Adam Schaf hat Angst – Schauspielhaus Salzburg

It’s a boy: Lola Blaus kleiner Bruder

Die Sonderbar im Säulen-Foyer des Schauspielhaus Salzburgs feiert mit dem Ein-Mann-Musical ADAM SCHAF HAT ANGST seinen gelungenen und pechschwarzen Einstand – großartig.

Sie lebt! Die Sonderbar am Schauspielhaus Salzburg ist zurückgekehrt, und sie feiert ihre Wiederaufnahme mit Pauken und Trompeten. Okay, Pauken und Trompeten, das ist dann vielleicht doch etwas zu pompös gegriffen. Aber mit einem Ein-Mann-Musical lässt sich der Einstand sowieso viel besser begehen, zumal das musikalische Stück aus der Feder von Georg Kreisler stammt. Richtig gehört! Neben Ein-Frauen-Musicals wie HEUTE ABEND: LOLA BLAU verstand sich der österreichische Komponist, Sänger und Dichter mit dem Hang zu bitterbösen Chansons und Satiren auch auf die maskuline Variante: ADAM SCHAF HAT ANGST.

In aller Plot-Kürze

Ein bereits in die Jahre gekommener Schauspieler sitzt in seiner Garderoben und wartet auf seinen Auftritt. In tiefschwarzen-melancholischen Monologen philosophiert er über seine Anfänge, die politische Situation und das Leben im generellen – begleitet von trügerisch fröhlichen Melodien und nachdenklichen Weisen.

Bissige Ironie, scharfsinniger Humor

ADAM SCHAFT HAT ANGST wäre kein Kreisler Stück, würde es nicht vor pechschwarzen Pointen und nur vordergründig harmlosen Wortspielereien strotzen. In Christoph Batscheiders Inszenierung steht mit Marcus Marotte ein erfahrener Mime an vorderster Bühnen-Front, der die Titelpartie des in die Jahre gekommenen Künstlers mit entspannter Nonchalance transportiert. Hier ist einer, der hat den Zenit seiner Karriere bereits überschritten, und zieht jetzt sein giftig-wehmütiges Fazit. Dabei geht Adam Schaf mit viel scharfsinniger Ironie vor.

In heiter klingenden Chansons demaskiert der Kreisler-Gedankensproß die gutbürgerliche Gesellschaft nach dem Krieg: Auf dem „Weg zur Arbeit“ grüßt er freundlich die Verkäuferin der Zeitung. Sie wurde freigesprochen, es war ja nur ihr Mann, der in der SS war. Obwohl, Adam Schaf hält kurz inne, sie wusste ja schon was da vor sich ging. Genauso fröhlich grüßt er auch Herrn Navratil, den Friseurgehilfen, der war bei der SS, oder war es doch die SA? Immer näher kommt Adam Schaf seiner ungeliebten Arbeit in der Kanzlei, immer länger wird die Liste der Kriegsverbrecher und Augenverschließer, denen er gutgelaunt in ihrem neuen-alten Alltag zuwinkt als wäre nichts gewesen. Ein Thema, dass den Künstler Kreisler beschäftigte und sich wie ein roter Faden durch sein Œuvre zieht. Es ist ein bisschen so wie im Mittelalter mit den berühmten Narren, die alles sagen durften, weil sie ja nur Spaßmacher waren. Der Chanson mit der Narrenkappe am Kopf genießt ähnliche Freiheiten und die zelebrierte Kreisler wie kein anderer. Dabei ist die Sprachmelodik, die durch penibel arrangierte Worte entsteht, entscheidend. Temporeich oder gemütlich flaniert Marcus Marotte in seiner Rolle durch die unterschiedlichen semantischen Satzstrukturen und bringt sie im adäquaten Tonfall, mit zahlreichen ironischen Seitenhieben, an das Publikum. Die sarkastischen Pointen werden obendrein noch durch passende Gestiken und eine fein abgestimmte Physis akzentuiert.

Menschlicher Prototyp

Alsbald stellt sich die Frage: Ist Adam Schaf der ‚Otto Normalverbraucher‘ und oft bemühte ‚kleine Mann‘ des letzten Jahrhunderts: Der Prototyp des Menschen als ängstliches Schaf? Freilich mag das Zufall sein, ängstlich ist dieser Adam aber ganz gewiss. Nur gespielt heiter intoniert er mit dem Pianisten am Klavier (Fabio Buccafusco) die nur scheinbar fröhlichen Melodien und die offensichtlich nachdenklichen Passagen. Dazwischen gerät der Protagonist in melancholisches Philosophieren. Stolz listet er die Stationen seiner Karriere auf, die von einer deutschen Kleinstadt in die nächsten führte, es könnten auch Dörfer gewesen sein. Im gleichen Atemzug demaskiert er seine eigene Fröhlichkeit und gibt sich ungeniert seinem resigniertem Schwermut hin. Die Chansons und Texte regen wie keine anderen zum Lachen an und strotzen nur so vor intelligenter Tiefe. So viel pointierte Offenheit ist vermutlich einer der effektivsten Spiegel der Gegenwart. Mit mal spöttischer, mal zweifelnder Adam-Schaf-Miene und beständiger Rollentreue mimt Marcus Marotte den resigniert Zweifelnden und verzweifelt Resignierenden – der auch den einen oder anderen dialektalen Einwurf nicht missen lässt.

Zeitsprünge

Das charmante Ambiente des Sonderbar-Foyers im Schauspielhaus Salzburg bietet das perfekte Setting für Christoph Batscheiders spitzzüngiges Ein-Mann-Musical ADAM SCHAF. Zwischendurch folgen zeitgenössische Einsprengsel, die den Anschluss an das Hier und Jetzt knüpfen. So wird ein Onassis in „Sie sind so mies“ kurzerhand mit Donald Trump ersetzt und Nixon mit Erdogan. Die dramaturgischen Strukturen geraten dadurch allerdings ein wenig ins Straucheln. Denn, den zeitlichen Aspekt weitergesponnen, wenn Adam Schaf in der Phase des Dritten Reichs bereits ein Erwachsener war, und davon ist bei Kreisler auszugehen, dann wäre er aktuell kein in die Jahre gekommener Vertreter seiner Zunft, sondern ein sehr, sehr, also wirklich sehr betagter Schauspieler. Abgesehen von dieser kleinen Inkongruenz ist ADAM SCHAF HAT ANGST allerdings ein absolut gelungenes Musical. Gerade weil es – ähnlich wie HEUTE ABEND: LOLA BLAU – so herrlich anders als die auf Hochglanz polierten und doch keine Aussage beinhaltenden Musicals der Gegenwart daherkommt, deren einzige Aufgabe darin besteht, extra für sie gebaute Häuser zu füllen. Füllen lässt sich übrigens auch die Sonderbar – im garantiert gemütlichen Rahmen.

 

 

Fotonachweis: Christoph Batscheider

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