#supernice! Richard Panzenböck inszenierte „Der Lorax“ von Dr. Seuss an den Kammerspielen als poppiges, aktuelles Öko-Stück, das zum Handeln auffordert. Für die Natur, gegen die Gier.
„Darf ich Ihnen das Sie anbieten?“. Das fluffige, orange Etwas mit den starren blauen Augen hat strikte Prinzipien und die ist der Einstler gerade dabei, nach allen Facetten der Kunst zu brechen. Die Rede ist vom Lorax: In Amerika ein echter Klassiker, ist die Figur aus dem Kinderbuch von Dr. Seuss hierzulande kaum bekannt – und war Ende der 70er Jahre sogar vergriffen. Zum Glück gibt es aber Ausnahmen wie Richard Panzenböck (Regie) und das Salzburger Landestheater. Die verpassten dem Stoff ein Update und pimpten es auf 2023. Statt Reime lieber Generation-Alpha-Sprech und eine Öko-Botschaft, die dafür sorgt, dass das orange Wuschelwesen an den Kammerspielen einfach trenden muss.
Auld Long Syne
Potenzial zum Trenden besitzt der Lorax genug. Geraldine Massing (Bühne & Kostüme) kreierte ein fabelhafte, variable Bühnenlandschaft, irgendwo zwischen dystopisch düster und märchenhaft bunt. Das gemeinsame Abtauchen fällt unter diesen Voraussetzungen besonders leicht und wird durch die flauschige Faune komplettiert (Puppenbau: Richard Panzenböck & Michaela Studeny). Wer jemals einen Braunfelliwulli im natürlichen Habitat betrachten wollte oder von einem Summerfisch geküsst werden möchte: Hereinspaziert. Für die Inszenierung kombiniert Richard Panzenböck sein Puppenbauerknowhow mit szenischem Geschick, das von den Schauspieler:innen perfektioniert wird. Die stülpen sich Braunfelliwulli, Summerfisch und den Lorax über und werden eins mit den Fabelwesen. Ihre Figurenführung ist so subtil wie detailgenau, dass die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen (Leyla Bischoff, Elisabeth Mackner, Arthur Büscher, Aaron Röll).
Zugleich scheint die Diskrepanz der Ebenen eine Analogie auf das Stück selbst zu sein, wo es zunehmend schwieriger wird, zwischen Spiel und Welt zu differenzieren. Hier wie dort geht der Planet zugrunde, pfeift die Natur aus dem letzten Loch und niemanden scheint es zu kümmern, außer einer kleinen, aber dafür umso engagierteren Minderheit.
Generationen vor
Der Einstler (hurra, Gregor Schleunig ist zurück am Haus) wird in dieser Parabel zur Metapher auf die menschliche Gier. Sehr gelungen, die Wandlung vom duseligen Tollpatsch, der eigentlich nur gemocht werden möchte, dabei aber einen Fehler nach dem anderen begeht, zum Entrepreneur, der den Hals nicht voll genug bekommt. Wieder sind es die kleinen Details, die die Wandlung so besonders machen. Sei es in Kostüm oder Darstellung. Eine Brücke in die Realität bildet Aaron Rölls Junge, der sich bewaffnet mit iPhone und seiner Crowd auf die Spur des Einstlers setzt, #nice. Herrlich auch, wie „Der Lorax. Dr. Seuss“ Gen Z bis Alpha paraphrasiert und dabei doch niemals aufgesetzt wirkt, ok, fast niemals.
Sag mir, wo die Bäume sind: Der Lorax
Es sind die feinen Nuancen, die besonders begeistern. Arthur Büscher hat den Lorax fest im Griff und verleiht ihm mit holländischem Akzent sein etwas verschrobenes Waldgeistertum – zeitgenössische Anspielungen inklusive. „Bist du Greta Thunberg?“ schleudert ihm der Einstler anklagend entgegen. Nein, ist er nicht, aber zumindest tritt er ähnlich vehement für die Bäume ein, wie die Schwedin für die Umwelt. Kluge Sentenzen inklusive, wenn der Lorax betont, das ein paar Bäume mehr oder weniger nicht ins Gewicht fallen, der ganze Wald aber schon. Die Klimakleber haben auch ihren Mini-Auftritt, in Form eines knuffeligen Braunfelliwullis, das keck eine Tube Klebstoff umgehängt hat und sich an der Fabrik festklebt.
Nicht belehrend, aber eindringlich: Die Botschaft vom „Lorax“ ist so so einprägsam wie simpel und wird von der Parabel selbst belegt. Die Analogien mit der Gegenwart sind so verdichtet, da braucht es gar keiner weiteren Erklärungen. Es hilft allerdings, dass auch die Moderne ad absurdum geführt wird. Reicht es nicht, dass der Einstler das iPhone des Jungen einkassiert, so tauchen auch immer wieder „Fashion People“ auf und zeigen durch völlige Übersteigerung, wie sinnbefreit diese Welt eigentlich ist. So macht Theater Spaß und sorgt trotzdem für didaktischen Mehrwert. Wir wollen den Lorax zurück! Dass er bis jetzt noch nicht wieder aufgetaucht ist, dagegen hilft nur eins: Weitersuchen. Noch besteht Hoffnung.
Fotonachweis: Tobias Witzgall
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