Agatha Christie mordet wieder: „Die Mausefalle“ am Schauspielhaus Salzburg
Inne, anne, u und tot bist du: Dora Schneiders Inszenierung von Agatha Christies „Die Mausefalle“ ist temporeiches Rätselraten mit pointenreichem Schauspiel.
„Ich kann nicht aufhören zu töten“, sagte Agatha Christie – und mordete sich zur Grande Dame der Kriminalliteratur. Dabei dauerte es sieben Verleger, bis ihr erster Roman, den sie mal eben so zur Entspannung als Krankenschwester und Apothekenhelferin an der Front geschrieben hatte, angenommen worden war. Inzwischen wurden circa 2 Milliarden ihrer Bücher verkauft und die Britin in mehr Sprachen übersetzt als ihr Landsmann Shakespeare. Jetzt hat sie es wieder getan. Postum und am Schauspielhaus Salzburg. Das perfekte Setting also für „Die Mausefalle“, das seit 1952 jeden Tag in London an traditionell kleinen Theatern aufgeführt wird, mit Ausnahme einer unfreiwilligen Corona-Unterbrechung. Äußerst passend also auch für das Schauspielhaus Salzburg, das mit der Ausstattung von Ilona Glöckl ein schottisches Herrenhaus zu neuem Leben erweckt.
In aller Plot-Kürze
Molly und Giles Ralston eröffnen auf Monkswell Manor eine Pension. Als sie ihre ersten Gäste begrüßen, hören sie im Radio, dass in London ein Mord begangen worden war, der Mörder auf der Flucht. Nichtsahnend kämpfen sie mit den unterschiedlichen Ansprüchen ihrer Gäste, als ihnen auch noch das Wetter einen Streich spielt. Die Nachrichtendurchsage ist längst vergessen, als das eingeschneite Monkswell Manor von der Außenwelt abgeschnitten wird. Der letzte Gast, der die Pension betritt, erinnert die versammelten Fremden unsanft an den Mord in London: Er ist Polizist und soll die Davis’ warnen. Der Mörder ist unter den Gästen – und hat sein teuflisches Katz-und-Maus-Spiel bereits begonnen…
Back to the Krimi-Past
Wer den Schnee bisher vergeblich suchte, wird am Schauspielhaus fündig. In der Kulisse wirbelt es auf der Leinwand nur so die Flocken an den Fenstern von Monkswell Manor vorbei – und immer wenn die geöffnet werden, tobt der Sturm auch akustisch ziemlich laut durch die Zuschauerreihen. Das simple wie effiziente Setting von Ilona Glöckl stimmt, wackelt und hat Luft. Außerdem kündet es im richtigen Licht auch unheilbringend von „murder“.
In Dora Schneiders Inszenierung der „Mausefalle“ kommen nicht nur Hobby-Detektive auf ihre Kosten. Peu à peu entfaltet sich der Fall vor dem Publikum. Eine einsame Pension, von der Außenwelt abgeschnitten und ein potentieller Mörder unter den wenigen Gästen. Nur, wer ist der*die mysteriöse Unbekannte? Mit viel Liebe zum Detail kreierte Schneider mit dem Ensemble einen naturalistischen Zeitsprung in die 40er Jahre. Back to the Krimi-Past also. Die Herren treten mit Schnauzer (Detective Sergeant Trotter und Mr. Paravicini) oder sophisticated Sakko (Major Metcalf und Giles Ralston), die Damen als madamige Grande Dames (Mrs. Boyle) oder emanzipierte junge Missen (Miss Casewell) auf. In temporeichen Szenen werden die Personen vorgestellt und, ganz Agatha Christie, könnte jede*r der*die Mörder*in sein. Das Publikum löst den Fall im gleichen Tempo wie die englische Polizei.
Wer ist der*die Mörder*in?
Tatsächlich lockt das Ensemble vorzüglich auf die falschen Fährten. Petra Staduan ist eine entzückende Mollie Ralston, die sich vor allem um ihren Auflauf sorgt, aber zumindest einen sehr guten Draht zu ihrem Gast Christopher Wren (Raphael Steiner) zu haben scheint. Der ist ganz James Dean cool und bockig unterwegs und schon per se verdächtig. Indes hat Giles Ralston (Wolfgang Kandler) alle Hände voll zu tun und schippt den Weg genauso emsig frei, wie er wieder zugeschneit werden wird. Schnutenziehen kann Ralston, das hilft ihm allerdings nichts und so landet auch er auf der sehr ausufernden Verdächtigenliste. Genauso wie übrigens auch Miss Casewell (Christiane Warnecke), diese mysteriöse junge Frau, die sich bedeckt über ihre Vergangenheit hält, dafür aber liebend gerne Mrs. Boyle provoziert.
Mrs. Boyle (Susanne Wende) ist ein herrlich aufmüpfiger Gast, der sich mit ihrer madamigen Manier alsbald sämtliche Sympathien der anderen Pensionsgäste verspielt – während Antony Connors Major Metcalf seine Liebe für abgeschiedene Räumlichkeiten zu entdecken scheint. Mit wunderbar lausigem italienischen Akzent und puderroten Wangen mischt Theo Helms Mr. Paravicini die illustre Eingeschneit-Truppe auf, die Detective Sergeant Trotter auf Monkswell Manor vorfindet. Der findige Ermittler ist weder Hercule Poirot noch Miss Marple, aber Jakob Kücher verleiht ihm seine ganz eigene Note und die hält es mit der Reife wie ein edler Tropfen.
Temporeiches Rätselraten
Auf den ersten Mord folgt natürlich ein zweiter. Der sei hier zwar nicht verraten, wohl aber die humorige Inszenierung eben dieses erwähnt, die zu einem Crescendo von Verdi ihren dramatischen Höhepunkt erreicht (Musik: Thomas Richter). Die Bewohner von Monkswell Manor scheint das wenig zu beeindrucken. Irgendwie pendelt die Kooperationswilligkeit immer noch gegen Nullpunkt, was den Detective Sergeant zu weiteren Tricks veranlasst und auch die Spekulationen im Publikum anheizt. Tatsächlich gelingt es Dora Schneider und ihrem Team, die Spannung selbst nach der Pause sehr hoch zu halten. Und der*die Mörder*in? Erstaunt wie immer… Agatha Christie eben – at its very best. Auch posthum funktioniert das noch sehr prächtig.
Fotonachweis: Jan Friese
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