Austropopo – Weil’s (ned) wurscht is | Kollektiv Kollinski in Kooperation mit ARGEkultur und FS1

Virtuelle Uraufführung in Salzburg: AUSTROPOPO – WEIL’S NED WURSCHT IS | kollektiv Kollinski in Kooperation mit FS1 und ARGEkultur

Das Frauenbild der 50er Jahre feiert bereits seit längerem Revival und wird durch die Pandemie weiter verstärkt. Gewohnt kritisch, ironisch und dabei immer kreativ setzt sich kollektiv Kollinski in AUSTROPOPO – WEIL’S NED WURSCHT IS damit auseinander.

„Alexa – mach‘ das Licht an“. Was so harmlos daherkommt, ähnelt einem längst archiviert geglaubten Frauenbild. Dem aus den 50er Jahren, als den Frauen ganz offiziell Herd, Heim und Kindererziehung oblagen. Mit der virtuellen Assistentin Alexa, die die Wohnzimmer im Sturm eroberte, ist es zurück: das devote Frauenbild anno dunnemals. Auch wenn Alexa aus offensichtlichen Gründen dem Göttergatten nicht die Hausschlapfen hinzustellen oder das Feierabendbier zu reichen vermag, so kann Mann dem smarten Lautsprecher mit weiblichem Namen immAUSTROPOPO (c) Wolfgang Lienbachererhin Befehle im Imperativ erteilen. Und der Rest der Familie stimmt freudig ein.

Aber was ist eigentlich mit den tatsächlichen Frauen, denen aus Fleisch und Blut? Die Systemerhalterinnen wuppen nach wie vor das ganze Ding: von Familie bis Karriere, erfahren dafür aber meistens wenig bis gar keine Anerkennung. Davon zeugen das Gender-Pay-Gap oder der Frauenmangel in Führungsetagen und Politik. Seit der Pandemie scheint sich diese Regression zu beschleunigen. Emanzipation ade, scheiden tut weh. kollektiv Kollinski setzt mit der Uraufführung von AUSTROPOPO – WEIL’S (NED) WURSCHT IS ein buntes und sehr lautes Statement, das durch Invertierung auf die Situation der Systemerhalterinnen aufmerksam macht und eindrücklich vorführt: Wonder Woman kann einpacken, der Kleinen Frau von der Straße gebührt aller Respekt.

Revival eines antiquierten Frauenbildes

Um das Frauenbild der 50er Jahre zu beschwören, setzt Regisseurin Natascha Grasser mit Elisabeth Breckner, Victoria Fux, Susanne Lipinski, Gudrun Plaichinger (Spiel, Musik und Text) auf subtile Ironie,  plakative Übersteigerung und Kleider im Rockabilly-Stil. Provokant und genüsslich werden mit WEIL’S (NED) WURSCHT IS weibliche Stereotype präsentiert und ad absurdum geführt (Bühne & Kostüm: Sigrid Wurzinger, Licht, Video und Ton: Nina Ortner, Bühnenbau: Harald Schöllbauer).

Lasziv hauchen die Schauspielerinnen dafür lukullische Termini ins Mikrofon: von b wie blanchieren bis z wie zerteilen. Das weckt Erinnerungen an die Hauswirtschaftsschule und sorgt gleichzeitig für die Invertierung von potentiellen Männerfantasien. Schnell heizt sich das Spiel auf, dessen Rahmen eine Kochshow mit eigenen Kochinseln bildet. Speisen werden gelistet, denen man nicht mit leerem Magen lauschen sollte. Dann wird es zickig. Wieder so ein Vorurteil, das die Produktion auskostet, wenn die Frauen sich immer emsiger mit selbstgekochten und selbstgemachten Spezialitäten überbieten. AUSTROPOPO entwirft ein buntes Potpourri aus Meinungen, die alle in eine Richtung weisen und einen Abgesang auf die Emanzipation bilden könnten, wenn da nicht immer auch ein Hauch von Revolution und Aufstand mitschwingen würde.

Hier bin ich Macho, hier darf ich’s sein

Abgehakt und ungelenk der Gang der Damen, die als personifizierte Männerträume über die Bühne staken und um den Hauptpreis buhlen. AUSTROPOPO ist schließlich immer noch eine Kochshow. Hier misst sich Frau an der Herdplatte und freut sich „wie ein Schnitzerl“, dass sie dabei sein darf. Entsprechend posieren und strahlen sie auf dem runden Podest um die Wette, wo sie sich mit all ihren weiblichen Vorteilen präsentieren. Kochen als Leidenschaft und die Familie als Ziel. Die starke Artifizialität von Gestik und Mimik, der stakkatoartige Marionetten-Charakter der Bewegungen verweist einmal mehr auf eine patriarchalische Gesellschaft, die die Frauen in bestimmte Rollenbilder drängt (Choreografie: Pascale Staudenbauer).

Dazwischen verwandeln sich die Damen in Herren. Prollig und breitbeinig, mit Super-Mario-Bärtchen stapfen sie über die Bühne, parlieren in Regiolekten und geben machoide Gesänge und Meinungen mit Hang zum Größenwahn zum besten. Da darf es durchaus mal ein bisschen rustikaler sein. Archaisch können aber auch die Frauen. In G’stanzl-Manier wird das weibliche Geschlecht besungen und kurz darauf in Pop-Tönen bekanntes Liedgut neu interpretiert. Überhaupt bildet das musikalische Repertoire ein gelungenes Setting, dem man gerne auch noch länger lauschen möchte. Klug arrangiert und stimmlich wunderbar harmonisch, glänzt kollektiv Kollinski mit jedem Song, den es provokativ bricht und genau dadurch maximale Aufmerksamkeit erreicht.

Buntes Spektakel: AUSTROPOPO

Bisweilen will AUSTROPOPO – WEIL’S (NED) WURSCHT IS dann aber doch zu viel. Auf zeitlich begrenzten Raum wurden zu viele Stränge begonnen. Da kann der roten Faden dem Auge schon mal entschwinden. Das leichte Schwindelgefühl, das sich durch das Überangebot einstellt, wird durch die Kameraperspektive verstärkt. Aufgrund des aktuellen Lockdowns musste die Uraufführung in den virtuellen Bereich verlagert werden. Möglich gemacht hat diese schöne Lösung eine Kooperation mit FS1 und ARGEkultur. Das hat aber auch zur Folge, dass es eine Kamera ist, die das Auge führt und durch das Stück leitet.

Schön übrigens das Ende. Die Gewinnerin der Kochshow wird mit Krickerl übersät. Recht elend sitzt sie da und ordnet die kleinen Geweihe, bis sie eines davon aufsetzt und dadurch auch selbst zur Trophäe wird. Für den Mann. Dabei wäre alles so einfach. Der letzte Song ist optimistisch. Frauen würden die Welt verändern, weil sie wissen, wie das geht. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, außer: Wo gibt es eigentlich die Musik zum Stück zu erwerben? 😉

 

Aufführungstermine im Juli 2021

 

Fotonachweis: © Sabine Heide (zweiblatt), Bearbeitung © Nina Ortner (Sujet), © Wolfgang Lienbacher (Bilder im Beitrag)

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