THE ROCKY HORROR SHOW in Salzburg: Ensemble

The Rocky Horror Show – Landestheater Salzburg

I see them shiver, with anticipation!

Im Salzburger Landestheater steppt der transgalaktische Bär: Richard O’Briens Kultmusical THE ROCKY HORROR SHOW feierte mit Standing Ovations und sehr viel Liebe zum durchgeknallten Detail Premiere.

‚Geshivered‘ wird an diesem Abend tatsächlich. Allerdings nur vor Freude und vielleicht auch wegen des Platzregens. Den verursachen die zahlreichen Spritzpistolen, die das Auditorium des Salzburger Landestheater für kurze Zeit in eine wilde Partylandschaft verwandeln. Grund dafür ist ein ekstatisches Publikum, das mit Luftschlangen, Sprüchen und ja, sogar Knicklichtern um sich wirft, als gäbe es kein Morgen. Insider ahnen es, die ROCKY HORROR SHOW feiert Premiere und lässt das ansonsten als konservativ verrufene Salzburg aus den Sesseln hüpfen und keck die Hüften zum „Time Warp“ schwingen.

An dieser Stelle darf von einem kleinen Wunder gesprochen werden, das Marco Dott (Regie) mit seiner im wahrsten Sinne des Wortes mitreißenden Adaption des Kultmusicals gelang. Dessen Geschichte lässt sich ungefähr genauso surreal an wie die Ekstase des eigentlich seriösen Publikums. Die ROCKY HORROR SHOW ist einem Moment von Langeweile entsprungen. Beim Fernsehen. Ernsthaft. Wo heute fleißig am Handy gedaddelt werden würde, zückte Richard O’Brien – ein arbeitsloser und mäßig begnadeter Schauspieler – Block und Stift. Seine Leidenschaft für B-Movies und Rockkonzerte bilden die Basis des verrückten Stoffs, der als Enfant terrible ein unerwarteter Musical-Selbstläufer wurde.

In aller Plot-Kürze

Das frischverlobte Musterpärchen Brad und Janet hat mitten im Nirgendwo eine Autopanne. Das ist eher suboptimal, zumal portable Telefone noch ferne Zukunftsmusik sind und es obendrein regnet. Also machen sich die beiden wohl oder übel per pedes auf, um eines Festnetzanschlusses habhaft zu werden. Dabei stoßen sie auf ein Schloss mit seltsamen Bewohnern und landen ex abrupto auf der wilden Party einer Gruppe Außerirdischer vom Planeten Transsexuell. Schnell ist es um die Unschuld des biederen Pärchens geschehen. THE ROCKY HORROR SHOW: Janet (Patrizia Unger) und Brad (Martin Trippensee)Das Oberhaupt der illustren Runde, Dr. Frank’n’Furter, lädt sie ins Labor zur Präsentation seines Meisterwerks ein: einem fleischgewordenen Muskelprotz mit dem klingenden Namen Rocky. Der sorgt alsbald für allerlei Wirbel und als dann auch noch unter den Angestellten eine Revolte ausbricht, ist es um die Ruhe auf dem Schloss geschehen.

ROCKY HORROR SHOW: Durchgeknalltes Musical-Spektakel

Bei der Uraufführung der ROCKY HORROR SHOW wurde gezwungenermaßen an der Bühnentechnik gespart. Kein Problem über vierzig Jahre später. Immerhin ist das Muscial inzwischen Kult und das Landestheater keine Offbühne. Trotzdem ruht sich das Team rund um Marco Dott nicht auf den Lorbeeren der Rezeptionsgeschichte aus. Stattdessen greifen alle musicalischen Gewerke ineinander und kreieren ein kunterbuntes, durchgeknalltes und zugleich ansprechend düsteres Treiben mit Premium-Trash-Charakter (Bühne: Christian Floeren, Kostüme: Conny Lüders, LIchtdesign: Martin Nussbaumer, Sounddesign: Nenad Milosavljevic, musikalische Leitung: Wolfgang Götz).

Wenn Brad und Janet (Martin Trippensee und Patrizia Unger) ihre Verlobung feiern, ist das ein Spektakel in Pastell und ach so amerikanisch. Spätestens hier zeigt sich, das Publikum ist voll dabei. Emsig werden Luftschlangen geworfen und freudig gejubelt. Erste düstere Vorausblicke gewährt die Inszenierung, wenn sich das instagramable putzige Pärchen ins Auto setzt – das aus düsteren Phantomen besteht, die alle wenig später als außerirdisches Gefolge in Frank’n’Furters Schloss wieder auftauchen werden.

Bühnenbild reloaded

Das Schloss ist eine sehr gelungene Mischung aus Vampir-Festung à la TANZ DER VAMPIRE – man beachte die breite Wendeltreppe im leichten Gothic-Style -, in Kombination mit futuristisch-amourösen Elementen inklusive eigenem Lift, ganz in Rot. THE ROCKY HORROR SHOW in Salzburg: EnsembleDer projizierten Eingangstür wird mit imposantem Soundeffekt der perfekt knarrende Ton verliehen. Wenn Riff-Raff (Marco Dott wie bereits Richard O’Brien in der Rolle des anämischen Butlers) die beiden Fremden ins Haus bittet, ja, dann ist er wieder da, dieser Moment des wohligen Schauderns.

Zwar ist das Salzburger Landestheater keinen rigorosen Sparzwängen unterworfen, tatsächlich hält die Inszenierung aber dem Purismus der ursprünglichen Fassung die Treue. So besteht das Bühnenbild der Drehbühne aus nur zwei Seiten. Schloss und Labor. Letzteres vermutlich eine Kulissen-Adaption aus GESCHICHTEN AUS DEM WIENERWALD, nur sehr viel makaberer und nichts für Mysophobiker. Das Fitnessgerät in der Mitte des Raums wird zum ‚Geburtsstuhl‘ von Frank’n’Furters Kreation: Rocky (Sebastian Smulders). Der ist tatsächlich mehr als die vom Meister gehuldigte Muskelmasse. Als güldener Toyboy besticht Rocky allerdings weniger durch Grips als mit Emotionen – denen lässt Sebastian Smulders freien Lauf.

ROCKY HORROR SHOW: Wenn das die Griechen wüssten

Benjamin Oeser ist ein gelungener Frank’n’Furter, der wendig zwischen gut und böse wechselt. Als größenwahnsinniger Außerirdischer macht er das, THE ROCKY HORROR SHOW in Salzburg: Ensemblewonach ziemlich viele Wissenschaftler seit Golem streben: Die Menschwerdung einer eigenen Kreatur ankurbeln. Neben der jüdischen Mythologie schwingt aber auch noch die griechische mit, wenn Frank’n’Furter – ausgebufftes Schlitzohr, das er ist – wie einst Zeus Brad und Janet in der Form des jeweils anderen verführt.

Die Szene birgt humorigen Mehrwert. Zum einen wird sie bis ins letzte Wort und die letzte Pose gespiegelt, zum anderen als Schattentheater dargeboten. Das könnte kaum zweideutiger sein, wiewohl es gleichzeitig fast nichts preis gibt. Patrizia Unger und Martin Trippensee haben sichtlich Spaß an ihren Rollen und wandeln sich vom biederen Pärchen zu enthemmten Jüngern des lasziven Meisters. Besonders Martin Trippensee kokettiert mit Brads neuer Identität in Highheels und transparentem Mäntelchen, das kaum ein Auge trocken bleiben dürfte.

So gar nicht langweilig

Spaß verbreiten auch Anja Clementis sehr gelungene Magenta und deren Bruder Riff-Raff (dito Marco Dott). Als rechte und linke Hand des transgalaktischen Anführers sind sie meistens präsent und immer durchtrieben.THE ROCKY HORROR SHOW in Salzburg: Frank'n'Furter (Benjamin Oeser), Dr. Scott (Christoph Wieschke), Brad (Martin Trippensee) Wunderbar ihre Boshaftigkeit und Schadenfreude, wenn sie den Kopf des verschwundenen Eddie durch die Luft sausen lassen, während der Rest der Tafelrunde – die vermutlich nicht von ungefähr an das Letzte Abendmahl erinnert – entsetzt aufspringt und hysterisch über die Bühne sprintet. Oder die Machtergreifung nach dem Sturz Frank’n’Furters, bei der trashige Soundeffekte zum Einsatz kommen. Ein ungleich schwierigeres Los hat da schon Erzähler Axel Meinhardt. Der wird in typischer ROCKY HORROR SHOW-Manier regelmäßig mit „langweilig!“ ausgebuht. Daran stört sich der versierte Schauspieler keineswegs, sondern baut besonders kreativ Wortspenden humorig in seine Monologe ein.

Entscheidung vertagt

Bekanntermaßen scheiden sich die Geister über die beste Szene des Kultmusicals. In der Salzburger Inszenierung wird die Entscheidung kaum leichter gemacht. Zu den rockigen Klängen der Rocky Horror Salzburg Band sitzt jeder Ton; dass die Texte im Englischen belassen wurden, ist ein großer Pluspunkt der Inszenierung. Da ist dann auch die Tatsache leichter verdaulich, dass die Dialoge naturgemäß in deutscher Sprache sein müssen. Welche Stelle jetzt aber wirklich die beste ist, bleibt Ansichtssache. Und dass der Abend in derlei kurzer Manier verfliegt, ist ein sicheres Anzeichen für den Erfolg der Produktion: Let’s do the time warp again!

 

Fotonachweis: Anna-Maria Löffelberger

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2 Kommentare

  1. Das einzige was ich bei dieser Inszenierung wirklich bedauere ist das Fehlen einer Live-Band. Konserve erzeugt einfach ein anderes Gefühl beim Publikum.

    1. Author

      Das freut mich! 🙂 Wobei, Band ist vorhanden. Die „Rocky Horror Salzburg Band“ – man sieht sie nur erst beim Schlussapplaus. 😉

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