem auch das Publikum nach 170 Minuten ohne Pause auftaucht. Ein grandioser Auftakt, der nach Wiederholung ruft. Das Programm wird bereits gewälzt und Termine entsprechend umdisponiert.
NB: Programm
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