CutOuts – Toihaus Theater

Scheren-Träume aus Papier

Messer, Gabel, Scher‘ und Licht… Zum Glück nehmen es Alessandro Libertini und Véronique Nah in ihrer Inszenierung CUT OUTS mit letzteren nicht ganz so ernst: Poetisch-schön, vor allem für die Großen.

Der Schlüssel lautet ‚contemplation‘. Die Begeisterung von Regisseurin Véronique Nah ist ansteckend, wenn sie mit funkelnden Augen dem großen und kleinen Publikum rät, sich mittels Kontemplation dem Experiment CUT OUTS zu öffnen. Einfach die Atmosphäre auf sich wirken und die Imagination Purzelbäume schlagen lassen. Tatsächlich zeigt die feierliche Ansprache alsbald Wirkung. Mit gesenkten Stimmen und auf leisen Sohlen tapst das Publikum ehrfürchtig in den Zuschauerraum. Dort wird es bereits vom Papierschnitt-Künstler (Alessandro Libertini) in seinem Atelier erwartet. Tatsächlich ist alles vorhanden; vom Arbeitstisch, über Beleuchtung und scheinbar achtlos liegen gelassenen Scherenschnitt-Figuren auf dem Boden. Das Zufällige hat System und kleidet sich in poetisch schöne Bildsprache (Regie: A. Libertini, V. Nah, Sound: Luca Libertini, V. Nah, künstlerische Begleitung: Antonia Monticelli, künstlerische und technische Begleitung: Claudio Coloberti).

Es sei Henri Matisse, der als Begründer des Scherenschnitts gelte, tönt es aus dem Netz. Das ist freilich ein wenig exaltiert, aber zumindest sorgte der französische Maler für eine Wiederbelebung der Psaligraphie. Da ist es nur naheliegend, dass sich der italienische Künstler A. Libertini auf die Spuren des großen Franzosen begibt. Als sich die Dunkelheit über den Saal senkt, werden nur die Hände des Künstlers und seine Schere von Licht erhellt. Mit ihr haucht er den Scherenschnitt-Figuren Leben ein. Der Zinnsoldat, die Primaballerina und alle anderen Kreationen künden von einer magischen Welt mit ihren eigenen Regeln. Die wird durch wunderbar lyrisch-musikalische Klänge akzentuiert, die das Geschehen auf der Bühne untermalen. Dabei setzen A. Libertini und V. Nah nicht nur auf Papier, sondern auch auf andere Materialien. Der schneidige Zinnsoldat wird aus silberner Oberfläche geboren, das Röckchen der Ballerina tanzt in der Brise und auch in die Papierfiguren auf dem Boden kehrt unvermutet Leben ein.

Die poetisch-magische Bildsprache von CUT OUTS fasziniert und wird von modernen Einflüssen unterstützt. Ein Projektor strahlt die Handarbeit des Künstlers auf eine große Leinwand. Das darauf geworfene Bild vergrößert und verkleinert sich je nach Perspektive. Davon macht A. Libertini Gebrauch, wenn er sie spielerisch nach vorne oder zurück rückt und kreisen lässt. Am Ende geht der Künstler mit einer Kamera auf Boden-Reise.

CUT OUTS ist eine wunderbar lyrisch-poetische Liebeserklärung an die Kindheit, die vor allem die Großen verzaubert. Vielleicht liegt das im nostalgischen Erinnerungsschwelgen begründet, dem man*frau sich gerne hingibt und das sich bei CUT OUTS fast sofort einstellt. Die Allerkleinsten werden dabei bisweilen etwas unruhig, immerhin stecken sie in den Anfängen des ersten Lebensabschnitts. Und da widmen sie sich lieber eifrig der Gegenwart und des Sammelns eigener Erfahrungen, um sich später irgendwann selbst einmal erinnern zu können; vielleicht auch an diesen einen Nachmittag damals im Toihaus Theater bei CUT OUTS…  😉

 

 

Fotonachweis: Dario Lasagni // Compagnia Teatrale Piccoli Principi

 

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