„Tha people“ are in tha house: DIE BIBEL – DIE GANZE HEILIGE SCHRIFT LEICHT GEKÜRZT auf der Bühne der Theater (Off)ensive.
Die Bibel hält vermutlich mehrere Rekorde. Zwei davon sind, dass sie eines der ältesten und meistgelesenen Bücher der Welt ist. Trotzdem trifft sie ein recht schweres und bisweilen ödes Los, wird der arme Text doch wahrscheinlich häufiger mit langatmigen Religionsstunden und eintönigen Lesungen in sparsam beheizten Gotteshäusern assoziiert als mit dem literarischen Ideenfundus, den die Schrift eigentlich birgt. Denn recht viel spannender, mörderischer und lasziver als dort geht es in kaum einem anderen Buch der Weltliteratur zu.
In der Bibel da erschlagen sich Brüder (Kain und Abel), Menschen erstarren zur Salzsäule (Lots Frau), junge Männer besiegen Riesen (David gegen Goliat) und ältere, lüsterne Männer stellen jungen, verheirateten Frauen nach (die Rettung der Susanna durch Daniel). Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen; kein Wunder, umfasst das berühmte Werk auch stolze 1.189 Kapitel. Die Theater (Off)ensive hat sich des hochspannenden Sujets angenommen und mit DIE BIBEL – DIE GANZE HEILIGE SCHRIFT LEICHT GEKÜRZT zu einer handlichen Komödie verpackt. Das Ganze funktioniert erstaunlich gut, selbst mit nur drei Schauspieler*innen (Anja Clementi, Alex Linse, Max Pfnür) auf den schmalen Brettern, die im Café Shakespeare die Welt bedeuten, und vielen quietschebunten Requisiten.
„Im Anfang war das Chaos“ erschallt der erste imposante und über das „Gottes-Mikrofon“ geäußerte Satz aus dem Off und weist proleptisch den Weg. In temporeichen 100 Minuten entfaltet sich ein turbulenter Bibel-Abend, der anders als alles davor Dagewesene ist. Dabei geht es lieb gewonnen und fürsorglich gehätschelten Vorurteilen gehörig an den Kragen. Die Bibel, langweilig? Mitnichten. DIE GANZE HEILIGE SCHRIFT LEICHT GEKÜRZT ist schräg, hochgradig lustig und tatsächlich sehr kurzweilig. Unbeirrt spielen, singen und tanzen sich A. Clementi, A. Linse und M. Pfnür in weißen Wallegewändern und mit den obligatorischen Jesus-Sandalen durch das Stück, das, wenn man es schnell und schludrig ausspricht, auch einen recht modernen Beiklang erhält.
Exkurs Anfang: Ich zu X: „Ich schaue mir DIE BIBEL an.“ – X [irritiert]: „Was schaust du dir an“ – Ich [geduldig]: „Die Bibel“. – Er [noch irritierter]: „Was?“ – Ich [bereits leicht ungeduldig]: „Na, die Bibel“. – Er [verständnislos]: „???“. – Ich [entnervt]: „D I E B I B E L. Die Heilige Schrift, das Alte und Neue Testament – e h s c h o n w i s s e n.“ – Er [Erleuchtung]: „Ahhhhhh! Ich dachte, du meintest „Tha people“…“ – Pah! Exkurs Ende.
Die Bibel-Übersetzung der Theater (Off)ensive glänzt mit flapsig lockeren Kommentaren, nicht ganz so tiefschürfenden, dafür aber umso erhellenderen Konversationen und jeder Menge neuem Bibelwissen. Man lernt, gleichnamige Propheten leichter zu differenzieren oder erfährt, dass in der Bibel mit der Nennung der Stadt Rama quasi die Margarine erfunden wurde und der weise Salomon die Frage nach Gottes Omnipotenz offensichtlich mit einer Flugschreiber-Gleichung in seiner telefonischen Seelsorgestunde beantwortete. Außerdem wird die aktuelle Hitparade der Zehn Gebote vorgestellt, Davids Sieg über Goliat demonstriert und Abraham zur Opferung des eigenen Sohns Isaak gebeten (der mit seinen elf Jahren erstaunlich kleinwüchsig ausfällt). Gut, ganz ernst zu nehmen ist dieses humoresk dargebotene „Wissen“ dann natürlich doch nicht. Aber es macht Laune auf mehr, da trifft es sich ganz gut, dass es ein Weilchen dauert, sich durch das Alte und Neue Testament zu spielen. Nur gen Ende hin wäre dann vielleicht doch etwas mehr Kürze zuträglich. Doch auch so unterhält die Inszenierung des biblischen Skripts vorzüglich; Backstage wird sich um das Gottes-Mikrophon gebalgt oder die in liebevoller neunjähriger Detailarbeit gefertigte Plastik-Arche Noah von Kolleg*innen zertrümmert und der dazugehörige Schauspieler traumatisiert; obendrein zieht dann auch noch der Kain dem Abel eine imposante Keule über den Kopf und springen zwei Jünger eifrig durch das gesamte Abendmahl.
Die hohe Geschwindigkeit bleibt konstant gewahrt, auch wenn zur Darstellung der biblischen Ahnenreihe dem Publikum hebräische Namen up tempo zugeworfen oder unisono im Chor vorgetragen werden. Das funktioniert beeindruckender Weise ohne Stolpern und wenn dann doch Unerwartetes eintrifft, wie im Eifer des Gefechts demolierte Bibelseiten oder defekte Jesus-Sandalen, keine Bange, die Drei aus DIE BIBEL sind Improtheater erprobt. Etwaige Novitäten werden souverän eingebaut und Publikumsreaktionen ad hoc aufgegriffen.
Gelungen die musikalische Untermalung (Daniel Schröckenfuchs, Technik: Diana Paul), die sich durch treffend zugeordnete Soundtracks („Pirates of the Caribbean“ für die Arche Noah, das „Schlümpfe“-Intro für David gegen Goliat), geistliches Repertoire oder TV-Titelmelodien („Das Perfekte Dinner“ für das Letzte Abendmahl) auszeichnet.
Obendrein scheint für DIE BIBEL der Perücken-Fundus geplündert und die Spielzeugkisten von einigen Kindern geleert worden zu sein; entsprechend equipiert treten die Schauspieler*innen dann frohen Mutes zum Bibel-Appell an. Den sollte man sich besser nicht entgehen lassen, denn in Sachen Humor befindet sich die etwas andere Bibel-Stunde ganz beim britischen Vorbild „Life of Brian“ und „Life of Brian“ ist Kult. 😉
Fotonachweis: Theater (Off)ensive