77 Cent | Karriere kein Kinderspiel – eine Produktion von kollektiv Kollinksi

77 Cent for your thoughts

Auf die Satire-Barrikaden – für Emanzipation, Karriere und trotzdem Kinderkriegen. 77 CENT – KARRIERE KEIN KINDERSPIEL widmet sich mit SeminART den brisanten Fragen des Frauseins und reagiert mit Humor auf die kritischen Antworten.

Kennt ihr Bridget and Eamon? Er geht arbeiten und schafft das Geld heran, sie ist die ketterauchende Hausfrau, die auf die 68 Kinder aufpasst – gemeinsam lassen sie die neunziger Jahre im katholischen Irland wieder auferstehen. Natürlich sind Bridget und Eamon nur die fiktiven Hauptdarsteller einer irischen Sitcom, aber irgendwie drängen sich Parallelen auf. Zumindest dann, wenn Caro (Caroline Mercedes Hochfelner) und Susanne (Susanne Lipinski) ausgiebig die Rollen der Frauen in der Gesellschaft diskutieren und die Sache mindestens genauso pointiert angehen, wie ihre irischen Pendants.

SeminART

Der rote Faden des Abends sind 77 Cent. Warum genau 77 Cent? Weil dass laut Caro, Susanne und Traudi (dem schüchterne Clipboard) der Betrag ist, denn Frauen heutzutage in Österreich verdienen, während Männer für die gleiche Arbeit 1 Euro erhalten. Eine ziemliche Ungerechtigkeit, findet auch das performende Trio – und lädt zu seinem innovativen Seminar (Regie: Karin Gschiel, musikalischer Support: Gudrun Raber-Plaichinger). Die Atmosphäre im Coworkingspace des Techno-Z ist bei der Sneak-Preview erfrischend seminarig und locker. Für ihre Performance setzen die beiden Schauspielerinnen zwar auf ein bekanntes Thema (Stichwort: Gender Pay Gap, Emanzipation und Kinderkriegen), wählen dafür aber ein innovatives Konzept. In 77 CENT – KARRIERE KEIN KINDERSPIEL verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität. Caroline Mercedes Hochfelner und Susanne Lipinski bringen sich immer wieder selber ein oder nutzen das Potential von „alternativen“ Wahrheiten, die zu ihrer eigenen Geschichte werden, und mischen sie mit Fakten, die ihre Kunstfiguren präsentieren.

Keep Cool

Soweit, so unklar – aber umso erheiternder. – Tatsächlich ist es schwer, an diesem Abend einen klaren Kopf zu bewahren: Caro hat keine Kinder, Susanne sogar zwei und eventuell bald ein drittes, Karriere machen aber beide. Hier konsequent zwischen Privatpersonen, Kunstfiguren und Performerinnen unterscheiden zu wollen, ist ein Ding der Unmöglichkeit; deshalb lieber zurücklehnen, reflektieren und die Ironie mit ihren zielsicher applizierten Pointen genießen. Denn mit Selbstironie kennen sich Caro und Susanne aus. Die Bühnen-Ichs sind frech, schlagfertig und nehmen sich kein Blatt vor den Mund. Genau dadurch lenken sie die Pubikumsblicke auf das Problem und dürfen politisch (un)korrekt über Missstände herziehen. Eine höchst effektive Methode, die lachend zum Nachdenken anregt. Und lachen, das ist bei diesem humorigen SeminART ein Dauerzustand.

Der Weg ist das Ziel

Als Requisiten dient denn Performerinnen nicht nur Traudi, deren Eltern stolz der Vorstellung beiwohnen; nein, bewaffnet mit einem Arsenal an Babyutensilien – schließlich ist Susanne begeisterte Mama -, leeren Bierkisten, rasselnden Eiern und einem (Kinder?)Keyboard bauen sie ihr 7stufiges Programm auf. Ach ja, die 7! Schon gewusst, die 7 ist eine göttliche Zahl?! Gemeinsam präsentieren Caro und Susanne mit ihrem ganz eigenen, seriös-businessmässigen Intro (frau ist very up-to-date) „Situation, Clarity, Aim, Network, Start-up, Go with the flow, Stay-up“ – natürlich verwendet das Trio Anglizismen, das versprüht Elan und Professionalität, und scheint in einer von Werbesprache geprägten Gesellschaft ziemlich passend. Tatsächlich ist 77 CENT – KARRIERE KEIN KINDERSPIEL eine köstlich ungeschönte Reise durch die Welt von Frauen – gepflastert mit Vorurteilen, Mythen, Fakten und Halbwahrheiten. Auf der Straße zum Seelenfrieden teilen Caro und Susanne mit schauspielerischem Talent und körperlichem Einsatz fleißig Tipps für das Endziel aus. Dass dieser Zustand einiger Arbeit bedarf, wird alsbald deutlich. Allerdings lohnt sich der Aufwand. Die Richtung ist bei Caroline Mercedes Hochfelner und Susnne Lipinski klar vorgegeben: Humor rules. Und wer weiß, vielleicht leistet das Programm auch seinen kleinen, aber feinen Beitrag, um das Gender Pay Gap und andere Missstände möglichst bald Vergangenheit sein zu lassen.

 

 

Fotonachweis: kollektiv KOLLINSKI

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