The stairs are alive with… Toihaus Theater
Normal kann jede*r: Erfrischend anders gestaltet sich die aktuellste Eigenproduktion des Toihaus Theater Salzburg DIE AMSEL DER NACHT – EINE ZAUBERFLÖTE. Mit gewohnt innovativem Konzept erobern die kreativen Freigeister neues Terrain. Absolut sehenswert!
Hand aufs Herz, die Rezeptionsgeschichte von Mozarts „Zauberflöte“ ist ein alter Hut. Wohlgemerkt einer mit kilometerlangem Bart, vor allem was die Verbindung zu den Freimaurern betrifft. Seit der Uraufführung des heiteren Singspiels 1791 wird emsig über Symbole, die auf die illustre Bruderschaft hinweisen, spekuliert. Schließlich sind da ja diese berühmten ‚drei Freimaurer-Akkorde‘ am Anfang, die drei Damen, die drei Knaben und überhaupt wird die Zahl Drei exzessiv durchgespielt. Been there, done that also? Nicht ganz. Frischen künstlerischen Wind bringt das Toihaus Salzburg mit Myrto Dimitriadous Inszenierung DIE AMSEL DER NACHT – EINE ZAUBERFLÖTE in die Diskussion; freilich ohne dem Publikum dabei seine Meinung aufzudrücken, das widerspräche der kreativen Maxime des Hauses. Stattdessen erwartet Theaterbesucher*innen ein Abend voller Eindrücke, die manierlich-heiter angerichtet zur Interpretation Spalier stehen, und ungewohntes Terrain er-spielen (nach einer Idee von Katharina Schrott mit den Künstlern*innen des Toihaus Theaters | Musikalische Leitung: Yoko Yagihara und Yorgos Pervolarakis, Bühnenbild und Kostüm: Ragna Heiny, Choreographische und dramaturgische Begleitung: Cornelia Böhnisch, Dramaturgische Begleitung: Viktoria Pichler, Musikdramaturgische Unterstützung: Thomas Barthol, Technik und Lichtdesign: Alex Breitner).
Tamino is in da house
Während des Publikum sich noch im Foyer sammelt, wippt Erzähler-Prinz Tamino (Arturas Valudskis) bereits ungeduldig mit den Füßen. Als es endlich so weit ist, werden drei Glocken bemüht, die die ‚Tour de Toihaus‘ einläuten. Erste Station: Bühne. Immer wieder erklingen veränderte und unveränderte Musikstücke aus der Mozart’schen ZAUBERFLÖTE: Yorgos Pervolarakis (ein umtriebig-fröhlicher Papageno mit Vogel auf der Schulter) und A. Valudskis machen mit E-Gitarre und Perkussion den Anfang. Etwas verbeult sieht er bereits aus, dieser Tamino mit der schiefen Fliege, dem lose heraushängenden Hemd und den ironischen Kommentaren. Das scheint passend, vom illustren Charakter der Freimaurer ist nach all den Jahrhunderten nicht mehr viel übrig geblieben. Konträr dazu der quietschfidele Papageno – schon bei Mozart ein heitere Spaßmacher für das einfache Volk und ganz ohne Verschwörer-Ambitionen.
Die Reise auf den mozartesken Freimaurer-Spuren führt in den Keller, wo Sarastro (Mark Wolf) eindrucksvoll ‚In diesen heil’gen Hallen kennt man die Rache nicht‘ singt, während er als Schikaneder das Libretto niederschreibt, der auch Mozart sein könnte. So genau weiß man in DIE AMSEL DER NACHT nie, in welche Rollen das Ensemble gerade schlüpft. Dafür windet sich nebenbei eine Dame in der Erde, ein Erden-Mädchen sozusagen: Tamina (Katharina Schrott) scheint geboren. Fürsorglich stellt ihr der Erzähler-Prinz mit den Tamino-Parallelen noch ein Paar Schuhe hin, ehe es weitergeht.
Publikumsreise durch das Toihaus
Treppauf, treppab führt die magische Zauberflöten-Reise quer durch das ganze Toihaus. Selbstverständlich wird die Zahl Drei dabei künstlerisch durchexzeriert. Konspirationstheorie verpflichtet! Selten war Verschwörung allerdings so amüsant und lebendig! Der Erzähler-Prinz leitet seine bunt gemischte Publikumsgruppe in die Künstlergarderobe, wo eine Schauspielerin (Susanne Lipinski) gerade hingebungsvoll eine Arie der Königin der Nacht schmettert (‚Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen‘) – allerdings unter der Dusche, mit dem Duschkopf als Mikrofon. Verstohlen reicht ihr Tamino noch die Unterwäsche über die Wand, ehe er sich schnell ins Foyer flüchtet. Die Rache dieser Königin will er sich – unvermutet ganz kecker Papageno – dann doch nicht aussetzen, während ihm die fröhliche Theater-Touristen-Schar von Lachen gebeutelt folgt. Ähnlich heiter gestaltet sich die Jagd der Schlange auf Tamino, der jetzt eine Frau ist, nämlich die aus dem Keller (K. Schrott). Zu Tom und Jerry-Bildschirmeindrücken hetzt sie durch das Büro, über das Dach und zurück; währenddessen oszilliert das Publikum unter den fachkundigen Anweisungen der Königin der Nacht im sternenbesetzten Handtuch und nicht minder funklender Duschhaube zum Ungeheuer. Gebührend ernst wird es wieder bei Sarastros ‚O Isis und Osiris‘ und dramatisch, als Pascale Staudenbauer als Pamina aus einem Koffer auftaucht und drei Tücher in die E-Windmaschine schickt (hier wird nicht mit Anspielungen gekleckert, sondern geklotzt).
Alles neu macht die AMSEL DER NACHT – EINE ZAUBERFLÖTE
Figuren verlassen ihre angestammten, verstaubten Rezeptions-Plätze und wandeln in Myrto Dimitriadous Inszenierung nach einer Idee von Katharina Schrott auf völlig neuen, spannenden Wegen. Konstant werden dafür Ebenen durchschritten und humorig neu interpretiert. Im Treppenhaus stolpert die Königin der Nacht-Figur als Erzählerin immer wieder über Tamino und Pamina, während Erzähler-Prinz und manchmal Tamino über Papageno ätzt und unter vorgehaltener Hand tönt, dass er hier eigentlich das Sagen habe. Pascale Staudenbauer versperrt dem Publikum mit einem Bein den falschen Abgang und schwingt fidel ihr Köfferchen hinterher. Yoko Yagihara reist im voluminösen, befederten Tüllrock am Klavier durch die Stockwerke und sorgt für das passende Mozart-Ambiente, während Sarastro Mark Wolf stumm und imposant hinterherschreitet. Die Figuren, einmal eingeführt, heften sich an die Publikums-Fersen und tragen das ihrige zum humorreich-feierlichen Verwirrspiel bei. DIE AMSEL DER NACHT – EINE ZAUBERFLÖTE bleibt ganz dem ursprünglichen Credo treu: Amüsement und Spektakel ja, aber auch erbauen sollte sie, die Zauberflöte. Diesen Spagat schafft auch die kleine, hippe Schwester mit den schräg-innovativen Figuren mit Bravour. Absolut sehenswert und ein kleines Sportprogramm durch das Toihaus!
Fotonachweis: Ragna Heiny
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