Total analog.
Von einem der auszog, um Amerika zu bereisen und Musik zu machen: Mit THIS NEW HOME schuf Jacob Miller ein starkes Debütalbum voll spannender Einflüsse.
Anpacken und selbst Hand anlegen, das können auch Musiker. Zumindest wenn sie Jacob Miller heißen und nebenbei auch noch Songwriter, Komponist und Performer sind. Im Juni veröffentlichte Miller sein Debütalbum THIS NEW HOME, das er ganz nebenbei auch noch selbst aufnahm und arrangierte. Der Titel könnte kaum passender gewählt sein. Denn mit dem Album hat der Sänger tatsächlich ein solides Heim geschaffen, das den Abenteurergeist der ’next generation‘ atmet; den digitaleAn Nomaden also, denen Miller auch irgendwie angehört, selbst wenn er auf digital verzichtet und total analog quer über den amerikanischen Kontinent tingelt, um Musik zu machen.
Tiefenentspannt
Als Jacob Miller 2009 auszog, um die Welt zu erobern, hatte er nur einen Koffer und seine E-Gitarre dabei. Auf Portland folgte Nordamerika. Auf das Musikstudium die Arbeit auf Farmen und Ranches. Da bleibt einiges hängen, nicht nur musikalische Techniken wie der Finger-Picking-Stil, für den der Musiker ein Faible besitzt. In seinen Tracks verarbeitete Miller seine Erfahrungen und verschmilzt dafür Pop mit traditioneller Musik und Mainstream mit Folk. Kein Wunder also, dass bereits beim ersten Song („Take Me Home“) Reminiszenzen an Owl City anklingen. Gut, das könnte der ähnlichen Stimmfarbe von Frontmann Adam Young und Freigeist Jacob Miller gezollt sein – und so ein bisschen e-Sound schadet nie, vor allem, wenn man die musikalische Diversität lebt. Tiefenentspannt intoniert Miller, zügig, aber ohne auch nur ansatzweise in Hektik auszubrechen.
Neue Ufer
Die relaxte Note haftet dem gesamten Album an. „Words We Didn’t Mean“ beginnt sanft, während der Song rasch an Tempo aufnimmt und sich immer wieder pünktlich zum Chorus seiner ruhigen Nuancen entsinnt. Es mag kaum verwundern, dass sich auch bei Jacob Millers TAKE ME HOME alles um die großen Gefühle dreht. Dass dabei keine Langeweile aufkommt, könnte erstaunen. Die divergenten musikalischen Arrangements belehren aber eines Besseren. „Lifted“ punktet mit eingängiger, schon fast spielerischer Melodie, die von Lebensfreude kündet, ohne dabei Saltos zu produzieren oder ins Schrille abzudriften. Sanft und harmonisch reihen sich die Töne aneinander und stecken an: mit Aufbruchfreude und Abenteuergeist.
Drama, baby, drama!
Melancholisch könnte sich „As I Am“ anlassen, dass bedächtig beginnt und mit seinem reduzierten Einstieg auch gleich das passende Setting liefert. „Take me as I am/ For I fear that I won’t change/ First steps then run run run/ Places start to look the same (…)“, ehe der Song gleich darauf zu einem energischen „If you can believe I tried the best/ not to hurt anyone“ ansetzt und sich neue (Lebens)Töne unter das musikalische Arrangement mischen. Ebenfalls hörenswert, die Instrumentierung, die sich mit jeder Strophe vergrößert. Tatsächlich kann Jacob Miller aber auch die dunklen Töne; „Tell Yourself“ ist ein wunderbar melancholisches Stück, das immer wieder in den klangvollen Refrain „But I don’t give a fuck what/ you’re thinking/ I don’t give a fuck what you say/ It don’t make no god damned/ difference“ kulminiert. Sollte man sich merken, vor allem auch, weil Miller die Zeilen mit stiller, melancholisch-resignierter Inbrunst zum Besten gibt.
Make America great again
Den krönenden Abschluss von THIS NEW HOME bildet der letzte Track des Albums: „St. Mary’s Gospel Choir“ – tatsächlich könnte es keinen schöneren Closing-Track geben. Die melancholisch-resignierte Note aus „Tell Yourself“ ist zurück, noch ein Stück verzweifelter, persönlicher. Wer weiß, liegt es am inbrünstig intonierten „Sing hallelujah“ oder der Verzweiflung, mit der Jacob Miller gegen den Verlust ansingt. Vielleicht aber auch einfach nur am echten Gospel-Choir-Sound, Violine (Viet Block) und Cello (Zach Banks), die zur Unterstützung eilten. Die Authentizität sitzt, aber das scheint bei Jacob Miller wenig erstaunlich. Schließlich trägt gerade diese Echtheit, der gleichzeitig so etwas Ur-Amerikanisches anhaftet, zum Erfolg des Albums bei.
Fotonachweis: David Neff
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