Es gibt so Menschen, die mögen keine anderen Menschen. Und so ein Misanthrop ist auch Herr von Rappelkopf. Der Wüterich mit dem sprechenden Namen ist eine der zentralen Figuren in Ferdinand Raimunds 1828 uraufgeführtem Zauberspiel ALPENKÖNIG UND MENSCHENFEIND. Zum damaligen Zeitpunkt stand bereits nicht mehr alleinig der Zaubercharakter im Zentrum, vielmehr machte es sich dort schon die Besserungsintention des Spiels bequem.
Trotzdem ist es vor allem die Zauberwelt, auf die Alexandra Liedtke in ihrer Salzburger Inszenierung den Schwerpunkt legt. Um den Unverbesserlichen zu läutern, greift der Alpenkönig Astragalus (wunderbar präsent und mit angenehmer Stimme: Markus Bluhm) tief in seine magische Trickkiste. Das geschieht mit großer Furore, ist Bluhms Alpenkönig doch ein Showstar par excellence, der das Rampenlicht konsistent sucht und ausgiebig feiert. Während er effekthascherisch seine Macht demonstriert, ist es aber dennoch die biederliche Vernunft, die siegen wird. Nach anfänglichen Überzeugungsschwierigkeiten („Eine Angst hat alles vor mir, dass es eine Freude ist.“) erkennt Rappelkopf (Christoph Wieschke entsprechend jährzornig und trotz Hexenschuss erstaunlich agil) doch noch die Bedenklichkeit seines eigenen Verhaltens. Der Misanthrop oszilliert zum „pensionierten Menschenfeind“.
Liedke inszeniert mit modernen Elementen (Bühne: Raimund Orfeo Voigt, Musik: Karsten Riedel). Ihre ALPENKÖNIG UND MENSCHENFEIND Welt ist modern, bunt, laut und phasenweise psychedelisch. Dezente, nicht ganz so dezente und tierische Kostüme (Valentina Mercedes Obergantschnig) akzentuieren das magische Treiben auf der Bühne. Zwei Musiker (Karsten Riedel, Jay Beitel) werden famos in die Zauberperformance mit Besserungsambitionen integriert und bilden einen exzellenten musikalischen Rahmen. Das Raimund’sche Stück erhält Show-Charakter und die Grenzen zu Rock-Konzerten scheinen fließend. Das Ensemble changiert derweil fidel zwischen Schaupieler*innen und Alleinunterhalter*innen. Dabei lässt sich die Bühnentechnik nicht lumpen. Lichtinstallationen simulieren die Alpen-Silhouetten, Feuerflammen züngeln fleißig und auch mit Bühnennebel wird nicht gegeizt. Mikrophon- und Lautstärken-Spielereien sind nur eine der vielen Varianten, um die Wutanfälle Rappelkopfs oder Gefühlskarussellfahrten der anderer Figuren zu akzentuieren. Und dann sind da ja auch noch die heiteren Momente, die einzig vom Schauspiel leben wie die des eitlen Zimmermädchens Lischen (kokett und mit Hang zur Hysterie Sofie Gross) und des treuen Dieners Haberkuk (wunderbar humoresk Georg Clementi), deren verbale Konfrontationen eine stete Lachmuskelstrapaze bedeuten. Wobei Clementi gewohnt präzise und trocken seine Pointen in Gestik und Sprache auf den Punkt liefert. Aber auch Malchen (Nicola Rudle) und Sophie (Britte Bayer) glänzen. Letztere vor allem aufgrund ihrer Wandlungsfähigkeit. Und ja, vielleicht auch wegen der schön servierten und im Dialekt dargebotenen Flegeleien, die sie als Marthe großzügig verteilt.
Selten ist Belehrung so schön und amüsant wie in Riedkes Regiearbeit ALPENKÖNIG UND MENSCHENFEIND. Frech und modern inszeniert, trifft das Landestheater einen jungen Nerv, der auch im Publikum spürbar auf Gegenliebe stößt. Und wer sagt da noch, dass die Klassiker der deutschsprachigen Literatur öde und verstaubt sein müssen? Wunderbar.
Fotonachweis: Anna-Maria Löffelberger
by