Robin Hood | Salzburger Strassentheater

Robin Hood – Salzburger Strassentheater

Die Welt steht Kopf im Sherwood Forest: Mit “Robin Hood” tourt das Salzburger Straßentheater erstmals mit einem Familienstück und begeistert mit hochmotiviertem Ensemble, viel Musik und noch mehr Pointen.

Robin Hood ein Schnösel, der Sheriff von Nottingham beinahe sympathisch und ein Sherwood Forest, der vor lauter Sea Shanties vibriert? Nein, hier wurde nicht am Gras aus dem Nachbarland genascht. Stattdessen ist Sommer und das bedeutet: Der Wagen des Salzburger Straßentheaters rollt wieder – mit im Gepäck, die neu aufgelegte Legende rund um den wohl berühmtesten Strumpfhosenträger aus dem Sherwood Forest.

Mittelalterlicher Wahnsinn

Mit „Robin Hood – Die ganze spekulative Wahrheit aus dem Sherwood Forest“ verwandelte Regisseur und Intendant Georg Clementi den Dorfplatz in ein semi-mittelalterliches Setting. Gestreifte, hautenge Beinkleider und temporeicher Klamauk sind dabei Pflicht, fröhlich vorgetragene Sea Shanties zählen zur Kür. Beides funktioniert hervorragend. Der Sheriff von Nottingham (herrlich flapsig und nonchalant durchtrieben – Thomas Pfertner) und Bruder Tuck (Alex Linse zenmäßig von wirklicher Illusion erleuchtet und dauerbetüdelt) sind die Meister der Wortverdrehung. Hier fliegen die Sprichwörter tief und es wird humoresk und sehr flexibel mit der Wahrheit jongliert.

Die Lerche war’s, oder doch die Nachtigall?

Ein bisschen Monty Python, ein bisschen „Matrix“, ja, sogar „Romeo und Julia“ oder „Die Zauberflöte“ dürfen einfließen. Dem Anspielungsreichtum sind in “Robin Hood” keine Grenzen gesetzt und wird keck zelebriert. Das bedeutet natürlich auch, dass die Legende neue Wege gehen darf, soll, ach was, muss. Das ist legitim, schließlich hat die Mär rund um den wehrhaften Helden seit seiner ersten notierten Nennung in tiefgrauer Vorzeit schon die unterschiedlichsten Phasen durchlaufen. Noch genauer genommen war Robin Hood auch nicht immer ein Held, aber das würde jetzt ausufern. Genauso gut könnte man versuchen, die Artusepik zu fassen. Da ist das Spekulative schon unterhaltsamer.

Spiel mir das Lied vom Sherwood Forest

Und Unterhaltung, das kann die eben aus der Taufe gehobene Produktion des Salzburger Straßentheaters. Diesmal als Familienprogramm sogar noch breiter aufgestellt. Da dürfen auch Showeinlagen nicht fehlen. Paul Clementi hat’s voll im Griff. Der junge Schauspieler zeichnet Robin von Locksley als schnöseligen Geck, der zugleich aber auch übermütig auf den Händen über die Bühne tapst, während Little John (Marko Kerezovic) herrlich heiter ganz anders wird, im dunklen, dunklen Wald. An der Stelle muss unbedingt Tomáš Novák genannt werden, der fidele Fiddler. Gemeinsam mit Zeremonienmeisterin Patricia Pfisterer zählt er zum Team #Geräuschemacher und sorgt für Lachtränen, wenn Little John die Knie schlottern oder Bruder Tuck zum imaginären Angeln ansetzt.

Musikalisch läuft es für Robin Hood auf ganzer Linie rund (musikalische Leitung: Ossy Pardeller). Sea Shanties reihen sich an irische Folklore und der eine oder andere Popsong ist auch dabei. Wie gut, dass das Ensemble so vielseitig und stimmkräftig ist und offensichtlich auch ein heiteres Musical kann.

Viva la feminista

Für Frauenpower sorgen Maid Marian (Tanja Radovanovic) und Guy of Gisbourn (Janna Ramos-Violante). Die eine ist extrem emanzipiert und wehrhaft. Wenn Marian den Sheriff für seinen Heiratsantrag frech aus vollstem Halse verlacht, dann ruft das stereotype Reaktionen im Publikum hervor. Der weibliche Teil verschwestert sich spontan mit Marian, während der eine oder andere Mann hörbar gequält aufstöhnt. Männer haben es aber auch wirklich nicht leicht; ihren Mann steht dafür die andere als Guy of Gisbourn heiter kurios. Ewig verpeilt ruiniert sie dem Sheriff die fiese Tour. Alles vermasselt? Nur im Regiebuch. Als amüsanter Sidekick komplettiert Ramos-Violante die Show und sorgt gemeinsam mit dem Rest des Teams für einen extrem vergnüglichen Straßentheaterabend. 

Commedia dell’Arte: Robin Hood

Dieser gelungene Abend profitiert auch vom Spiel mit der eigenen Gemachtheit. Ganz in der Tradition der Commedia dell’Arte tourt das Straßentheater durch die Ecken und Winkel des Bundeslandes. Ziel ist es, Kultur an jedermann – und jederfrau zu bringen. Ein Kontrastprogramm zu den Festspielen also; für lau (gegen Spenden) und sehr volksnah (vergnüglicher Stoff). Da trifft es sich hervorragend, dass sich die Schauspieler:innen bereits in den Rollen auf der Bühne gegenseitig schminken. Aus der Not wird eine heitere Tugend und die clever als Choreografie ins Stück integriert. So viel Nähe kommt an – das Publikum zeigt sich auch 2024 wieder hörbar begeistert.

 

Fotonachweis: SKV / Leo Fellinger

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