Dry Powder – Salzburger Landestheater

Zeitgenössischer Börsenknigge

In den USA wurde die Uraufführung von DRY POWDER medial bejubelt, zwei Jahre später gelingt der Sprung nach Europa. Am Landestheater Salzburg feierte der Theatererstling von Sarah Burgess jetzt europäische Erstaufführung.

Whovians und Trekkies wussten es schon lange – es gibt noch mehr Leben da draußen abgesehen von dem kleinen blauen Planeten, den wir zufällig bevölkern. Aber warum in die Ferne schweifen? Mit ihrem Theatererstling DRY POWDER rückte die junge Autorin Sarah Burgess 2016 den Fokus auf eine sehr reales, sehr nahes und trotzdem absolut konträres Paralleluniversum: der Finanzwelt. Die ist nicht zufällig in New York angesiedelt, dem Epizentrum der Börsianer und einer geballten Ladung „dry powder“. DRY POWDER ist dann auch der Titel der zeitgenössischen Komödie und steht für „außerbörsliches Eigenkapital“ – wer den Begriff jetzt trotzdem nicht versteht und sich lieber über das Wort „außerbörslich“ amüsiert, bitte, nur kein Zwang, damit bist du in bester Gesellschaft. Da hier aber von der Finanzwelt die Rede ist, müssen zwangsweise knallharte Fakten folgen oder, wie wir Neo-Börsianer*innen gerne fachsimpeln, „facts“.

In aller Plot-Kürze

Rick ist Begründer der Kapitalbeteiligungsgesellschaft KMM Capital und auf Gewinn getrimmt. Trotzdem unterläuft ihm ein folgenschwerer Fehler: Seine Verlobung begeht er mit Prunk, Protz und Elefanten, was ihm das gemeine Volk übel nimmt. Schließlich hat er gleichzeitig massive Entlassungen bei einer Supermarktkette lanciert. Schlechte PR at its finest – die Medien zerreißen KMM Capital in der Luft und die gefeuerten Mitarbeiter*innen belagern die Investoren der Company. Um die Firma zu retten, rät Ricks Partner Seth, eine Reisegepäckfirma zu kaufen. Gar nicht gut, intrigiert Partnerin Nummer Zwo, Jenny. Als ehrgeizige Finanzlerin plant sie bereits die nächste Entlassungswelle.

Ausverkaufte Uraufführung

Regisseur Claus Tröger verlagerte mit DRY POWDER die New Yorker Finanzszene auf die Bühne der Kammerspiele (Bühne und Kostüme: Katja Schindowski, Dramaturgie: Carola Schiefke, Lichtdesign: Daniela Klein). Dafür wurde ein gelungen nüchternes, naturalistisches Setting errichtet: Weiße Böden treffen auf weiße Wände. Jalousien entgrenzen den Bühnenraum und erwecken Assoziationen zur Glasfront eines turbulenten Kapitalgesellschaftsbüros in einem New Yorker Wolkenkratzer. Die Schauspieler*innen öffnen und schließen die weißen Rollos in eigener Choreografie zu lauten Rhythmen zwischen den Bildern. Das belebt die Szene und rückt immer andere Teile der Bühne ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Zusätzlich setzt Katja Schindowskis Bühnenbild auf einen schwarzen Bürosessel und ausklappbare Details wie einen Mini-Golf-Parcours – es lebe der amerikanische Traum. Tatsächlich bedient nicht nur der kleine Indoor-Golfplatz zahlreiche Business-Klischees. Auch die Dialoge sind in DRY POWDER mit Börsen-Amerikanismen durchsetzt.

Finanztheater

DRY POWDER wird bei seiner europäischen Erstaufführung vor eine harte Probe gestellt. Wie reagiert das Publikum abseits der Wall Street auf eine High-Finance-Komödie? Nach der Premiere steht fest, europäisches Publikum tickt eben doch etwas anders und amerikanischer Finanzhumor besitzt so seine Tücken. Die Schauspieler*innen schaffen es dennoch, das letzte bisschen Witz aus der Komödie zu pressen und dem oberflächlichen Finanz-Geplänkel Kontur zu verleihen.

Axel Meinhardt schlüpft mit voluminöser und im Tempo bewusst gedrosselter Stimme in die ungemütliche und hoffärtige Rolle von Finanzboss Rick. Scheinbar emotionslos gibt er den Befehl zur Massen-Entlassung, während er sich mit wohltätigen Zwecken selbst die moralische Absolution erteilt. Dabei sitzen ihm Engel und Teufel auf der Schulter: Positiv und um Ausgleich bemüht, will Seth (Marcus Bluhm) den katastrophalen Ruf von KMM Capital aufpolieren und oszilliert zur Heilsbringerfigur der moralisch maroden Finanzwelt.  Tatsächlich ist Seth‘ Euphorie ansteckend und wenn ihm Jenny knallhart an den Kopf wirft zu lügen, dann wirkt das absurd – zumindest bis zum letzten Bild. Marcus Bluhms Figur pendelt dank ambiguer Darstellung hart zwischen den Grenzen und lässt sich schwer festlegen. Jenny (Britta Bayer) ist da schon strukturierter; geschäftstüchtig versiert gibt sich Britta Bayer in ihrer Rolle abgefeimt und zynisch. Die spitzen, schlagfertigen Wortgeplänkel zwischen den beiden Konkurrenten zählen zu den Stärken des Abends. Jeff Schrader (Sascha Oskar Weis) ist das gut gelaunte, naive Geschäftsführer-Lämmchen, das zur Schlachtbank geführt werden soll. Sascha Oskar Weis mimt eine wunderbare Inkarnation des ahnungslosen Gutmenschen; alles easy, alles awesome also und breites fröhliches Grinsen im Gesicht. Bis die Versuchung zu groß wird und Jeff, diese amerikanische Proto-Unschuld, plötzlich seine unangenehme Seite entblößt. Was für eine Offenbarung.

Didaktische Mission

Sarah Burgess heimste mit DRY POWDER in Amerika große Erfolge ein. Ob ihr das auch in Europa gelingen wird, sei dahingestellt. Umso größer ist die Leistung von Inszenierung und Schauspielern*in, die trotz amerikanischer Finanzdiskurse den trockenen und teilweise schon wieder gestrigen Stoff (Twitter? Sooo 2016) mit Humor beleben und selbst den längeren Partien gelungene Pointen abringen. Nach Vorstellungsende gewinnt sogar der Begriff „außerbörsliches Eigenkapital“ plötzlich an Konturen. Wenn das nicht eine didaktische Mission ist, die Burgess‘ Stoff da in der alten Welt erfüllt.

 

Fotonachweis: Anna-Maria Löffelberger

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