OBERON: G. Schulz

Oberon – Salzburger Landestheater

Der Haussegen beim Elfenkönig hängt schief und die Welt steht Kopf.

Carl Maria von Webers OBERON wurde in Salzburg neu und spartenübergreifend inszeniert. Ein Abend mit Shakespeare, Wieland oder: von der romantischen Oper zur Comedy.

So ein Komponist hat’s nicht leicht. Zwei Jahre arbeitete der damals schon stark Tuberkulose gezeichnete Carl Maria von Weber an einer romantischen Oper in drei Akten: „Oberon, oder der Schwur des Elfenkönigs“. Glücklich war von Weber damit keineswegs. Zum einen wegen seiner unheilbaren Erkrankung, zum anderen, weil ihm James Planché ein Libretto servierte, das nicht seinen Vorstellungen entsprach. Und zwar so gar nicht. Zusätzlich kam diese Mischung aus Christoph Martin Wielands gleichnamigem Heldengedicht und Shakespeares „Sommernachtstraum“ nur häppchenweise. Aus der Vision einer durchkomponierten Oper wurde ebenfalls nichts. Statt der gewünschten dramatischer Entwicklung bestand OBERON aus aneinandergereihten Situationsmomenten.

Fast scheint es also, als wäre im OBERON von Anfang an der Hund drin. Zumal sich die Unglücksserie fortsetzte. Carl Maria von Weber verstarb vier Wochen nach der Uraufführung. Seinen FREISCHÜTZ kennt bis heute jeder. OBERON? Fehlanzeige! Selbst eingefleischte Opernfans geraten ins Grübeln. Ein Positives hat das musikalische Stück dann allerdings doch: OBERON: EnsembleDie Oper inspiriert nachfolgende Generationen wie kaum eine andere – neue Bearbeitungen sind das produktive Resultat. Eine davon premierte jetzt am Landestheater Salzburg (Inszenierung: Volkmar Kamm, musikalische Leitung: Ido Arad, szenische Choreografie: Verena Rendtorff, Choreografie: Kiristian Lever, Bühne: Konrad Kulke, Kostüme: Katja Schindowski).

In aller Plot-Kürze

Der Haussegen beim Elfenkönig hängt schief. Grund dafür ist ein Streit zwischen Oberon und Titania, um die Frage, wer sei treuer – Mann oder Frau? Oberon schwört, enthaltsam zu leben, bis er ein solches Menschenpaar fände. Tja, hier beginnt auch das Problem. Woher nehmen? Er schickt seinen Diener Puck auf die Reise, der den Ritter Hüon von Bordeaux ausfindig macht. Hüon reist gerade durch Arabien – strafversetzt von Kaiser Karl persönlich. In Arabien soll er die persische Prinzessin Rezia entführen – Puck und Oberon mischen kräftig mit. Auf der Schifffahrt zurück setzt Oberon die Liebenden einer Prüfung aus. Das Schiff zerschellt auf hoher See, das Pärchen und seine Diener werden von Piraten aufgelesen und müssen sich als Sklaven verdingen. Bis auf Rezia, die sehr zu ihrem Leidwesen vom Sultan gefreit wird. Als sich Rezia ihm verweigert, landet sie hinter Schloss und Riegel, und jetzt macht auch noch des Sultans Gattin amouröse Jagd auf Hüon…

Am liebsten treibt er Schabernack

Die Aufgabe scheint klar: OBERON von seiner Staubschicht  befreien und dem behäbigen Textbuch durch Originalität zu Ruhm und Ehre zu verhelfen. Alleine, die Mission geht nicht ganz auf. Tatsächlich pendelt die Inszenierung viel eher zwischen altbacken und gestrig. Dabei fängt alles so vielversprechend an. OBERON kommt als spartenübergreifendes Stück auf die Bühne des Landestheaters. Oper, Schauspiel und Ballett reichen sich die Hände und harmonieren wunderbar. OBERON: G. SchulzBereits nach der vielversprechenden Overtüre (Mozarteumorchester Salzburg unter der Leitung von Ido Arad) erobert der eigentliche Star des Abends die Bühne. Puck ist da.

Der Diener des Elfenkönigs lässt auch in OBERON keinen Stein auf dem anderen. Gregor Schulz gibt den frechen, nimmer müden Schelm mit großem Elan. Gleichwohl da noch mehr unter der Oberfläche lauert. Schulz‘ Puck ist cholerisch und seine Nerven meistens zum Zerreißen gespannt. Dieser explosive Zug wird wunderbar durch das punkige Kostüm unterstützt – ein erfreulich moderner Moment der Inszenierung (Kostüme: Katja Schindowski). Pucks begrenzter Geduldsfaden besitzt zwei Seiten. Die eine ist positiv konnotiert; er stellt seine Gefühle in den Dienst der amourösen Sache und bangt um das Seelenwohl seiner Schützlinge. Die andere scheint düster. Tatsächlich kommandiert dieser Puck den Elfenkönig in Feldwebel-Manier herum und gibt die Richtung vor.

Oberon & Puck

Puck steht immer unter Strom und scheint keine Minute still zu stehen; stattdessen wird Gregor Schulz selbst zum spartenübergreifenden Performer – und liefert damit auch eine der herausragendsten Leistungen des Abends, wenn nicht die herausragendste. Meistens begleitet von Arethusa (Verena Rendtorff), Pucks Dauerfreundin seit 128 Jahren. Dass Oberon an Respekt einbüßt, liegt auch an der Figurenführung. Franz Supper singt zwar wunderbar, gleichzeitig muss der Tenor seine Figur der Lächerlichkeit preisgegeben. Immer im Nachthemd und mit roter Pappmaschee-Krone sitzt er hoch droben in der Loge, beobachtet das Geschehen und scheint seiner einstigen Durchsetzungskraft beraubt. OBERON: EnsembleErst wenn Puck zum wiederholten Mal auf derespektierlich Weise der Kragen platzt, greift der liebeskranke Elfenkönig gutmütig ein. Gespiegelt wird dieses seltsame Machtverhältnis von Hüon von Bordeaux (Roman Payer wunderbar stimmkräftig) und Scherasmin (George Humphreys stark intonierend). Wieder ist es der Diener, der seinem Herrn die Meinung diktiert.

OBERON: Fantasiesprache und The Return of Dada

Anne-Fleur Werner liefert als Rezia eine empathische Ozeanarie, es ist aber vor allem Fatima (Shahar Lavi), die vokal begeistert. Weniger beeindruckend dann das Rollenarsenal von Sascha Oskar Weis. Der Schauspieler ist nicht zu beneiden, oszilliert er doch vom ordensbehangenen Saddam Hussein Verschnitt (Kalif von Bagdad) über Captain Jack Sparrow (Piratenkapitän) zum Emir von Tunis, einem Bashir al Assad Double. Weis schlägt sich souverän. Selbstverständlich strotzt eine Oper aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor einschlägigen Vorurteilen, müssen diese dann aber auf diese Weise vorgeführt werden? Das kratzt nicht nur am Original, sondern scheint auch auf zeitgenössischer Ebene redundant.OBERON: Ensemble

So spricht der Kalif von Bagdad in einer Kakofonie aus erfundenen Wortkreationen. Die speisen sich aus Nonsens-Aneinanderreihungen und einzelnen, tatsächlich existierenden Begriffen aus dem Wiener Sprachraum, garniert mit Stereotypen und der Ibiza-Affäre. Von „Blunzen“ über „Schickse“ (die allerdings Jiddisch ist) bis zum „Sauerkraut“. Der Humor kommt erstaunlicherweise trotzdem an – zumindest bei den Silberfüchsen im Publikum. Egal ob der Kalif in dadaesker Manier einzelne Begriffe in den Raum schleuderte oder Captain Jack Sparrow über die Bühne wankt, der ältere Teil unterhält sich köstlich und verzeiht auch anstandslos die Tatsache, dass Volkmar Kamm ständig den Erklärbären auspackt.

Bereicherung Ballett

Der Erklärbär springt auch unnötigerweise für das Ballett in die Presche. Dabei hätte man es einfach machen lassen sollen, denn die Idee ist wunderbar:OBERON: K. de Matos, D. da Cunha Eine Verdoppelung der Protagonisten. Die Tanz-Double von Hüon von Bordeaux (Diego da Cunha) und Rezia (Karine de Matos) heben die Oper mit ihrem Tanz auf eine weitere Ebene und begeistern mit ihrer Umsetzung der szenischen Choreografie. Den lang ersehnten modernen Anstrich in dieser ansonsten meistens sehr altbacken wirkenden Inszenierung liefern neben Chor und Extrachor des Landestheaters, aber auch Kostüme (Katja Schindowski) und Bühne (Konrad Kulke). Ersteres ist ein stimmig zeitgenössisches Crossover, das sich aus unterschiedlichen Epochen speist und mit fantastischem Ornat ergänzt wurde.  Zweiteres setzt auf Purismus und kokettiert gelungen mit dem Gestrigen, wenn es auf alte Bühnentricks setzt. Die Wellen werden selbst produziert. König Karl hat seinen großen Auftritt als Riese Samson.

Was ins Bühnenbild charmant eingearbeitet wurde, bekommt anderen Teilen der Inszenierung so gar nicht. Abgesehen von veraltetem oder Nonsens-Humor, ist da noch die Causa Titania. Oberons Frau hat  – wie Kaiser Karl – einen sehr kurzen Auftritt. Konträr zum Monarchen steckt aber eine junge Schauspielerin in ihrer Haut (Anna Menslin) – und die muss blank ziehen. Der Auftritt dauert wenige Minuten und wirft aufgrund von Alter und Geschlecht die Frage auf: War das wirklich nötig? Irgendwie ebenfalls sehr gestrig, diesmal 20. Jahrhundert.

 

Fotonachweis: Anna-Maria Löffelberger

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