DER BEGLEITER: J. Milewski, J. Brandstätter

Der Begleiter – Kleines Theater

Wahnsinnig verliebt.

Ach, muss Liebe schön sein. Wenn ich groß bin, will ich auch einmal lieben! Nach Anna Burzynskas Komödie sollte man das lieber noch einmal überdenken: Pechschwarz und bitterböse lädt DER BEGLEITER zur emotionalen Achterbahnfahrt ein.

Ein Korrepetitor schwärmt seit dreißig Jahren für seine Opernsängerin. Ohne je ein wirkliches Wort mit ihr gesprochen zu haben außer Hallo und Auf Wiedersehen. Als er sich eines Tages dann doch ein Herz fasst und das Schweigen bricht, ist die Sängerin unbeeindruckt. Aber was raus muss, muss raus. Der Klavierbegleiter auf Freiersfüßen lässt sich nicht so einfach von seinem Vorhaben abbringen, der Angebeteten sein Herz zu Füßen zu legen. Egal wie sehr sie auch darauf herumtrampelt.

Spannende Vorgriffe bei DER BEGLEITER

Susanna Szameit inszenierte die Deutschsprachige Erstaufführung von Anna Burzynskas DER BEGLEITER am Kleines Theater als temporeiche Komödie mit tiefschwarzen Höhepunkten. Bereits das Bühnenbild (Alois Ellmauer) greift das Sujet des Stücks auf; Musikinstrumente und Mobiliar aus Draht-Konstruktionen deuten durch ihre Form sehr viel an, ohne der tatsächliche Gegenstand zu sein. Ein spannender Vorgriff auf künftiges Bühnengeschehen. Denn genau wie die Ausstattung entziehen sich auch die Figuren konkreten Deutungen. Psychologischen Abgründe verpackt die Regisseurin vorausschauend in dunklem Humor. Das nimmt dem Stück die eminente Tragik und verleiht ihr den Charakter einer lockeren Komödie. Darüber darf gerne und viel gelacht werden.DER BEGLEITER: J. Milewski, J. Brandstätter Trotzdem bleibt der ernste Kern bestehen und bewahrt den BEGLEITER davor, in seichten Klamauk abzudriften.

Zuckerbrot und Peitsche

Rot auf Grau sind die Farben des verliebten Korrepetitors und spiegeln bereits die wichtigsten Facetten seiner Persönlichkeit (Ausstattung: Lili Brit Pfeiffer). Eigentlich fahl und unscheinbar, fasst er sich nach dreißig Jahren ein Herz, um seine Angebetete anzusprechen. Jurek Milewskis Klavierspieler ist eingangs schüchtern und scheu; die Überwindung seiner sozialen Phobie gestattet eine kleine Ahnung von eleos und phobos, also Jammern und Schaudern – die zur vielgepriesenen Katharsis des Aristoteles‘ führen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die arrogante Attitüde der Operndiva (Judith Brandstätter).

Blasiert und enerviert ignoriert sie die Geständnisse ihres Pianisten und belächelt seine Fantasien. Die gibt er zuerst nur peu à peu, später immer bereitwilliger preis. Je mehr er davon erzählt, umso deutlicher wird, hier hat jemand ein ernsthaftes Problem. Den Wahn(sinn) seiner Figur transportiert Jurek Milewski gelungen nonchalant. Wie selbstverständlich erzählt er schüchtern lächelnd davon, wie er seiner Angebeteten seit dreißig Jahren das Frühstück ans Bett bringt und sie die Kleider trägt, die er sich mühsam von seinem kargen Gehalt abspart. Was ist Fantasie und wann wird Fantasie zur Realität? Das kulturelle Gedächtnis tritt in Aktion und erzeugt eine Ahnung von Unheil, ohne dieses zu benennen. Das überhebliche Lächeln der Operndiva bleibt nicht lange arrogant. Irgendwann erstarrt es und kehrt sich ins Gegenteil.

Alea iacta est – oder doch nicht?

Für die Operndiva trägt Judith Brandstätter extra dick auf und erzielt den gewünschten Effekt: Das Publikum bricht bereits bei den Gesangsübungen der Femme fatale in schallendes Gelächter aus und weidet sich an ihrem Erstaunen, als der Korrepetitor mit Extrawissen aus ihrem Leben glänzt. Gleichzeitig ist hier nichts so, wie es wirklich scheint. Die Figuren durchlaufen eine 180 Grad Wendung. Alea iacta est, die Würfel sind gefallen? Mitnichten. Alles neu macht der zweite Teil. Plötzlich findet ein spannender Rollentausch statt, der nur durch weitere unvermutete Wendungen getoppt werden kann – die auch tatsächlich stattfinden. Janusköpfig führen Judith Brandstätter und Jurek Milewski das Publikum einmal auf diese, einmal auf die andere Weise in die Irre.

Wenn das Leben die schönsten Geschichten schreibt, dann schlägt es auch beim Gegenteil bisweilen über die Stränge. So leicht und unbeschwert DER BEGLEITER humortechnisch daherkommt, das Sujet ist es nicht. Das nach der Vorstellung keiner deprimiert den Saal verlässt, liegt an der leichtfüßigen Umsetzung und der einen oder anderen unerwarteten Wendung. Weil der Verlierer halt doch nicht immer der Verlierer ist, sondern ganz manchmal auch ein Gewinner.

 

Fotonachweis: Christian Treweller

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