Teatro schö-ö-ön: Claudia Karner lässt mit ihrem Buch „Teatro Spettacolo – ein Sommermärchen“ noch einmal das illustre Treiben anno 1982 im Salzburger Volksgarten aufleben.
Circus und Salzburg? Das ist gängige Winterbeschäftigung in der Mozartstadt. Aber, was viele nicht wissen, das Konzept ist eigentlich schon viel älter. Noch bevor Georg Daxner das Winterfest 2001 in den Volksgarten holte, wo sich seither in der kältesten Zeit des Jahres Kompanien des Nouveaux Cirques die Klinke in die Hand geben, da gab es an genau der gleichen Stelle im Sommer schon einmal eine bunte Zeltstadt mit außergewöhnlicher Bewohnerschar. Claudia Karner erinnert sich. Die Textdichterin und freie Autorin aus Salzburg setzte mit ihrer Publikation „Teatro Spettacolo – ein Sommermärchen“ (erschienen bei story.one), dem Spektakel in siebzehn Geschichten ein kleines, aber feines Denkmal.
Visionäre im Volksgarten
„Angst kann nicht träumen. Mut – ich lade euch ein, mutig zu sein“. Mit diesen Worten soll der Münchner Bluesmusiker, Regisseur und Phantast Rolf Bengert das Publikum in seiner Manege begrüßt haben. Dass es diese klugen Worte nicht auf eine der zig Millionen Zitateseiten des Internets geschafft haben, ist schade, könnte sich aber jetzt ändern. Als Pressesprecherin war Claudia Karner damals mitten im Geschehen. Statt des erhofften fulminanten Aufstiegs legte Bengerts Projekt zwar einen fulminanten Crash hin. Aber bevor es soweit sein sollte, stellte er die Salzburger Kulturszene im positiven Sinne des Wortes auf den Kopf. Liebevoll rekapituliert die Autorin die Ereignisse von damals. Chronologisch und so gut es geht authentisch. Dass in „Teatro Spettacolo“ jede Menge Herzblut stecken, ist augenscheinlich. Der Text oszilliert zwischen Liebeserklärung, Autobiografie und Zeitgeschichte. Er lässt sich nicht festlegen, ist aber extrem kurzweilig. Wer sich auf das schmale Bändchen einlässt, erhält eine ungefähre Ahnung, was das Teatro Spettacolo so besonders machte.
Künstler wie aus Tausendundeiner Nacht
Mit sehr viel Augenzwinkern lässt Claudia Karner 1982 wieder auferstehen. Charmant rekapituliert sie kurze Anekdoten zu den unterschiedlichsten Künstlern. Hier hatte der berühmte Clown Charlie Rivel seinen allerletzten Auftritt, der nicht viel mehr Deutsch als „Akrobat schö-ö-ön!“ konnte. Weswegen ihn die Autorin spontan zu einem Behördengang begleitete. Oder Bill Ramsay. Der Amerikaner kam zwar ohne Mimi, dafür aber mit einer Gitarre mit gleich sieben Saiten. Das Heimspiel von Margot Werner („So ein Mann“) erlebte nicht nur Claudia Karner, sondern auch zahlreiche andere begeisterte Besucher. Sie ist allerdings die Einzige, die es niederschrieb. Genau wie sie von den begnadeten Hände des Prassana Raos schwärmt – dem berühmten indischen Schattenspieler, der bereits beim Maharadscha von Jaipur im Dienste stand.
Kaffeeklatsch ganz ohne Koffeinschock im Teatro Spettacolo
„Teatro Spettacolo – ein Sommermärchen“ schwelgt aber nicht nur in Erinnerungen. Im persönlich Stil verfasst, beherrscht Claudia Karner auch das feine Spiel der Ironie. Das lädt zum Schmunzel ein. Es ist ein Kaffeeklatsch ganz ohne Koffeinschock, aber mit sehr viel Genuss. Dann sind da aber auch noch die andern Seiten. Die Autorin will das Schicksal der Künstler und Beteiligten rekonstruieren. Was nicht immer gelingt. Manchmal enden Geschichten ganz unmärchenhaft abrupt, einige davon tragisch. So wie die von Margot Werner, die in München aus einem Krankenhausfenster sprang, oder Raos, der später schwer an Arthritis erkrankte. Immerhin schaffte es der Sohn, dem Vater rechtzeitig über die Schulter zu schauen. Das berühmte Schattenspiel lebt also weiter. Und auch die junge Stefanie Werger hatte 1982 endlich ihren wohlverdienten Durchbruch. Auch wenn es das Teatro Spettacolo längst nicht mehr gibt, mit den Erinnerungen von Claudia Karners haben sie ihr ganz eigenes Plätzchen für die Ewigkeit gefunden.
[ngg src=“galleries“ ids=“2″ display=“basic_slideshow“]Autor: Claudia Karner
Titel: Teatro Spettacolo – ein Sommermärchen
Verlag: story.one publishing (28. Juli 2022)
ISBN-10: 3710808049
ISBN-13: 978-3710808043
Titelbild: (c) Clownin plus Pierrot und Pierrette: Salzburger Landesarchiv, Sammlung Laszlo Vuray
Im Text: (c) Privatsammlung Claudia Karner