Hei hussassa, die Kaktusblüten waren da.
Massig Sangesfreude, freche Texte und Instrumente für ein ganzes Orchester: Die Kaktusblüten erobern das OFF Theater in Schallmoos.
Die Steiermark ist ja für vieles bekannt. Die einen assoziieren damit Arnold Schwarzenegger oder Kernöl. Die anderen endloslange Autofahrten in den Sommerurlaub, eingequetscht zwischen Geschwistern und im ständigen Knatsch um das Kassettenfach. Höchste Zeit, die Liste zu ergänzen. Irgendwo zwischen Arnie, dem grünen Gold und dem jährlichen Kampf um die Musikherrschaft sind die Kaktusblüten anzusiedeln. Nein, das ist keine botanische Neuheit, sondern eine etablierte Combo aus der Steiermark. Die packte Keyboard, Trommeln, Bassgeige und noch viel mehr ein und schlug für einen Abend ihre musikalischen Zelte im OFF Theater in Schallmoos auf.
Best of Kaktusblüten
Tatsächlich ist Salzburg kein Neuland für das steirische Musiktrio. Im Gegenteil, den Direktimport aus der grünen Mark verbindet sogar eine ganz besondere Beziehung zur Mozartstadt: Ihre Songtexte stammen aus der Feder der in Salzburg lebenden Autorin und freien Journalistin Claudia Karner. Für die Kaktusblüten schnappte sich die Texterin ziemlich bekannte Musiknummern und krempelte keck die Lyrics um. Okay, eigentlich warf sie die meisten von ihnen rigoros über Bord. Das Resultat sind freche, pointierte und herrlich treffende Sprachspiele und Reime, die keinen Stein auf dem anderen lassen, aber immer ins Schwarze treffen.
Wenn das der Duracell Hase wüsste…
Die Kaktusblüten (Martin Plass, Christa Schreiner, Robert Persché) greifen die Wortjonglagen von Claudia Karner spielfreudig und stimmstark auf. Als homogen durchdacht erweist sich bereits das Arrangement des musikalischen Repertoires. Während sich der erste Teil noch lukullischen Gaumenfreuden widmet – oder vom leidvollen Verzicht davon berichtet, kreist der zweite Teil um die Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen.
Klein, aber oho
Christa Schreiner steht als einzige Frau im Trio ihren Mann und strotzt nur so vor Energie, dass selbst der motivierteste Duracell Hase im Vergleich an Farbe verliert. Nebenbei erweist sich Schreiner als echter Tausendsasa. Kein Instrument, das sie nicht beherrscht. In fulminanter Geschwindigkeit wechselt sie zwischen Trommel, Kabassa, Maracas, Tin Whistle und setzt sich dann sogar noch ans Keyboard, dass eine glatt der blanke Neid treffen könnte. Tut er allerdings nicht, dafür sorgt Christa Schreiner für viel zu viel gute Stimmung auf der Bühne. Besonderes Highlight, die vegane Pippi Langstrumpf Einlage auf der Tin Whistle oder die herrlich durchgeknallte Neu-Interpretation von „Schöner fremder Mann“. So viel ist sicher, danach scheint es unmöglich, das Original von Connie Francis je wieder mit unschuldigen Ohren zu hören.
Die Kaktusblüten, die Bass-Ranke und der Conférencier
Das musikalische Repertoire hat den Zeitgeist und das örtliche Umfeld fest im Blick. Leicht auszumachen an Klagen über Handy-Apps und genussvoll appliziertem Lokalkolorit. Gleichzeitig ist ein gewisser Hang zur Altersgruppe rund um die Babyboomer nicht von der Hand zu weisen. „Mr. Sandmann“ wird zur zerbröselnden Bandscheibe und beim Klassentreffen der 8b verliert sich der „Norbert, im Silicon Valley“ von der Ellie.
Martin Plass verwandelt den Erzherzog-Johann-Jodler zu einer skurril-gelungenen Fifty-Shades-of-Grey-Einlage mit sehr viel Klebeband aus dem Baumarkt. Auch den Bass, der beinahe bis zum Bühnenhimmel reicht, beherrscht der bekennende Phlegmatiker wunderbar. Dort pflückt er zwar nicht die Sterne für das Publikum, legt ihnen aber auf köstliche Weise sein Herz zu Füßen und bettelt herrlich humorig um Groupies. Auch mit Wortneuschöpfungen halten die Kaktusblüten nicht hinter dem Berg; in „Rauchverbot – nein danke“, das irgendwann einmal „Cheek to cheek“ war, wird eine Lanze für ‚Strachen‘ gebrochen, Kaktusblüten-Neusprech für Rauchen.
Je weiter der Abend voranschreitet, desto deutlich wird: Robert Persché ist der (inoffizielle) Conférencier der Band. Souverän kokettiert er mit Publikum und Kollegen, führt durch das Programm und ja, ist mindestens genauso musikalisch wie seine Co-Stars. Besonders gelungen, „Only you“ als melancholischer und ach so realitätsnaher Abgesang auf verschwundene Socken. Auch bei „Ti amo“, der Liebeserklärung ans Shoppen, kennt der Sänger und Musiker kein Halten. Mit viel Gefühl eröffnete er eingangs den musikalischen Reigen und ist auch nach der dritten Zugabe noch unglaublich motiviert. Das ruft nach Wiederholung.
Fotonachweis: Die Kaktusblüten
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