Xanadu / Salzburger Landestheater

Xanadu – Salzburger Landestheater

Die Salzburger Eisarena als Musen-Hotspot

Mit „Xanadu“ premierte ein 80er-Jahre-Feel-Good-Comedy-Götter-Musical am Salzburger Landestheater voller Pointen, Klischees und Pulswärmer.

Draußen Dauerregen, drinnen Venice Beach: Die Salzburger Eisarena macht es möglich. Genau dort, wo die Profis sonst den Puck über das Eis tanzen lassen, inszenierte das Salzburger Landestheater in der Regie von Carl Philip von Maldeghem „Xanadu“. Bei wem es jetzt klingelt: Ja, genau das Musical, das als Film in den 80er Jahren so kolossal floppte, dass es sogar als Inspiration für die Goldene Himbeere diente; einem unrühmlichen Preis für die schlechtesten Leistungen. Aber hier baute die Regie vor: Das Kreativ-Team zauberte aus dem Stoff ein 80er-Jahre-Feel-Good-Comedy-Götter-Musical, das akute Lust darauf macht, selbst wieder die Rollschuhe auszupacken und eine Runde zu wagen. Oder auch zwei. Oder drei. Oder…

In aller Plot-Kürze

Sonny Malone sprüht ein Graffiti an die Mauer der Strandpromenade von Venice Beach. Plötzlich entsteigen dem Kunstwerk die Muse Clio mit ihren acht Schwestern im Schlepptau. Clio stellt sich dem gescheiterten Straßenkünstler im breitesten Bayrisch als Kira vor und inspiriert Sonny dazu, eine abbruchreife Sporthalle in eine Rollschuhdisco umzuwandeln, die alle neun Musen vereint. Sonny ist begeistert, die beiden verlieben sich, und Kira/Clio hat ein Problem. Als Muse darf sie sich nicht in einen Sterblichen verlieben – und schon gar nicht selbst Kunst anwenden. In beiden Fällen ist die junge Halbgöttin schuldig. Sie flieht zurück auf den Berg Olymp, um von Göttervater Zeus ihre Strafe entgegenzunehmen. Aber Sonny ist ihr bereits dicht auf den Fersen – und ein paar der Göttinnen legen schon mal ein gutes Wort für die junge Muse ein.

„Xanadu“ – ein amerikanischer Traum

Dort, wo Pulswärmer zum guten Ton gehören, Rollschuhe im Bühnennebel funkeln und Stirnbänder zu den Basics zählen, wurde eine ganze Kompanie an Performer:innen aufgeboten. Neben dem eigentlichen Musical-Ensemble mischen sich Kinder und Jugendliche mit und ohne Rollen unter das Theatervolk und sorgen mit lässigen Choreographien zu Achtzigerjahre-Tönen für gute Laune und ‚Californian Sunshine‘, ohne dabei in den Gefilden von „Starlight Express“ zu wildern. Vokale Unterstützung liefert der Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor, während die XANADU Dance Crew den Saal sehr amerikanisch aufheizt. (Musikalische Leitung: Wolfgang Götz, Kostüme: Simon Barth, Rollschuh-Choreographie: Daniel Therrien & Lara Roth, Tanz-Choreographie: Kate Watson, Josef Vesely, Dramaturgie: Friederike Bernau).

Das alles ist möglich, weil die Produktion des Salzburger Landestheater von der Stadt Salzburg und dem EC Red Bull unterstützt wurde. Als Setting dient die Eisarena im Volksgarten. Zwar ohne Eis, aber mit einem Graffiti entlang der Bande als Kulisse. Das mag im ersten Moment spartanisch anmuten, zugleich braucht die Produktion die Fläche für die Rollschuh-Choreographien. Und dann ist da ja noch der Bildschirm über der Sportfläche, wo eigentlich die Spielstände über das Geschehen flimmern, an diesem Tag aber die Achtzigerjahre Designs und Venice Beach Vibes von Tobias Witzgall (Set- und Videodesign).

Das 80er-Jahre-Feel-Good-Comedy-Götter-Musical mit der Lizenz für Pointen

Mit starker Stimme und Perfektion auf vier Rollen stemmt Patrizia Unger ihre Rolle als Clio/Kira mit formvollendeter Leichtigkeit. Besonders amüsant: Der neu eingeführte bayerische Akzent der Figur, mit dem „Xanadu“ frischen Schwung und frechen Elan erhält. Zugleich gibt das Lokalkolorit die Richtung vor. Hier wird kein Flop aus den Achtzigerjahren kopiert, sondern mit viel Humor neu aufgeladen. „Xanadu“ – das 80er-Jahre-Feel-Good-Comedy-Götter-Musical mit der Lizenz für Pointen. In diese Schiene zielt auch die Figur von Sonny, den Thomas Wegscheider mit blonder Surfer-Friese und kurzen Aerobic-Shorts wunderbar Intelligenz befreit gibt, zugleich aber auch entwaffnend sympathisch, mit großartiger Stimme. Trotzdem taucht in der Inszenierung nie Hau-drauf-Humor auf – nur der Erklärbär darf tanzen und eine kleine griechische (Halb)Götterkunde geben. Dass die Spaß macht, versteht sich von selbst.

Ärger im irdischen Paradies

Clio ist nicht die Einzige, die vom Olymp in Richtung Venice Beach aufbricht. Mit im Gepäck: ihre acht Schwestern. Total 2024 sind die natürlich divers – und so finden sich auch zwei männliche Darsteller im schwesterlichen Reigen (Daniel Therrien & Diego da Cunha). Während Therrien als Thalia für kleine flapsige Einlagen sorgt, macht er auch die meisten Meter in der Eisarena. Das ist konsequent, schließlich ist er zugleich mit Lara Roth auch Rollschuh-Coach und Rollschuh-Choreograph der Produktion. Die restliche Familie Therrien darf ebenfalls mitmischen. Von den drei Söhnen, die die Boys Group bilden (entzückender Teil der entzückenden Kinderchoreographie) bis zu Minori Therrien als Kalliope. Gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Melpomene (Larissa Enzi) tüftelt sie an bösen Plänen.

Larissa Enzis dunkle Energie ist großartig. Selbstbewusst und ohne Widerrede zu dulden, zieht Melpomene ihre Schwester mit in den gelben Dunstkreis aus Neid und Eifersucht, dass es herrlich diabolisch ist. Dabei intoniert sie wunderbar gelungen „Evil Woman“ und an späterer Stelle „Strange Magic“. Auch der silber-funkelnde Onesie mit verkapptem Superheldinnen-Umhang von Melpomene oder der schwarze, halbdurchsichtige Ganzkörperanzug von Kalliope fügen sich stimmig ins dunkle Gesamtkonzept ein und sind doch oh so herrlich Achtzigerjahre.

Comedy in „Xanadu“

Für Comedy-Einlagen sorgen kleine Momente wie eine in Gold ummantelte Eisbearbeitungsmaschine als Pegasus, mit der Clio/Kira gen Olymp entschwebt – oder fährt, nämlich einmal quer durch die Arena. Romantisch wird es, wenn ihr Sonny den Rollschuh auszieht und wie der Prinz in Aschenputtel plötzlich ohne Prinzessin dasteht. Oder Hermis (Tina Eberhardt) mit goldenem Rucksack auf den Schultern die gar nicht so goldigen Nachrichten überbringen muss.

Zu den Highlights zählt auch Axel Meinhardt, in dem erstaunlich viel Musical steckt. Ist die Sprechstimme des Schauspielers schon laut und selbstbewusst, so ist es die Singstimme allemal. Das Zusehen und Hinhören macht sichtlich Spaß, wenn sein Danny Maguire gedanklich in die Vierzigerjahre abdriftet. Da wird plötzlich Clio/Kira auch noch zu Kitty und swingt mit dem Rest des Ensembles im Jitterbug über die Bühne. Für exzellente Unterhaltung sorgt aber auch Meinhardts Auftritt als Blitze schleudernder Göttervater Zeus, im obligatorisch knappen Turnhöschen.

Warum in die Ferne schweifen? „Xanadu“ entführt für einen Abend lang in den amerikanischen Sonnenstaat und sorgt für akutes Glücksgefühl. Dem kann  augenscheinlich selbst der Salzburger Dauerregen nichts anhaben, wenn man in die vielen strahlenden Gesichter nach der Show blickt.

 

Fotonachweis: Christian Krautzberger

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