Le roi est mort, vive le roi.
Das Spiel vom Leben und Leiden des Schauspielers: Peter Turrinis DIE ERÖFFNUNG in einer temporeichen Inszenierung von Jonas Meyer-Wegener. Pointiert und unglaublich amüsant.
Das Leben ist selten ein Ponyhof und wir sind noch weniger Wendy – schon gar nicht, wenn der Autor Peter Turrini heißt. Der ist für seine sozial- und gesellschaftskritischen Stücke bekannt. Keine leichte Kost also? Mitnichten. Zum Einstand der neuen Theatersaison entschied sich die OFF Bühne in Schallmoos für Turrinis DIE ERÖFFNUNG. Nomen est omen, ein Paradestück, um sich vorzustellen. Letzteres ist selbstverständlich gar nicht nötig. Das OFF Theater bereichert die Salzburger Kulturszene inzwischen bereits seit zehn Jahren. Aber – so viel steht fest – es ist Zeit, Resümee zu ziehen und das gelingt besonders eindrücklich mit Humor, auch bei Turrini.
Schall und Scheinwerferlicht
Ein Schauspieler steht auf der Bühne, erzählt aus seinem Leben, schlüpft in die unterschiedlichsten Rollen und macht auf die Artifizialität des Theaterbetriebs aufmerksam. Die vom Autor viel gepriesene Wahrhaftigkeit steht im Fokus, nicht die Wahrheit. Deshalb lebt DIE ERÖFFNUNG von bewusst evozierten Grenzgängen. Das beginnt bereits mit der Gemachtheit der Bühne. Die vierte Wand löst sich immer wieder in Schall und Scheinwerferlicht auf. Was ist Realität, was ist Fiktion. Die beiden Schauspieler, die sich eine und sehr viele andere Rollen teilen (Alex Linse und Thomas Pfertner) jonglieren bewusst mit Identitäten. Dass die Figuren die Namen ihrer Mimen tragen, ist eine schlaue Finte, die falsche Nähe suggeriert und damit doch nur in die Irre führt (Spielfassung & Inszenierung: Jonas Meyer-Wegener, Kostüme & Maske: Andrea Linse, Bühnenbau: Florian Strohriegel & Team).
Ironische Hommage
Alex Linse und Thomas Pfertner wechseln in Sekundenschnelle zwischen den Ebenen. Die artifizielle Gemachtheit der Welt des Theaters führen sie mit ironischer Leichtigkeit und sehr viel Augenzwinkern vor: Jeder Mord ist geplant, jede Affäre wochenlang einstudiert. Das Setting dafür liefert die penibel ausgetüftelte Regie. In liebevoller Detailarbeit wurden humorige Pointen in das Werk eingestreut – so wohldosiert, dass sie gerade durch ihre Reduktion zu echten Humorzündern werden.
Wenn sich die beiden Ich-Erzähler auf der Bühne gegenseitig die Königskrone streitig machen und dabei die diversen Theatertricks sehr offensichtlich und breit zelebrieren – vom einklappbaren Messer bis zum Blutbeutel aus Mehl, Lebensmittelfarbe und Kakao – dann ist das höchst unterhaltsam. Statt seichtem Hau-drauf-Humor greift das Ensemble zu bildungsbürgerlichem Wissen-wir-doch-eh-Pointen, die sich selbst ad absurdum führen. Statt sinnloser Verballhornung also ironische Hommage, wenn der Schauspieler auch nach dem dritten Mal Sterben quicklebendig zum Monolog ansetzt oder sich der Schuss mit sichtlicher Verzögerung vom Band löst. Auch der Fechtkampf, der plötzlich wie von Zauberhand ohne die beiden Protagonisten stattfindet, ist so ein humoriger Höhepunkt. Ein poetischer hingegen das Spiel mit den Schatten und vollem Körpereinsatz.
Musikalisch kluges Arrangement
Humor attestieren auch die Requisiten der Inszenierung von Jonas Meyer-Wegener. Ein Kaktus wird zum Baum, ein Polster zum Schiff, der Stift zur Kopiermaschine und der Ich-Erzähler schwingt eine Klobürste und besprenkelt das Publikum mit imaginärem Wasser aus Lourdes. Damit die ironische Note gewahrt bleibt, wurde die Ausstattung mit entsprechenden Zettelchen ergänzt: „Baum“ und „Schiff“ steht in großen Lettern geschrieben. Mitten drin in diesem Chaos aus Selbstmitleid, Eitelkeit und Träumen ist eine Konstante: die Souffleuse. Victoria Stark ist als ihr Schatten Dauer präsent und bringt die treue Seele – als sie endlich die Anerkennung erfährt, die ihr gebührt – zum Strahlen. Davor und dazwischen springt die Neo-Schauspielerin als Kind oder etwaige andere Figur ein. Hauptsache, die Eitelkeiten sitzen und die Ich-Erzähler können dem Publikum ihr schweres Herz ausschütten. Die Dialoge sind ein humoriger Schlagabtausch, der von Sprachaffinität und Sprachbegabung zeugt.
Eine Begabung des OFF Theater ist das musikalische Arrangement, für die Jonas Meyer-Wegener einmal mehr ein perfektes Händchen bewiesen hat. Klar, wenn Vangelis‘ „Conquest of Paradise“ den dramatischen Auftakt machen darf, sich Griegs „Morgenstimmung“ und die EAV dazu gesellen, kann eigentlich auch gar nichts mehr schief gehen. Und tatsächlich, keine Gefahr. Stattdessen bietet DIE ERÖFFNUNG einen amüsanten, abwechslungsreichen Spaziergang durch die Gemachtheit der Theaterwelt. Die nimmt sich keinesfalls so ernst, wie manch fanatischer Kunstliebhaber gerne hätte.
Fotonachweis: OFF Theater
by