„Räuber Hotzenplotz“ rockt das Schauspielhaus Salzburg
Regisseurin Daniela Meschtscherjakov erarbeitete mit den Schüler*innen des Schauspielhaus eine knallbunte hybride Variante des deutschen Klassikers.
Manche Dinge ändern sich nie. Die Lust am Kasperltheater zum Beispiel. Wer erinnert sich noch? In Fall der Verfasserin war es das Le Parapluie in Salzburg. Damals saßen sehr viele Kinder dicht gedrängt in der ersten Reihe und brüllten sich gemeinsam die Seele aus dem Leib, um Kasperl beizustehen. Auch wenn das Le Parapluie längst Vergangenheit ist, Puppentheater rockt bei den Jüngsten noch immer. Vielleicht liegt es auch daran, dass das Schauspielhaus Salzburg den „Räuber Hotzenplotz“ als Hybrid-Variante inszenierte – oder aber, weil Daniela Meschtscherjakov damit auch gleichzeitig den Ursprüngen des Sujets Tribut zollt. Schließlich war der berühmte Räuber aus Otfried Preußlers Schreibfeder ursprünglich ein Puppentheaterprotagonist.
In aller Plot Kürze
Kasperl und Seppel sind in Aufruhr. Der Räuber Hotzenplotz hat die nigelnagelneue Kaffeemühle der Großmutter gestohlen. Und das ist nicht irgendein billiger Vollautomat made in China, sondern die musikalische Mühle, die die beiden ihr zum Geburtstag geschenkt hatten. Skandal. Sauerei. Aufstand. Kasperl und Seppel beschließen, das lebensnotwendige Accessoire zurückzuerobern.
Unzensierte Spielfreude
Man ahnt es bereits, den erstens kommt es anders und zweitens als man denkt – vor allem, wenn es sich dabei um Kasperl und Seppel handelt. In die Rolle der fröhlichen Draufgänger schlüpfen Fabienne Lässer (Kasperl) und Manuel Ramminger (Seppel) und gehen dabei ab wie die Zäpfchen. Tatsächlich sprühen sie vor Elan und Esprit, wenn sie sich auf die Fährte von Räuber Hotzenplotz begeben. Kasperls Fröhlichkeit wirkt dabei höchst infektiös, während er auf sympathisch tolpatschige Weise die Mission vermasselt. Seppels Gutmütigkeit reicht dem Grips seines Freundes durchaus das Wasser und wärmt das Herz. Schließlich freut sich niemand so schön wie Seppel, der endlich wieder seinen Hut in Händen halten darf. Höchstens die Großmutter (Bianca Farthofer), die mit überdimensionalem Vorbau und geduldigem Naturell totales Oma-Potential beweist.
Up and down: gecycelte Kostüme
Für die großen polternden Rollen scheint Julian Dorner reserviert. War es im „Ritter Kamenbert“ noch Meister Alberich, der für Gruselmomente beim kleinen Publikum sorgte, so donnert der gleiche Schauspieler jetzt als Räuber Hotzenplotz mit imposanter Stimme durch die Kulisse. Aber alles nur halb so wild; dass dieser Räuber auch seine sanften Seiten hat, erkennt selbst das jüngste Kind ziemlich rasch. Schließlich herzt niemand seinen Teddybären liebevoller als der berühmte Schurke im knöchellangen Nachthemd – mit passender Schlafhaube.
Allerdings kann auch das Räuberoutfit etwas – und das sogar sehr viel. Hier wurde auf die kleinsten Details Wert gelegt wie die Räuber-Klamotte entsprechend zu zerfransen und „downzucyclen“; der verzauberten Fee Amaryllis (Johanna Klaushofer) ist indes ein märchenhaftes Outfit angedacht. Das allerdings mehr an frisch gefischte Unke anmutet als an Zauberwesen, abgesehen von den Lichterketten. Dafür kommt Amaryllis sehr geschmeidig daher. Was bei näherer Betrachtung an ihrem motorisierten Untersatz liegt. „Starlight Express“ war gestern: Heute fährt Schauspielerin Hoover Board und das beherrscht Klaushofer exzellent (Ausstattung: Ilona Glöckel).
Sei wild und mutig und wunderbar
Dem Märchencharakter zollt Ilona Glöckel auch beim Bühnenbild Tribut. Ein verwunschenes Schloss findet sich hier genauso gezaubert wie eine stimmige Räuberhöhle, die einem juvenilen Traum entsprungen zu sein scheint. Schöner Aspekt: Die Maske (Marliesa Hagn) spiegelt das Farbkonzept des Bühnenbilds. Das entpuppt sich als Crossover zwischen alt und neu; mit schiefem Häuschen, rustikalen Bäumen und Puppenbühne sowie Neongrün und Neonrosa als dominierende Schattierungen. Diesen hybriden Charakter greift auch Regisseurin Daniela Meschtscherjakov mit dem Puppenspiel wieder auf, eine Reminiszenz an das Original. Tatsächlich wandeln sich die Figuren von Handpuppen zu Schauspieler*innen und vice versa, dass es eine Freude ist. Übrigens nicht nur für die kleinen Zuschauer*innen. Ähnliche Effekte werden eingesetzt, wenn Kasperl einen Blick auf den gefangenen Seppel werfen darf und sich Gliedmaßen auf magische Weise verändern. Was die Jüngsten im Raum fasziniert und die Eltern amüsiert (Musik: Fabio Buccafusco, Licht: Marcel Busá).
Trip down memory-lane
Das traditionelle Frage-Antwort-Spiel wird dann aber doch nicht konsequent zelebriert, sondern darf nur anfangs stattfinden. Das stört das kindliche Publikum wenig. Mitten im Stück wird deshalb auch ungebeten die Frage an Räuber Hotzenplotz immer lauter, wo er denn eigentlich seinen Hut gelassen habe. Die Antwort wird ausgespart, die Kinder löchern weiter. Spannend die Tatsache, dass die Sprachlichkeit zum Gros im Original verweilt. So landet Räuber Hotzenplotz naturgemäß irgendwann im… nein, nicht Gefängnis, aber im Spritzenhaus. Ein Hauch Nostalgie kommt auf – der bei den meisten allerdings vermutlich mehr dem kulturellen Gedächtnis gezollt sein dürfte, weniger dem eigenen. Wieder was gelernt, auch, dass Text nicht immer adaptiert werden muss oder soll.
Mit dem „Räuber Hotzenplotz“ knüpft das Schauspielhaus Salzburg nahtlos an eine liebgewonnene Tradition an: Erstklassige Kinderstücke zu inszenieren, die von einem hochmotivierten Schauspielnachwuchs präsentiert werden. Da darf man sich schon auf die nächsten Termine freuen.
Fotonachweis: Jan Friese
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