Die Öko-Vorurteile fliegen tief und der Konsumwahnsinn steht auf dem Prüfstand: Locker, leicht und mit großem Unterhaltungswert kommt Dora Schneiders „Die Einladung“ am Schauspielhaus Salzburg daher.
Ein schickes Wohnzimmer als Bühne, ein befreundetes Ehepaar, zwei abwesende Kinder und ein Abend, der emotional völlig aus dem Ruder gerät – ein Schelm, wer hier Yasmina Reza denkt. Tatsächlich wirkt Florian Scheibes „Die Einladung“, mit dem das Schauspielhaus Salzburg die neue Spielzeit eröffnete, wie das biodeutsche Update von Rezas „Gott des Gemetzels“. Ein kluger Schachzug: Immerhin gilt die Französin als Patin der großartigen Wortgefechte und rasanten Komödien. Das färbt ab. Humortechnisch und intellektuell läuft es deshalb auch besonders gut für Dora Schneiders Eröffnungsproduktion (Musik: Thomas Richter, Ausstattung: Ilona Glöckel, Dramaturgie: Tabea Baumann, Licht: Marcel Busá).
In aller Plot-Kürze
Die Erziehungsgrundsätze von Lauras und Lottes Eltern könnten nicht unterschiedlicher sein. Während die einen auf Leistung und Fremdsprachen setzen, sind Lottes Eltern Vertreter von Waldorfschule und biodynamischer Ernährung. Als Laura ihre beste Freundin Lotte nicht zum Geburtstag einlädt, kommt es zum Eklat. Bei einer Krisensitzung werden langsam Risse in der Fassade sichtbar und die unterschiedlichen Wertvorstellungen entfachen einen erbitterten Kampf.
Über Labeling und Musik
Leistungsoptimierte Über-Eltern treffen auf tiefenentspannte Nachhaltigkeitsfans. Die Erziehungsansätze, die in „Die Einladung“ aufeinander prallen, könnten nicht unterschiedlicher sein und werden gerade in ihren Extremen von den Schauspieler*innen zelebriert, dass es ein Lachfest ist. Dafür inszenierte Dora Schneider einen sanften Einstieg, der die Kontraste subtil unterstreicht und aus diesem Grund auch umso lauter tönt. Während Steffen (Lukas Spinka) Gemüse schnippelt, zerbricht sich Anne (Christiane Warnecke) den Kopf: Wie den anderen beibringen, dass Lotte nicht auf Lauras Liste steht? Zeit bleibt kaum, denn schon fallen die Gäste mit kleiner floraler Slaptstickeinlage in das frisch renovierte Heim ein.
Fröhlich sind sie, die anderen, laut und seeehr grün. Das Öko-Label ist Clara (Petra Staduan) und Jan (Wolfgang Kandler) schon auf die Klamotten geschrieben. Dass hier niemand seinen Namen tanzt, verwundert vielleicht, aber keine Angst, das gängige Klischee wird mindestens einmal erwähnt.
Auf Kampf gedrillt sind auch die kleinen Gesten, die die Regisseurin schon früh ins Stück einfließen lässt. Aggressiv hackt da Steffen plötzlich die Karotten, dass einer schon ganz bang um seine Finger werden möchte (so schneidet man doch kein Gemüse!!). Die musikalische Untermalung akzentuiert das Geschehen und nimmt leitmotivisch vorweg, dass hier sehr bald Krieg herrschen wird. Damit die Botschaft auch wirklich den hintersten Winkel erreicht, wird der peppig überdimensionierte „Are you really here“-Slogan an der Bühnenwand in ein erklärbäriges „real war here“ umgeformt. Kann ja nicht schaden, gleich Tacheles zu reden.
Real war here
Mit Reden wäre auch den vier Figuren auf der Bühne geholfen. Allerdings: früher. Es kommt natürlich, wie es kommen muss. Während Christiane Warnecke das Verbissene von Anne großartig akzentuiert und als Hochschwangere nervös über die Bühne tigert, lässt Petra Staduans Clara alles erstmal laufen. Ein sehr entspannter Kontrast, der von Wolfgang Kandlers Jan komplettiert wird. In schreiend rosaroten Zehensocken flaniert er durchs Wohnzimmer und bestaunt mit Clara im Naturfaser-Partner-Look das schicke Ambiente.
Dass die Kollision zweier Weltbilder unmittelbar bevorsteht, wird auch an Kleinigkeiten deutlich; unschuldig kippt Jan gleich drei Ladungen Eiswürfel in den sündhaft teuren und eigentlich wohltemperierten schottischen Whisky. Aber wenn die Eismaschine halt auch so viel Freude bereitet: Der einsame Lachanfall vor dem Kühlschrank nimmt kein Ende. Muss er auch nicht. Dafür wirkt das alles offenbar sehr reinigend. Denn irgendwann spucken Anne und Steffen das Problem dann doch noch aus, während das Publikum weiterhin fröhlich kichert.
Bäm, da ist es ausgesprochen: Lotte steht nicht auf Lauras Liste. Langsam kommt auch „Die Einladung“ in die Pötte. Außerdem wird deutlich, dass Hysterie kein exklusives Privileg von Anne ist. Clara kann auch scharfzüngig sein, dahin der Seelenfrieden. Fest in ihren Sandalen stehend, packt sie aus und nimmt auch Jan in die Pflicht. Komödien-Kundige ahnen es bereits, spätestens an dieser Stelle wird es temperamentvoll. Da fliegen sogar die Pfannen. Gut, eine ist es und ganz eigentlich darf sie nur kurz Höhenluft schnuppern. Hier greift die Regie das Slapstick-Moment der Begrüßung wieder auf (wir erinnern uns: Karotten und ein unvermutet zorniger Ausruf) und lässt die Attacke mitten in der Bewegung einfrieren. Black. Als es wieder hell wird, sind die Figuren Kampfversehrten gleich über die Bühne verstreut. War is really here.
Eine Komödie ist eine Komödie ist eine Komödie
Das Schöne ist, wenn Komödien ohne Hau-drauf-Humor funktionieren. Dafür mag „Die Einladung“ zwar Klischees Ende nie ausspielen und die Öko-Schiene so nachhaltig bedienen, dass selbst eine der Schauspielerinnen einmal kurz um Contenance ringt. Zugleich fängt sie die Mittelschicht im Publikum mit ihren eigenen Vorurteilen und Weltbildern ein. Freundschaft, Erziehung und Konsum werden zu Aufhängern und treiben ziemlich bunte Blüten. Aber Hand aufs Herz, Übertreibung war schon immer ein hervorragendes Mittel für Unterhaltung und der Wiedererkennungswert, ja, das läuft auch. Auf die eine oder andere Weise. Vielleicht. Versprochen.
Fotonachweis: Jan Friese
Artikel zum Download in PDF-Format by