Schwarz, schwärzer Monty Python’s SPAMALOT.
Das britische Erfolgsmusical SPAMALOT premierte am Salzburger Landestheater und sorgt für schier endlose Heiterkeit in den Zuschauerreihen.
Ich habe lange überlegt. Tatsächlich habe ich sogar sehr lange überlegt. Als unglaublich großer Fan des britischen Originals schien es mir ein kleines Wagnis, mich in die Aufführung einer deutschsprachigen SPAMALOT-Inszenierung zu wagen. Ich meine, wer verrückt genug ist, ihrem Betreuungsprofessor bei Einreichung der Masterarbeit gleich das Album von Monty Python’s SPAMALOT mit den Worten „damit Sie beim Korrigieren den passenden Soundtrack haben“ zu überreichen, die ist in dieser Angelegenheit tatsächlich sehr eigen. Weil da ist ja auch die Sache mit der Sprache. Kann man SPAMALOT auf Deutsch inszenieren, ohne dass das Stück seinen ganz speziellen Humor einbüßt? Man kann. Oder vielmehr Andreas Gergen kann. Der beschert den Besucher*innen des Salzburger Landestheater mit seinem Regieprojekt jetzt nämlich einen sehr vergnüglichen Abend.
Britannien 932.
Das Königreich befindet sich in einer bedrängten Lage. Auf der einen Seite die Anglosachsen, auf der anderen die Franzosen und dazwischen wüten Pest und Cholera. König Artus reitet los, um gemeinsam mit seinem Knappen Patsy Ritter für die geplante Tafelrunde zu rekrutieren. Ziel ist es, den sagenumwobenen Heiligen Gral zu finden und Britannien zu retten. Alsbald werden die beiden zu Kokosnuss-Klängen ausreitenden Helden fündig. Sie gruppieren eine hübsche kleine Ritterschar um sich. Der wilde und auf Klassenkampf erpichte Dennis, der sich zum schönen Sir Galahad wandelt. Der tapfere Sir Robin, der sich bei näherer Betrachtung als nicht ganz so tapferer „Rüstungsnässer“ entpuppt. Der kämpferische Sir Lanzelot, der seine feminine Seite entdeckt und Prinz Herbert, der eigentlich lieber Prinzessin wäre, ritterlich zur Hilfe eilt. Und dann ist da noch Sir Bedevere, der die Sache mit dem trojanischen Hasen verbockt. Sie alle erhalten ihren Auftrag von Gott höchstpersönlich. Da kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen. Oder etwa doch? Immerhin gibt es ja noch den „Joker“, der bei Bedarf gezückt werden kann… die Fee aus dem See.
Glitzer und Glamour.
Andreas Gergen und sein Team beweisen einmal mehr großartiges Geschick. In Tradition bereits vergangener Inszenierungen am Salzburger Haus (KISS ME KATE, LA CAGE AUX FOLLES, SOUND OF MUSIC u.a.) trägt auch Monty Python’s SPAMALOT Gergens untrügliche Regiehandschrift (Choreographie: Kim Duddy, Bühne: Court Watson, Kostüme: Conny Lüders). Bunt, laut und außerordentlich humorvoll gestaltet sich die sorgsam ausgearbeitete Persiflage auf das Musical-Genre, die nicht nur in Großbritannien Zuschauerherzen erfreut. Dafür wurden die vorhandenen Raumkapazitäten bestmöglich genutzt. Eine lange Burgmauer erstreckt sich quer über die Bühne; die eine Seite leer, dafür aber allseits bereit zum Bespielt-werden und für amüsante Kulissen/Requisiten-Einfälle. Davon wird ausgiebig Gebrauch gemacht. Entstanden ist ein Bühnenbild, das Erwachsenen-Herzen höher schlagen lässt. Tatsächlich könnte vermutlich ein Abenteuerspielplatz Kindern kaum mehr Funkeln in die Augen zaubern wie den Großen diese Bilder; Süßigkeitenabteilung trifft Ritterburg und darunter liegt ein Hauch Kinderparadies, aus dem man nicht mehr abgeholt werden möchte. (König Artus hat sogar ein Trampolin! Mit GLITZER!!!). Auf Männer wartet ein zusätzliches Highlight. Camelot entpuppt sich nämlich als wahrgewordener (heterosexueller) Männertraum: viele Damen, wenig Textilien. Und dazwischen, da müssen die Herren dann allerdings stark sein, vollständig bekleidete Mitglieder des Mozarteumorchesters (musikalische Leitung: Peter Ewaldt). Wer sich bisher wunderte, wo hier eigentlich das Orchester versteckt ist (ich!), der wird spätestens jetzt fündig. Auf der Rückseite der Burgwand. Das ist ziemlich geschickt arrangiert und erweist sich als enorm platzsparend.
Never change a winning team.
Für die Besetzung wurde das Stammensemble des Landestheaters ein wenig aufgestockt. Einer, der schon öfters hier zu Gast war, ist Uwe Kröger. Diesmal schlüpft der ziemlich bekannte Musicalsänger in die Rolle des britischen „Nationalhelden“ König Artus. Das gelingt ihm erstaunlich gut. Humorvoll übertrieben ist sein Artus mit dem sonnigen Emoij auf der Ritterbrust. (Persönliches Highlight: Die Rüstung mit einem Emoij-Häufchen – das putzt ganz ungemein). Arrogant überheblich reitet Artus auf seinem nicht-existenten Pferd zu Patsys Kokosnuss-Klängen an, um Ritter zu rekrutieren. Überhaupt neigt er ein bisschen zur Schummelei dieser Artus. Beim Stepptanz lässt sich der König gerne von Patsy und den Kokosnüssen synchronisieren. Dann sind da auch noch die Schauspieler und Sänger aus den eigenen Reihen. Allen voran Marco Dott und Sascha Oskar Weis, die mit ihren zahlreichen Rollen begeistern. Das Gebot ihrer Stunde scheint ein neuer Rekord im Wechseln von Kleidung und Figuren. Das gelingt ausnehmend gut. Es ist außerdem höchst erheiternd beizuwohnen, in welcher Rolle sie wohl in der nächsten Sekunde aus dem Bühnenbild springen werden. Etwa als wunderbar seriöser und immer live von den Schauplätzen berichtender Historiker (M. Dott) oder doch lieber als Sir Lanzelot mit neu entdeckter Tanzleidenschaft (S. O. Weis)? Schwierig diese Entscheidungen, zumal die beiden Tausendsasa auch als Französische Spötter mit falschem Akzent, aber einem Mund voller Schimpfwörter und Händen voller zahlreicher unflätiger Gebaren sichtlich Spaß haben. Aber auch als schwarzer Ritter, der langsam sämtliche Gliedmaßen einbüßt und immer noch weiter gen Artus stänkert, macht sich S. O. Weis hervorragend. Axel Meinhardt beweist sich indes als Sir Bevedere, gibt eine großartige Dennis Galahads Mutter und wird erfolgreich von Herberts Pfeil getroffen.
Und dann sind da auch noch die „Neuen“ wie Julian Looman als wunderschöner und hervorragend eitler Sir Galahad, der sich ständig die güldenen Locken zupft. Oder Marc Seitz als tapferer Sir Robin besungen (übrigens eine grandiose Szene, die M. Dott, drei Damen und vier Pilzköpfe inkludiert). Dabei entpuppt er sich alsbald als gar nicht so tapfer, ganz im Gegenteil; in seiner vorauseilenden Panik passiert ihm des öfteren ein kleines oder größeres Malheur in der eigenen Rüstung.
Immer mutig an Artus Seite hingegen Patsy (Elliott Carlton Hines), der als des Königs Sidekick für ziemlich viel Furore sorgt. Dem Opernensemble des Hauses entliehen, mischt E. C. Hines stimmgewaltig ganz oben mit und an kabarettistischer Front auf. Zu den Cheerleader-Klängen der Laker Girls tanzt er die Damen und die, die sich für Damen ausgeben, gelenkig und rhythmisch unter den Tisch. (Wenn es denn einen solchen an dieser Stelle gäbe.) Als Fee vom See konnte übrigens Pia Douwes gewonnen werden, die als divaesker Joker den Herren Rittern immer wieder höchst gerne zur Hilfe eilt. Dazwischen meutert sie gelegentlich äußerst publikumswirksam gegen das Nicht-beachtet-Werden durch die Regie.
Britischer Humor vom Feinsten.
Der typisch schwarze und sympathisch humorvolle Tonfall von SPAMALOT zieht sich durch das gesamte Stück; Bühnenbild, Kostüm, Figurenführung, Choreographie, Orchestrierung – kein Bereich ist davor gefeit. Das Anspielungsarsenal ist schier nicht enden wollend. Die Liste an dieser Stelle fortzusetzen, würde allerdings den Rahmen sprengen. Nur dass die Gojim die Juden in der Übersetzung gestrichen haben, nicht aber auf die jiddischen Klänge verzichten wollten, scheint etwas merkwürdig, ist aber vermutlich der deutschen Übersetzung zu zollen. Anstelle ihrer dürfen Musical-Figuren aus anderen Produktionen einspringen. Das ist auch amüsant. Gleichzeitig tanzen Ritter auf Schultern von Zwergen und Laker Girls tauchen mit Schwänen auf den Köpfen aus dem See auf, um kurze Zeit später ihre Fee im Cheerleader-Kostüm anzufeuern. Und dann ist da noch das Killer-Kaninchen und die Heilige Handgranate, die nicht unerwähnt bleiben dürfen. Die Kostümkreationen lassen tatsächlich keine Wünsche offen und erreichen fantastischen Märchencharakter.
Es ist an der Zeit, die alte Meinung zu revidieren. Ja, SPAMALOT funktioniert auch auf Deutsch und obendrein erstaunlich sehr gut. Das liegt mit großer Wahrscheinlichkeit an der wunderbar modern-frischen und ziemlich schwarz-humorigen Inszenierung von A. Gergen. Die könnte den Briten durchaus das Fürchten lehren. Bisher hatten sie das Monopol auf SPAMALOT. Nach der gelungene Premiere drängt sich allerdings die Frage auf: Wie lange noch?! 😉
Fotonachweis: Anna-Maria Löffelberger // Salzburger Landestheater
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