Obamas Happy-Dance
Das PNEU-Festival holt 2018 mit YOUR MAJESTIES die etwas andere Simultanübersetzung von Barack Obamas Friedensnobelpreisrede nach Salzburg.
Politische Reden haben ja gemeinhin nicht so den Ruf, Party-Knaller oder Feierabend-Perlen zu sein – von Perfomance-Material ganz zu schweigen. Marta Navaridas und Alexander Deutinger stört das allerdings wenig: 2010 starteten sie ihre Serie ICONIC RHETORICS, die sich mit bedeutsamen Persönlichkeiten der Gegenwart auseinandersetzt; egal ob Lady Diana, Papst Franziskus oder Barack Obama. Für das PNEU-Festival 2018 der Szene Salzburg kehrte das Duo jetzt mit ihrem Erstling YOUR MAJESTIES nach Salzburg zurück.
„Your majesties, Your Royal Highnesses, distinguished members of the Norwegian Nobel Committee, citizens of America, and citizens of the world“ – die ersten Worte von Barack Obama beim Friedensnobelpreis 2009 sind zugleich wegweisende Namensgeber des künstlerischen Programms. Marta Navaridas und Alexander Deutinger, die beide Übersetzung, Dolmetsch und Tanz studiert haben, vereinen ihre Disziplinen und setzen zur etwas anderen Simultan-Übersetzung an. Dafür transkribieren sie Obamas Rede ins Performative, das nur einen Künstler, einen Stuhl und eine leere Bühne erfordert. „Your majesties, Your Royal Highnesses“, deklamiert Alexander Deutinger also feierlich und mit fein appliziertem amerikanischen Akzent. Beinahe simultan ertönt eine weibliche Stimme aus dem Off „Majestäten, königliche Hoheiten“. Erst nach und nach drehen sich erste Zuschauer*innen um und entdecken die stumme Frau auf dem Podest mitten im Publikum. Scheinbar bewegungslos verharrt sie im Raum und blickt mit ernstem Blick geradeaus. Nach kurzer Starr-Phase setzt sie zu leichten, reduzierten Bewegungen an, die der Obama-Performer auf der Bühne wiederholt: Hier wird ein Bein gehoben, dort am Jackett gezupft oder eine Hand in Zeitlupe ausgestreckt. Erst langsam wird deutlich, dass die Frau auf der Mini-Bühne die Bewegungen vorgibt und das Tempo kontinuierlich steigert.
Mit dem Verstreichen der Zeit kommt Bewegung in YOUR MAJESTIES. Marta Navaridas und Alexander Deutinger zeigen die berühmte Rede in neuem Licht und legen durch gezielt applizierte Gestiken den Fokus auf bestimmte Punkte der Ansprache. Es ist spannend zu beobachten, wie die diversen Sprachbilder und politischen Floskeln in performative Rituale und Bewegungen übersetzt und immer stärker übersteigert werden. Das führt zu durchaus amüsanten Momenten; beispielsweise wenn Obama plötzlich einen fröhlichen Tanz hinlegt und sich über die Errungenschaften Amerikas freut. Oder auch die trotzigen Kriegerposen, die der weibliche Teleprompter vorgibt, sobald von der Bedrohung des eigenen Landes die Rede ist. Und dann ist da noch das Rätsel der Stimme, das irgendwann gelöst werden kann. Die sitzt nämlich in der Form von Gabriela Hiti etwas abseits und übersetzt tatsächlich simultan.
Erst in der Retrospektive fällt auf, dass sich hinter den langsamen, kontinuierlichen Steigerungen durchaus Sinn verbirgt: Sie demaskieren die Methoden der politischen Rede und führen sie vor. Übrigens, auch wenn transkribierte Polit-Performances Unterhaltungswert besitzen, Politiker*innen selbst sollten dann doch die Finger davon lassen; schließlich würde das Programm zu sehr vom Eigentlichen ablenken. – Ein paar Stichwörter blieben im bunten Sprachen-Wirrwarr dann trotzdem hängen: „Krieg“, „Frieden“, „citizens of the world“ und natürlich „hope“. Denn die Hoffnung ist es, die der performative Obama als Vögelchen in der Hand vorsichtig mit hinter den Vorhang nimmt. Ein schönes Schlussbild.
Fotonachweis: Bernhard Mueller
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