Interview mit Andreas Ohrenschall und…
… endlich. Am 24.11. wird das Publikum ab 19:30 Uhr bei PROPHESCENE 2160 im altehrwürdigen Gemäuer der Kollegienkirche einen Blick in die Jahre 2023 und 2160 werfen dürfen. Eintritt ist frei. Don’t miss!
Prophezeiungen der nahen und fernen Zukunft beschäftigen uns, zugegeben, schon seit jeher. Nicht nur die Bibel wimmelt davon, sondern auch andere Quellen bieten ihre prophetischen Leistungen gerne und höchst freigiebig feil. Man denke an Nostradamus und seine bisweilen erstaunlich korrekten Zeilen, die schon den Aufstieg Napoleon Bonapartes zum Kaiser Frankreichs oder den Zweiten Weltkrieg verkündet haben sollen. Vermutlich ist es das Magische, das Unvorhersehbaren und der gleichzeitige Wille, alles zu ergründen, zu dominieren und zu unterwerfen, das den Menschen an Prophethien fasziniert.
Der Künstler Andreas Ohrenschall widmet dem Phänomen einen ganz eigenen und künstlerischen Zugang. Für PROPHESCENE 2160 machte er sich auf die Suche nach Prophezeiungen. Aber nicht aus irgendwelchen altbekannten Quellen. Vielmehr sollte jede*r, die*der wollte, ihre*seine Zukunftsvisionen für die Jahre 2023 und 2160 einreichen, per media-file einsenden oder auf den Anrufbeantworter sprechen. Gerne auch anonym. Alle Prophezeiungen sind gleichwertig und Teil des großen Gesamtkunstwerkes, das am 24.11.2016 in der Kollegienkirche bei freiem Eintritt ab 19:30 Uhr in Salzburg präsentiert wird. Dann nämlich vereinen sich die von Sprecher*innen und Deuter*innen dargebotenen Verheißungen mit sphärischen Klängen und Lichtinstallationen. Die Prophethien kehren an den Ort zurück, an dem sie ursprünglich entstanden.
What I saw from the cheap seats hatte jetzt das Glück, dem Künstler vorab ein paar Fragen stellen zu dürfen.
Cheap seats: Wie entstand die Idee zu Ihrem Projekt PROPHESCENE 2160?
Andreas Ohrenschall: Bei der Durchsicht der Einrichungsparameter zu „Salzburg Utopie“ im Rahmen von „Salzburg 20.16“ keimte gleich der Gedanke auf, die uralte Geste des Weissagens als Grundlage zu nehmen, zumal ich bereits Ende 2015 einen deklamatorischen Text über Ezechiel verfasst hatte.
In weiteren Reflexionen ergab sich dann dies: Es geht nicht nur um die einzelnen erfragten Visionen zur Zukunft Salzburgs, sondern um die Betrachtung, wie unter welchen Bedingungen die Begegnung mit Zukunft aussieht. Das Herauslösen der Prophetie aus religiösen, politischen oder verschwörungstheoretischen Kontexten könnte zu einer Art Spiel führen, das eine neue Tradition des Vorhersagens begründet, in der Intuitives und Rationales versöhnt werden.
Da wir bei der Ezechiel-Performance bereits sehr fruchtbar zusammengearbeitet hatten, begleitet nun auch dieses Projekt Ines Pariente mit all Ihrer sprühenden Tatkraft.
Cheap seats: Wie lange arbeiten Sie bereits an der künstlerischen Umsetzung?
Andreas Ohrenschall: Die Realisierung begann im August, wobei natürlich bereits seit Mai die Vorbereitungen im Bereich Netzwerke und Texterstellung liefen. Zudem mussten ja die eher „nichtpoetischen“ Anteile in eine künstlerische Dynamik eingebettet werden.
Cheap seats: Gibt es eine große Wortspenden-Beteiligung zu PROPHESCENE oder gestaltet es sich eher schwierig, die Leute diesbezüglich zu motivieren?
Andreas Ohrenschall: In der Tat war die Resonanz trotz der Begeisterung vieler, die davon erzählt bekamen, und des Angebots in unterschiedlichster Form, auch anonym, endlich eine persönliche Weissagung entäußern zu dürfen, für mich überraschend gering. Über die Gründe sei hier nicht spekuliert. Letztlich erhielten wir dann doch sehr vielsagende Prophezeiungen auf dem Wege eines Textes, Audiofiles oder Videos. Insgesamt etwa 200. Auch hier hat Ines viele Menschen gefunden und motivieren können.
Cheap seats: In welchem Verhältnis werden bei der großen Abschlussperformance am 24.11. die verschiedenen Klang- und Lichträume, Prophezeiungen, ihre Deutungen und die Sprecher*innen harmonieren? Wird es ein zufälliges Aufeinandertreffen sein, das im Augenblick seines Entstehens schon wieder verschwunden ist und einen ephemeren Charakter birgt. Oder wurden die verschiedenen Elemente, Räume und Worte exakt aufeinander abgestimmt und perfekt inszeniert?
Andreas Ohrenschall: Einerseits versuche ich tatsächlich, unterschiedliche Genres und Begriffsräume in einem festgelegten Ablauf zu harmonisieren. Übergeordnete Kategorien wie „Intuition“ und „Analyse“, was der Dualität aus spontaner Vision und überlegter Deutung entspräche. Dann Innerlichkeit und Zeigespiel, das Pendeln unser Rezeption also vom extrem beteiligten Hinschauen hin zur Versenkung und Selbstbetrachtung. Die Musik von Werner Raditschnig wird hier den Prozess begleiten, unterstützt von Hans-Josef Knaust an der Orgel. Vom konkreten Vorführen einiger gesammelter Interviews hin zu ihrer Transformation in Sprachmelodie und schließlich reinem Klang bzw Licht. In Sachen Beleuchtung wird das Team von „Wonderland of Love“ ein großer Pfeiler sein. Andererseits hoffe ich auf das Aufscheinen einer Empfindung, die die Frage nach jener Bewegung stellt, wie in uns überhaupt Sprache zu etwas Gemeintem, Bilder zu einer Bedeutung gerinnen – oder umgekehrt. Also diese Bindung zwischen Ding und Geist. Die Intensität dieser Bindung ist nämlich eine bedeutsame Kraft unserer Gemeinschaft und ihrer Zukunftsgestaltung. Ihre Stärke entscheidet über Fähigkeit zum spielerisch, aufgeklärten Perspektivenwechsel oder ob eine zB aus Angst geborene Erstarrung obsiegt. Es geht bei dieser Aufführung eben auch um diese EINE Stelle unseres Bewusstsein (daher ProphesceneMonade – zum 300 Todestag von Leibniz). Es geht am Ende um ein großes Gefühl der Vereinigung. So werden wir sehen, wie beim Zuschauer all diese Aspekte erfahrbar werden. Übrigens: es wird eine Truhe geben, in der alle Prophezeiungen verschlossen werden, um dann im jeweiligen Jahr auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden können.
Cheap seats: Warum findet das große prophetische Finale in einer Kirche statt? Wurde der sakrale Raum aufgrund seiner zahlreichen Konnotationen und seines ambivalenten Charakters, gerade wenn es um diverse apokalyptische Untergangsszenarien geht, bewusst gewählt?
Andreas Ohrenschall: Naturgemäß ist die Kollegienkirche der perfekte Ort, solch ein Projekt zum Abschluss zu bringen.
Ja zu jenen Konnotationen könnte man ungebremst assoziieren. Da hoffe ich auf weitere in den Zuschauern.
Cheap seats: Warum 2023 und 2160? Okay, Letzteres leuchtet ein, wenn man 2016 verdreht, aber was versteckt sich hinter 2023?
Andreas Ohrenschall: Schlicht der Umstand, dass die erwähnte Truhe zur Überprüfung zutreffender Visionen auch noch zu Lebzeiten der Beteiligten geöffnet werden sollte. 6 Jahre ist einen Tick zu kurz und 8 einen Tick zu lang.
Cheap seats: Haben Sie eigentlich eine Lieblings-prophezeiung?
Andreas Ohrenschall: Schwierige Entscheidung, da es viele bemerkenswerte und kluge Statements gibt. Aber spontan würde ich sagen, die alttestamentarische Wucht von Dr Rainer Bulands Text ist formal und inhaltlich doch sehr eindrucksvoll.
Cheap seats: Sind weitere Projekte in Arbeit?
Andreas Ohrenschall: Oh ja, ich möchte hier zwei Titel nennen zum Wiedererkennen:
„GASTROTHEOSE – sacred food songs“ und „PARGFRIEDERS ÖSTER-ICH – ein bürgerliches Reinigungsspiel”
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An dieser Stelle noch ein großes Dankeschön an den Künstler, für das Beantworten meiner Fragen. Und an I., für das Weiterleiten. 😉
Save the date: 24.11.2016, Kollegienkirche, Salzburg, 19:30 Uhr bei freiem Eintritt – PROPHESCENE 2160.
Fotonachweis: Andreas Kolarik/Rohrer; Illustrationen: Andreas Ohrenschall
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