Honigmond

Es ist fast schon ein bisschen dekadent, dass wir unvermutet in der 1. Reihe sitzen. Eigentlich war das auch gar nicht so geplant. Als es um die Ticketbuchung ging, habe ich vielmehr aus Neugierde und Experimentierfreude auf „Vorne“ geklickt. Wer hätte auch ahnen können, dass wir damit drei Tage vor Vorstellungsbeginn noch in der 1. Reihe landen? Aber alles der Reihe nach. Seit Kurzem fahre ich auf dem Weg in die Arbeit immer an einem oder zwei Plakaten (mittlerweile könnten es auch schon drei sein) von „Honigmond“ im kleinen theater vorbei. Und immer bleibt mein Blick pünktlich daran hängen. Als Freundin C. und ich letztens ein lange fälliges Treffen planten, schlug ich deshalb auch spontan das Stück als Aufhänger vor. Freundin C. musste nicht überredet werden. Das war am Mittwoch. Am Samstagabend fanden wir uns also plötzlich in der 1. Reihe wieder. (Und nein, das Theater war nicht halbleer, wie ich schon befürchtete hatte, als ich sah, welche Plätze wir so kurzfristig davor noch zugeteilt bekamen; vielmehr war das Auditorium bis zum Bersten gefüllt).

Ich brauch‘ Tapetenwechsel, sprach die Birke.

Es ist Weihnachten in der gemeinsamen Wohnung von Christine und Linda, zwei Freundinnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Christine ist rational und geschieden, Linda eine Femme fatale par excellence. Und dann stößt auch noch Barbara hinzu, die gerade entdecken musste, dass ihr Mann Manuel sie betrügt. Im eigenen Wohnzimmer. Das kann sie ihm nicht verzeihen. Christine zeigt sich ebenfalls bestürzt, hat sie Barbara und Manuel doch gerade noch euphorisch als „Leuchttürme“ der Institution Ehe idealisiert.

Die Ingredienzien zu Gabriel Baryllis 1991 uraufgeführter Komödie sind simpel und auch 2015 noch unglaublich effektiv. Situationskomik trifft auf Ironie und Humor in allen Facetten, wenn seine drei weiblichen Figuren aus „Honigmond“ im kleinen theater in Salzburg aufeinandertreffen. Dank wunderbarem Schauspiel der Protagonistinnen, einer europäischen „Verschwesterung“ aus Österreich – Liechtenstein – Deutschland, ist eine exzellente, humorige Komödie entstanden, die nicht nur Frauenherzen erfreuen wird. Allerdings vermutlich vor allem diese (zumindest der latent verbissenen Miene des maskulinen Zeitgenossen neben uns zu urteilen, der sich allerdings bereits darin von seinen fröhlichen Geschlechtskollegen an diesem Abend Unterschied; absoluter zuschauerische Höhepunkt meinerseits, als dann genau auf ihn der lässig von der Bühne geschwungene Mantel landete). Barylli der Frauenversteher? Zumindest weiß der Autor um gängige Vorurteile und Klischees und schlachtet diese zur Freude einer sehr amüsierten Publikumsmasse ungeniert aus. Helmut Vitzthums Salzburger Interpretation darf sich sehen lassen. Das Bühnenbild ist einfach und schlicht. Kartons dienen als erstes Wohnmobiliar und werden durch Ikea-Deko ergänzt („oh, die Gläser habe ich auch“ – „also die Decke ist sicher Ikea“ – usw.), während Alkohol an diesem Weihnachtsabend in Strömen fließt. Denn zu begießen und zu ertränken gibt es so einiges.

Christine (Christiani Wetter) ist geschieden, aber glücklich. Zumindest steht letzteres in der Stückbeschreibung. Irgendwie kommt dieses „glücklich“ aber erst gegen Ende zum Tragen; davor umgibt ihre Figur bereits mit Eroberung der Bühne ein Hauch von Verbissenheit, ein Hang zum Sarkasmus. Das Publikum liebt sie dafür umso mehr und es sind kleine Highlights, wenn sie herrlich steif den Christbaum schmückt (man achte auf das finale Aussehen des armen Baums – sehr kreativ) oder spitze Pointen gegen Linda und deren frivolen Lebensstil schießt. Wetters Mienenspiel ist bei diesen Gelegenheiten famos und ziemlich intensiv. (Umso faszinierender, wenn man es zusätzlich aus der 1. Reihe beobachten darf). Die Gefühle ihrer Protagonistin trägt sie im Gesicht und lebt sie spürbar. Linda (Christina Piringer) hat andere Prioritäten als ihre geschiedene Psychologen-Freundin. Sie nimmt männermässig mit, was sie so bekommen kann und schwelgt in den Huldigungen ihrer Verehrer. Oberflächlich und flatterhaft genießt sie das Leben in vollen Zügen bis… , ja, bis sich auch unvermutet ihr Leben unwiderruflich verändern wird. Dahin ist die Leichtigkeit und plötzlich steht da eine gänzlich andere Figur auf der Bühne, die mit wenigen Mitteln nicht nur optisch eine totale Verwandlung durchlaufen ist. Chapeau. Die Dritte in diesem frauenlastigen Bunde ist Lindas Gegenbild: die frisch betrogene, bieder manierliche Hausfrau Barbara (Claudia Carus einmal nicht am Landestheater). Barbaras Auftritt ist laut, sehr laut und artet in eine empathische Schimpftirade aus, die befreiend wirkt. Sie lässt alte Rollenbilder hinter sich und erfindet sich neu, findet endlich zu sich. Eingestreut in die Geschichten der drei Protagonistinnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, immer wieder Songs von Hildegard Knef bis Marlene Dietrich. Übrigens nicht immer vom Band; leidenschaftlich wird so mancher Klassiker neu intoniert und ich darf an dieser Stelle vorwarnen, es handelt sich um einen sehr ohrwurmlastigen Abend, an dem auch recht viel getrunken wird. Das birgt Konsequenzen. Die beständig vor uns stehenden Wein- und Sektflaschen, die dauernd nachgefüllten Gläser, scheinen irgendetwas in den Gehirnen ihrer unfreiwilligen BetrachterInnen auszulösen. Nach der Vorstellung finden auch wir uns plötzlich Schaumwein trinkend und Hildegard Knef hörend wieder. (Produkt-Placement ist das Zauberwort – wir hätten da eine sehr kreative Marketing-Idee beizusteuern 😉 ).

„Honigmond“ ist eine äußerst gelungene, sehr humorige Komödie, die übrigens vermutlich nicht zufällig an Baryllis Roman „Butterbrot“ (1988) erinnert. Der dreht sich um drei Männer mit den ungefähr gleichen Problemen, nur aus maskuliner Sicht. 2012 wurde „Butterbrot“ am Landestheater inszeniert und ja, ich habe es auch gesehen. Deshalb darf ich an dieser Stelle anmerken, dass das kleine theater mit „Honigbrot“ noch ein Schäuflein drauflegen konnte. Vielleicht liegt das auch an der äußerst gelungenen Inszenierung von Vitzthum und seinen drei Schauspielerinnen, die an diesem Abend alle mit ihren besonderen Interpretationen und lebhaftem Schauspiel brillieren und die damalige Männerriege ausnahmslos überbieten.

Fotonachweis: kleines theater. haus der freien szene.

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