Virginia Hill – Kleines Theater Salzburg

Eine Mafia-Braut auf Salzburger Abwegen

Volles Haus am Kleinen Theater bei VIRGINIA HILL – auch einen Tag nach der Uraufführung des humorig-kurzweiligen Kriminesers mit der Musik von Peter Blaikner und Konstantin Wecker.

Wenn zwei sich streiten, freut sich bekanntlich der Dritte. Im Fall von VIRGINIA HILL ist das das Kleine Theater in Salzburg. Denn eigentlich handelte es sich bei dem Musiktheaterstück um ein Auftragswerk für den großen öffentlichen Bruder, das Landestheater. Dann aber überwarfen sich Autor und künstlerische Leitung, der Skandal war perfekt. Das wiederum scheint nur gut und billig für ein Stück, das von einer berühmt-berüchtigten Mafia-Braut handelt. Genauso kämpferisch wie seine Protagonistin zeigte sich auch Peter Blaikner, der verstimmte Autor. Zum Glück brachte ihn das Zerwürfnis nicht von seiner Mission ab; im Gegenteil, Blaikner passte sich den Umständen an und feierte mit der leicht abgespeckten Variante Uraufführung.

In aller Plot-Kürze

Virginia Hill stammte aus ärmlichen Verhältnissen, die sie schnellstmöglich hinter sich lassen wollte. Mit ihrem losen Mundwerk und den flexiblen Moralvorstellungen arbeitete sich die junge Frau zügig bis in höchste amerikanischen Mafia-Kreise vor. Sie war die Geliebte und Vertraute von zahlreichen Mafia-Bossen, im Drogenhandel aktiv und frönte dem Luxus. Bei einem Urlaub in Sun Valley verliebte sie sich in den Salzburger Skilehrer Hans Hauser. Die beiden heirateten und wanderten mit Kind und Kegel nach Salzburg auf die Zistelalm aus. Doch so ganz ohne Luxus, das fiel Virginia trotz aller Liebe schwer. Als ihr Geldgeber seine Zahlungen einstellte, erpresste sie die Cosa Nostra mit der Publikation ihres Tagebuchs – am 23. März 1966 wird Virginia Hill tot am Heuberg aufgefunden. „Selbstmord“ lautete die offizielle Polizei-Erklärung, die die Würgemale am Hals großzügig ignorierte. Acht Jahre später ist auch Hans Hauser tot – erhängt in seiner Salzburger Bar mit Spuren von Gewalteinfluss. Die offizielle Ursache? Natürlich „Suizid“.

Kurzweiliges Musiktheater

Was sich Peter Blaikner mit VIRGINIA HILL vornahm, ist bestenfalls als ambitioniert zu bezeichnen. Die Verstrickungen Hills bis in tiefste Mafia-Kreise sind so breit wie nebulös und glänzen durch komplexe Wendungen. Peter Blaikner gelang allerdings das Unmögliche: Er verschnürte die verzweigte, spannende Lebensgeschichte zu einem kompakten und kurzweiligen Musikstück. Die Kompositionen steuerte der künstlerische Tausendsasa übrigens auch noch bei, gemeinsam mit Konstantin Wecker. Bei so viel Theaterleidenschaft und prominentem Support scheint der Erfolg vorprogrammiert.

Vier Schauspieler*innen schlüpfen in ein halbes dutzend Rollen und mindestens ebenso viele dialektale Varietäten, dass es ein theatrales Volksfest ist. Locker und eloquent servieren sie dabei die herrlich trockene Pointen und kunstvoll arrangierten Sprachjonglagen, die bis in die letzte Textfaser vordringen. Wer benötigt schon ein großes Budget? Regisseur Cornelius Gohlke setzt auf die leicht bekömmliche Alternative und kreierte mit wenigen Möbelstücken und jeder Menge Wandschmuck ein entsprechendes Ambiente. Das lässt das Flair des letzten Jahrhunderts auferstehen und bildet einen vorzüglichen Rahmen. Apropos Rahmen! Den liefert als dramaturgischer Clou auch das Stück selbst: In Form eines abgebrühten Polizeikommissars mit ‚latenter‘ Mafia-Obsession (Peter Blaikner) und eines jungen Polizeimediziners (Torsten Hermentin), der bei Hans Hauser „Selbstmord“ kategorisch ausschließt. Höchste Zeit den Exkurs über Virginia Hill und damit die Binnenhandlung zu starten. Leichten Schrittes wird das Publikum zu meist poppigen und manchmal folkloristischen Tönen mit Ohrwurm-Potential durch den Krimi der amerikanisch-österreichischen Nachkriegsgeschichte geführt. Dass dabei kein Auge trocken bleibt, ist klar, Peter Blaikner verpflichtet eben, egal wie ernst das Sujet.

Großes kleines Ensemble

Auf der Bühne tummelt sich ein großes Figuren-Repertoire, das von lediglich vier Schauspielern*innen gestemmt wird. Hochbetrieb auf der Hinterbühne ist dabei vorprogrammiert. Wieselflink und fehlerfrei schlüpfen die Mimen trotzdem in jeden noch so konträren Part und leisten sich keine Ausrutscher (das falsch geknöpfte Jackett zählt nicht). Zum absoluten Publikumliebling avanciert Gaby Schall oder die Frau mit den 101 Perücken – egal ob als ambiger Mafioso Nat Coiner, versnobte Schweizer High-Society-Lady, ‚tirolernde‘ Schwiegermutter oder als „Moidl“, die begierig auf die Geschichten der schönen „Zuagroasten“ lauert. Das Spiel mit den Dialekten beherrscht auch Torsten Hermentin zur Perfektion. Gut gelaunt und mienenreich wechselt er zwischen italienischem Akzent, Salzburger Sprachkolorit und herrlich schaurigem Englisch. Ähnlich expressiv agiert Peter Blaikner in seinen unterschiedlichen Rollen – maßlose Übertreibungen und andere Hanswurstiaden sind seine Spezialdisziplin und fügen sich hervorragend ins homogene Ganze. Da muss dann auch nicht zwangsweise jeder Ton glockenhell sitzen. Dafür sind ohnehin die Damen des Ensembles zuständig. Voluminös und klar serviert Kerstin Raunig als Virginia ihre Soli und Duette, leistet aber auch schauspielerisch ganze Arbeit. Die nur vordergründige Unschuld Hills gelingt ihr wunderbar; mit großen Augen schnattert sie den ahnungslosen Zollbeamten in Grund und Boden, während sie konkurrierende Geliebte wutentbrannt an den Haaren über die Bühne zerrt.

Ideale

Dass es sich lohnt, für seine Visionen einzustehen, beweist die vergangene Aufregung um VIRGINIA HILL. Die Uraufführung am Kleinen Theater kann nur als sehr gelungen bezeichnet werden. Vielleicht liegt das auch gerade am personaltechnisch reduzierten Ensemble und dem kleinen, aber feinen Ambiente des ehemaligen Bierkellers. Da macht Theater Spaß und wird selbst ein bis heute ungeklärter Kriminalfall zu einer köstlich intelligenten Komödie. Chapeau!

 

Fotonachweis: Christian Streili

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2 Kommentare

  1. Adäquate Kritik zu einem amüsanten Stück.
    Der Hans heißt aber Hauser und nicht Zauner!

    1. Author

      Ups, das sollte nicht sein, tausend Dank für den Hinweis. Schon ausgebessert. (Und danke auch für die trotzdem netten Worte!). 🙂

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