Mit Schirm, Charme und Pere Faura
Jedem Tanz wohnt ein Zauber inne: Diese Magie lässt Pere Faura mit seiner humorvollen, selbstreflexiven NO DANCE, NO PARADISE – Performance auch bei der Sommerszenen 2017 aufleben.
Alle Augen sind auf die Bühne gerichtet. Die ist leer. Dann durchbricht eine Stimme aus dem Off die erwartungsvolle Stille. „Dancing makes you happy, dancing means joy,“ philosophiert sie und spinnt den fröhlichen Tanz-Faden immer weiter. Langsam redet sie sich in eine Happy-go-lucky – Ekstase, die ansteckend wirkt. „When the cat’s away, the mices will play“ – ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. An diesem Abend ist sie zum Glück ebenfalls unterwegs und Pere Faura kann sich auf der ARGEkultur-Bühne der Sommerszene nach Herz und Laune mit NO DANCE, NO PARADISE austoben.
NO DANCE, NO PARADISE ist eine künstlerische Hommage an den Tanz. Hochgradig selbstreflexiv, humoresk und mit gaaanz viel Leidenschaft begibt sich Choreograph und Performer Pere Faura dafür auf seine gelungene tänzerische Recherche. Dabei setzt sich der Künstler auf die Spuren von vier bekannten Stücken, ihren berühmten Interpreten*innen und die Imagination seines Publikums. Die Männerstimme ist zurück, diesmal ist es eine andere; mit charmantem Akzent inszeniert sie einen Tanz, der im Zuschauerinnenkopf ein Eigenleben entwickelt. Spätestens als sie beschreibt, wie sie jetzt den Schirm hebt und glücklich in den strömenden Regen starrt, ist klar, wo wir uns befinden: ‚Singin‘ in the Rain‘. Den berühmten Song aus dem gleichnamigen Musical kennt jede*r. Aber wie herrlich sinnentstellt Choreographie und Text korrelieren können, zeigt erst die kritisch humorvolle Performance. Gnadenlos rekapituliert der Künstler die gleiche Szene und macht deutlich – nicht immer wird auf die geistigen Kompetenzen des Publikums vertraut. Lieber singt der tanzende Sänger von der Metaebene, während er gleichzeitig die Metaebene tanzt. Bei ‚Saturday Night Fever‘ wird es philosophisch und bei ‚Fase‘ dreht sich alles um die Dramaturgie – Pere Faura überlegt, wem der Tanz gehört? Wer begründet einen Tanz – der, der ihn zum ersten Mal tanzt oder die, die ihn jetzt gerade tanzen? Es sind durchaus tiefsinnige Fragen, die die Performance charmant aufwirft und pointiert verpackt dem Publikum offeriert. Für ‚The dying Swan‘ plaudert der Künstler aus dem Nähkästchen und lässt die Geschichte von Anna Pavlova Revue passieren; sie tanzte die berühmte Figur zum ersten Mal und starb viele tierischen Bühnentode, ehe sie selbst dramatisch in die künstlerischen Annalen einging. Grund genug, den Schwan immer wieder unter das imaginäre Mikroskop zu rücken und grazil dahinraffen zu lassen.
Absolut sehenswert sind aber auch die fantasievollen und künstlerischen Video- animationen. Da strömt der visuelle Regen und verbiegt sich genervt die comiclastige Straßenlaterne, während die Stimme emotionslos den Gute-Laune-Song ‚Singin‘ in the Rain‘ zum Besten gibt. Kurz darauf flackern die Disco-Lichter über die Bühne oder werden Schatten des Tänzers punktgenau auf die Leinwand projiziert. Für den Sterbenden Schwan verschmilzt das pompöse Theaterhaus auf feinsinnige Weise mit den Betten einer Krankenanstalt und rückt das Todesmotiv in den Fokus. Und schließlich hat auch noch Leonard Cohen posthum seinen Auftritt, zumindest in amüsant gecoverter Form und als Basis für den letzten Tanz – den wirklich allerletzten.
Auffällig ist, bei aller Heiterkeit und Persiflage wahrt Pere Faura immer die Ehrfurcht vor dem Tanz. Nie gibt er seine Performance der Lächerlichkeit preis oder verjubelt sie für billige Pointen. Stattdessen wird NO DANCE, NO PARADISE zu einer intelligenten Verbeugung vor den verschiedenen performativen Genres, die mit Augenzwinkern Eigenheiten aufdeckt und Tanzgeschichte rekapituliert.
Fotonachweis: Graner (Beitragsbild) & Bernhard Mueller (Rest)
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