Mr. John und seine Eskapaden: DON GIOVANNI am Landestheater Salzburg.
Sie ist zurück, die DON GIOVANNI – Produktion des italienischen Regisseurs Jacopo Spirei, die bereits 2011/2012 im Landestheater Salzburg zu sehen war. Und wenn man dem akustischen Vergleich während der Vorstellung glauben schenken darf, stößt sie auf viel Publikumsliebe.
DON GIOVANNI hat eine lange Überlieferungstradition und führt ins 17. Jahrhundert, wo das Don Juan-Motiv in EL BURLADOR DE SEVILLA, Y COMBINADO DE PIETRA des spanischen Mönchs Tirso de Molina seinen Ursprung nahm. Danach arbeiteten sich einige (bekannte) Schreiber an der frivolen Materie ab und alsbald verkam das Sujet zu einem wenig geachteten Stoff. Zumindest bis es in der Oper von Guiseppe Gazzaniga nach dem Libretto von Giovanni Bertati Anfang 1787 in Venedig seinen Weg auf die Opernbühne fand. Es folgte Mozarts Meisterstück mit dem Libretto von Lorenzo da Ponte, das heute so ziemlich jedem ein Begriff ist und am 29. Oktober 1787 in Prag Uraufführung feierte. Was dort allerdings jubelnd aufgenommen wurde, stieß in Wien auf wenig Gegenliebe. Selbst Kaiser Franz Joseph II. ließ verkünden, dass es eben kein „Bissen“ für seine Wiener sei. Die dürften aber mittlerweile ihre Meinung geändert haben.
Don Giovanni ist ein kaltblütiger Frauenheld von fragwürdigem Ruf und lebt völlig losgelöst von sozialen und moralischen Werten. Nach seinen Avancen gegenüber Donna Anna ermordet er ihren Vater, Il Commendatore. Über Donna Elvira, eine verflossene Liebe, amüsiert er sich köstlich, bis sie ihm lästig wird, da sie potentielle weibliche Opfer vor ihm warnt. Zerlina will er nebenbei am Traualtar ihrem frisch angetrauten Masetto abspenstig machen und die anonyme weibliche Masse sammelt sich bereits bei seinen zahlreichen Festen. Immer an Don Giovannis Seite, Leporello, sein treuer Diener, der die zweifelhaften Aufträge seines Herren bisweilen mit Widerwillen ausführt. Als Don Giovanni dann am Ende gar noch mit den Toten seine Scherze treibt, ist das auch für die Götter zu viel.
Jacopo Spirei scheint ein Faible für das Amerikanische zu hegen, das seine DON GIOVANNI Inszenierung üppig durchzieht. Eng drängen sich typische Mittelstandhäuser aneinander, komplett mit Vorgarten und amerikanischer Flagge. Die Maskerade in Don Giovannis Haus oszilliert zu einer Halloween-Party mit farbenfrohen Kostümexzessen und beim finalen Festessen wird mit Popcorn und anderem Knabbergebäck geworfen oder wahlweise auch Tomatendosen (?) vergossen (spontanes Mitleid mit der Bühnenreinigung). Die Amerika-Affinität mag nicht gänzlich nachvollziehbar sein, dafür gefallen Maske und Kostüme umso besser. Don Giovanni als Joker der Theaterbühne ist ein gelungenes zeitgenössisches Innuendo, um die grausamen Charakterzüge des Protagonisten zu akzentuieren und visuell auszuarbeiten. Gleichzeitig wurde die Figur mit Simon Schnorr wunderbar besetzt. In seinen Arien glänzt der Bariton und führt als Don Giovanni das Publikum eloquent und hoffärtig an den moralischen Abgrund. Leporellos berühmte Registerarie verliert sich akustisch zwar ein wenig im allgemeinen Orchestergetümmel (gelungen wie immer, das Mozarteumorchester Salzburg), sein Geprahle über Don Giovannis 1003 Frauen alleine in Spanien kommt trotzdem an. Florian Plock überzeugt mit schelmisch-diabolischer Ausdruckskraft und da sind sie auch schon, die humorigen Opera buffa-Nuancen, die Leporello leicht und nonchalant serviert.
Donna Anna ist mit Lavinia Bini bestens besetzt und höchst präsent, vokal wie im Spiel. Sie erfreut mit einer intensiven und sehr emotionalen Arie am Grab des Vaters und trägt ihren Schmerz sichtbar nach außen. Don Ottavio (Kristofer Lundin), der in Spireis Interpretation zum stereotypen amerikanischen Detective oszilliert, und Masetto (Raimundas Juzuitis) begeistern ebenfalls mit großartigen Stimmfarben und Volumen.
Das furiose Finale fällt szenisch etwas anders aus als erwartet. Das verwundert an dieser Stelle der Amerika affinen Produktion nicht mehr weiter. Statt auf dem Friedhof vor dem Grab des Il Commendatores treffen sich Don Giovanni und Leporello nach erfolgreicher Flucht in der Aufbahrungshalle. Gut, was sich szenisch leichter realisieren lässt, wird dann zumindest stringent weiterverfolgt und endet im gleichen Drama (für Giovanni) beziehungsweise Erlösung (für alle anderen). Das Publikum verspeist den Bissen mit Gusto. Wien würde sich vermutlich anschließen.
Fotonachweis: Anna-Maria Löffelberger // Landestheater Salzburg
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