Cornelia Böhnisch in Tokyo, Foto Martin Holtkamp

„Es ist ein gutes Gefühl weg zu können. Ich glaube, man nennt das Freiheit.“

Zug-addict und kreativer Tausendsasa: Künstlerin Cornelia Böhnisch

In Japan geht die Sonne auf, heller strahlt sie allerdings am Toihaus in Salzburg. Dort steht in der kommenden Saison vielleicht eine Skulptur aus Atem auf der Bühne. Möglich scheint alles, wenn Cornelia Böhnisch die Gedanken von der Leine lässt.

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit? Ist höchstens Marcel Proust. Cornelia Böhnisch genießt das Leben und seine Möglichkeiten viel zu sehr, als sich im schnöden Gestern zu verlieren. „Ehrlich gesagt, ich freu mich gar nicht auf ein Nach-Covid19“, gesteht die Wahl-Salzburgerin mit den Wurzeln am Toihaus, „die letzten Wochen waren so still, ich habe wieder die Vögel zwitschern gehört.“ Wobei, etwas entlockt ihr dann doch einen kleinen Anflug von Vorfreude. Menschen zu Umarmen habe sie schon vermisst. „Ich bin zwar keine große Bussi-Bussi-Umarmungsanhängerin, ich bevorzuge da eigentlich eher die japanische Begrüßungsmentalität, aber manchmal, wenn man weint oder sich freut, ist es doch schön, sich auch mal zu berühren. Und ich freu mich drauf (ich habe Hoffnung), dass wir bedachter arbeiten, tiefer in die Dinge eintauchen, weg von Oberflächlichem, hin zu Genügsamkeit und Ehrlichkeit.“

Treue Künstlerseele

Als kleines Kind kam Cornelia Böhnisch erstmals mit der Bühne in Kontakt, in Form von klassischer Musik. „Ich habe eine dem Fach entsprechende klassische Karriere gemacht“, erzählt die Künstlerin. „Mit Wettbewerben spielen und dem ganzen Kram. Ich habe es gehasst. Ich stand unter ständigem Stress, aber irgendwie war ich wohl erfolgreich und konnte es nicht ganz sein lassen. Und so habe ich mein Glück im Genre-Wechsel versucht. Theater. Tanz. Bühnenbild. Künstlerische Leitung usw. aber Bühnen waren irgendwie immer dabei.“ Irgendwann verschlug es sie dann nach Salzburg. „2004 (!nein, ich hab mich nicht vertippt) habe ich eine Audition am Toihaus gemacht und bin dann mit Unterbrechungen, aber konstant immer am Haus gewesen.“

Cornelia Böhnisch in Fuge_Fuge Cornelia Böhnisch © Ela Grieshaber
Cornelia Böhnisch in Fuge_Fuge Cornelia Böhnisch © Ela Grieshaber

Skulptur aus Atem

Cornelia Böhnisch ist eine Powerfrau, die ziemlich viel auf einmal stemmt. „Ich habe eine kleine Tochter und das Arbeiten ist deshalb gerade extrem unkonzentriert. Aber ich genieße die gewonnene Zeit mit ihr und bin dafür auch sehr dankbar.“ Selbst wenn das künstlerische Tun deshalb vielleicht teilweise auf der Strecke bleibe, vor allem, da aktuell sehr viel Administration und Entscheidungen zu bewältigen waren und sind. „Ich hoffe trotzdem, dass diese Zeit irgendwie Spuren in meiner künstlerischen Arbeit hinterlassen wird.“

Back to the… radio-roots

Inspiration findet die Künstlerin auf unterschiedlichen Wegen. „Ich lese wieder mehr. Und höre Radio, Podcasts und Hörbücher. Das Medium Radio ist erstaunlich wichtig in dieser Zeit. Ich weiß nicht, ob das nur mir so geht. Aber ich empfinde es als ehrlicheres Tor zur “Außenwelt” als das Internet oder Fernsehen. Warum das so ist, kann ich allerdings nicht genau sagen. Vielleicht weiß ich das nach meinem Projekt? Ich arbeite gerade an einem, das den “Volkesempfänger” der Nazi-Zeit genauer unter die Lupe nimmt. Vielleicht lehrt es mich auch etwas über diese Empfindungen, die ich im Moment durchlebe.“

Cornelia Böhnisch in Love Death Sex Japan © Ela Grieshabe
Cornelia Böhnisch in Love Death Sex Japan © Ela Grieshabe

Vielleicht finden ja Radio oder Volksempfänger Eingang in Böhnischs zukünftiges Werk. Merkwürdiges Toilettenpapier-Konsumverhalten darf vorerst ausgeschlossen werden. Außerdem habe sie schon vor längerer Zeit gemeinsam mit Katharina Schrott die kommende Spielzeit unter dem Thema „Heilung“ konzipiert. „Ja, ich glaube, das trifft den Nagel eh ziemlich auf den Kopf… Es ist ja auch bezeichnend, dass das Coron-Virus Symptome von Atemnot mit sich bringt. Es bleibt einem die Luft weg. So viel Poesie in diesem Drama. Da würde ich gerne noch genauer drauf schauen. Ja, vielleicht schaffe ich es eine Skulptur aus Atem auf die Bühne zu stellen?“

Team Toihaus

Natürlich fehlt Cornelia Böhnisch der Austausch mit den Kolleg*Innen im realen Leben. „Theater ist eine Kunstform, die man nicht alleine zu Hause machen kann. Mir fehlt es, diese Momente des (Er)Schaffens nicht leben zu können“. Auch wenn der Anstoß zu diesem Prozess durchaus auch im stillen Kämmerlein möglich ist.

Cornelia Böhnisch © Martin Holtkamp, Tokyo
Cornelia Böhnisch © Martin Holtkamp, Tokyo

„Ich sitze und liege viel mit geschlossenen Augen herum. Angeblich kann man da nicht kreativ sein, aber bei mir funktioniert das am besten. Leider ist dieses mit geschlossenen Augen dasitzen gerade nicht so möglich, wenn man am Kinderbücher Vorlesen ist… Und wenn ich dann so dagesessen bin, dann muss ich manchmal ganz schnell einen meiner vertrauten Kolleg*innen anrufen und fragen, was sie von der neuen Idee halten. Meistens ist das natürlich Katharina. Aber das ist auch abhängig von der jeweiligen Idee, wer “Herhalten” muss. 😉 Und manchmal transformiert sich dann die Idee ins Gegenteil. Aber das ist gut so. Denn wenn es die Idee nicht gegeben hätte, dann gäbe es auch nicht das gegenteilige Ergebnis.“

Gedankenzug

Gedanken fließen bei Cornelia Böhnisch auch im Zug. „Am meisten fehlt es mir ja, dass man aktuell nicht einfach in den Zug steigen kann. Für mich ist Zugfahren immer etwas gewesen, das meine Gedanken”züge” beeinflussen konnte. Im Zug zu sitzen, habe ich immer als “geschenkte” Zeit betrachtet. Ich würde auch gerne mal mit dem Zug nach Japan fahren, da ich es vermeide zu fliegen. Aber wahrscheinlich fehlt mir auch einfach diese Möglichkeit wegfahren zu KÖNNEN. Es ist nicht so, dass ich sehr viel reise, aber ich wohne gerne in der Nähe von Bahnhöfen. Es ist ein gutes Gefühl weg zu können. Ich glaube, man nennt das Freiheit.“

In Japan geht die Sonne auf

Das Thema Japan spiegelt sich auch in ihrem aktuellen Hobby. Wobei, darf man hier eigentlich überhaupt das H-Wort in den Mund nehmen? „Bei mir gab es eigentlich noch nie Hobbys. Sobald mir etwas wichtig war, habe ich es zu etwas gemacht, mit dem ich auch meinen Lebensunterhalt verdienen wollte. Da bin ich wohl zu viel Schwäbin. 😉 Zur Zeit liegt mein Interesse sehr bei “Ikebana”, der japanischen Kunst Blumen zu stecken. Aber da ich keine Zeit für Hobbys habe, muss es dann eben zu einem Stück werden. Und so steht da natürlich nächste Saison etwas auf dem Spielplan.“

 

Fotonachweis: siehe Bildunterschriften

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